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  • Annika Simon
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  • 13.03.2017

Und plötzlich wurde es Schwarz vorm Auge

Leidet ein älterer Mensch mit kardiovaskulärem Risikoprofil unter plötzlichen Sehstörungen, geht der erste Verdacht meist in Richtung Schlaganfall. Dabei können die Ursachen vielfältig sein.

Schwarzer Schleier auf einer Beerdigung

Es ist ein verregneter Mittwochnachmittag und ich begleite als Famulantin die diensthabende Neurologin in der Notaufnahme. Seit Tagen waren alle Betten der Klinik belegt und so hoffen wir auf möglichst wenige Patienten. Als wir mit dem letzten Konsil der chirurgischen Kollegen fertig sind, können wir endlich mal eine kleine Pause einlegen und holen uns einen frischen Kaffee. Die Tassen sind noch kräftig am Dampfen, als sich der erste Notfallpatient in Begleitung einer kleinen Menschengruppe vorstellt. Unser Patient spricht dabei nur Arabisch, sodass einer seiner Angehörigen für uns übersetzt. Alle sind sehr aufgeregt und kommen von einer Beerdigung in einer städtischen Moschee. Sie erzählen, dass der Vater plötzlich auf dem linken Auge nicht mehr sehen konnte. Von einer Sekunde auf die andere sei vor dem betroffenen Auge ein schwarzer Schleier gefallen. Zudem spricht der Dolmetscher von bunten Farben und Fäden im Gesichtsfeld. Die Neurologin hört geduldig zu, erhebt einen neurologischen Status und schickt den Patienten zum Ausschluss einer Hirnblutung oder eines Territorialinfarktes erstmal zum Schädel-CT.

 

Unruhe und Sprachbarriere

Dabei erschweren sowohl die Sprachbarriere als auch die vielen Angehörigen des Patienten deutlich unsere Arbeit. Das CT vom Kopf ist glücklicherweise unauffällig und mit Ausnahme der vom Patienten beschriebenen Sehstörung kann die Ärztin kein fokalneurologisches Defizit feststellen. „Also irgendwie kommt mir das komisch vor!“, sagt sie skeptisch, „Das klingt alles nicht nach einem Schlaganfall-Symptom. Ich werde nochmal den Augenarzt anrufen. Er soll den Patienten gründlich untersuchen.“ Wir melden also ein augenärztliches Konsil im System an und erklären dem Patienten mit Hilfe des Dolmetschers das weitere Procedere. Inzwischen sind noch zwei Söhne mit ihrer Familie dazugekommen, sodass sich die Notaufnahme langsam richtig füllt.

 

Überraschungsbefund beim Augen-Konsil

Der Augenarzt ziert sich zunächst ein bisschen und beharrt bei unseren Beschreibungen und dem Risikoprofil des Patienten mit Nikotinabusus, Bluthochdruck und bauchbetonter Fettleibigkeit auf dem Anfangsverdacht eines Schlaganfalls. Die Untersuchung des vorderen Augenabschnitts mit der Spaltlampe verbliebt zunächst unauffällig, aber die Neurologin besteht dennoch auf eine Untersuchung des Augenhintergrundes einschließlich der Netzhaut. Der Augenarzt scheint zwar nicht besonders begeistert, willigt aber ein und stößt dann tatsächlich auf einen überraschenden Befund. Die Netzhaut des linken Auges hatte sich teilweise abgelöst und über eine Ultraschalluntersuchung ließ sich zudem eine Einblutung in den Glaskörper feststellen. Der Kollege bedankt sich knapp bei der Neurologin und organisiert eine Übernahme durch die Augenklinik inklusive einer Notfall-Operation. Meine betreuende Ärztin scheint mit ihrem Vorgehen mehr als zufrieden und gibt mir abschließend noch einen guten Tipp: „Bei einseitigen Sehstörungen älterer Patienten denken alle Disziplinen gleich an einen Schlaganfall. Aber Vorsicht – es gibt auch viele Differenzialdiagnosen aus der Augenheilkunde!“.

 


Weiterführende Links:

- Doku des Fernsehmagazins „gesundheitheute“ zum Thema „Netzhautablösung“
- Homepage der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft

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