- Fachartikel
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- Ulrich Fetzner
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- 04.12.2014
Häufige Leitsymptome: Teerstuhl/blutiges Erbrechen
Teerstuhl und blutiges Erbrechen sind Leitsymptome der oberen gastrointestinalen (OGIT) Blutung - also Blutungen oberhalb des Treitz´schen Bandes - aus Speiseröhre, Magen oder Zwölffingerdarm. Die OGIT-Blutung ist ein Thema, mit dem du dich vom ersten Tag deines Dienstes an vertraut machen solltest.
Mit dem Thema OGIT-Blutung solltest du dich aus zwei Gründen auskennen: Erstens sind OGIT-Blutungen häufig. Zweitens reicht die Spanne der Bedrohlichkeit des Krankheitsbildes von einer leichten Anämie – die in Ruhe abgeklärt werden kann – bis zu einem perakuten Notfall, während dem sich bei deinem Patienten binnen Minuten ein lebensbedrohender hämorrhagischer Volumenmangelschock entwickeln kann. Und noch etwas sollte dir immer bewusst sein: Es gibt kaum eine bedrohlicher wirkendere Krankheitserscheinung als Blut zu erbrechen. Patienten und Angehörige haben starke existentielle Ängste: du musst einfühlsam, zügig, sicher und effektiv handeln.
Kaffeesatz und Teerstuhl
Akute, starke Blutungen können eine rote Farbe haben (Hämatemesis). Durch Kontakt von Hämoglobin mit der Salzsäure des Magens wird dieses bei weniger starken Blutungen zu braun-schwarzem Hämatin, das ähnlich wie „Kaffeesatz“ aussieht. Wird das Hämatin nicht vollständig erbrochen, kommt es – durch die Passagezeit nach Stunden bis Tagen – zu schwarzem, pechartigem und übelriechendem Teerstuhl (Melaena). Ursachen für OGIT-Blutungen sind meistens Duodenalulzera, Ösophagusvarizen, Entzündungen oder Tumoren.
Unterhältst du dich am Telefon mit Kollegen, weil dir der blutende Patient im Dienst zugewiesen werden soll, so wird die Schwere einer Blutung in Anzahl der Erythrozyten-konzentrat-Transfusionen pro 24 Stunden ausgedrückt.
Was tun bei OGIT-Blutungen?
Die zentralen Fragen, die du dir zunächst – noch vor Blutungslokalisation, Ursachenforschung und therapeutischen Überlegungen – stellen musst, sind:
• Ist der Patient kreislaufstabil?
• Wie ist sein Blutdruck und sein Puls?
• Ist er aspirationsgefährdet?
• Wie ist sein aktueller Hb-Wert?
Den aktuellen Hb-Wert verrät dir am schnellsten eine Blutgasanalyse (BGA). Zur „Basis-Sicherung“ der Vitalfunktionen erhält der Patient von dir als erstes einen großlumigen peripheren Venenzugang und Volumengabe. Du „kreuzt“ Blutkonserven und schließt den Patienten an ein Monitoring an. Je nach akuter, perakuter oder „nur“ dringlicher Situation, bringst du den Patienten auf einer Normalstation oder einer Intensivstation unter.
Wenn es erforderlich ist, wird sofort oder dringlich eine Ösophagogastroduodenoskopie (ÖGD) durchgeführt. Natürlich nicht von dir, sondern von einem erfahrenen Gastroenterologie-Facharzt. Den solltest du frühzeitig informieren, denn er hat – falls er nicht im Hause ist – eine Wegezeit.
Anamnese bei OGIT-Blutungen:
Besteht die Zeit dazu, befragst du deinen Patienten nach einem bekannten Ulkusleiden, nach bekannten Lebererkrankungen (z.B. Zirrhose durch Hepatitis oder Alkoholkonsum). Außerdem fragst du nachbekannten Blutgerinnungsstörungen und nach der Einnahme von Blutverdünnern (Marcumar, Aspirin, NSAR oder moderne Plättchenaggregationshemmer). Auch die Frage nach Kortisoneinnahme ist wichtig. Bekannte Tumorleiden, stationäre Krankenhausaufenthalte, Voroperationen, Allergien und Gewichtsverlust dürfen nie in deinem Fragekatalog fehlen. Aber bedenke: Einen blutenden Patienten solltest du nicht stundenlang verhören!
Da ältere Patienten oft erneut in die gleiche Klinik wie beim letzten Mal zugewiesen werden, schaust du natürlich in der EDV nach vorhandenen Arztbriefen.
Cave: Bei Patienten mit zusätzlichen Herzerkrankungen ist besondere Vorsicht geboten, da diese auf Blutverlust besonders empfindlich reagieren können.
Körperliche Untersuchung:
Im Vordergrund stehen für dich die Erfassung der Vitalparameter Blutdruck, Puls, Ansprechbarkeit und Hautkolorit. Existieren Schockzeichen, Leberinsuffizienzzeichen oder Operationsnarben?
Ist das Abdomen bei der Untersuchung druckschmerzhaft, bestehen Peritonismuszeichen? In diesem Fall rufst du deinen diensthabenden Kollegen aus der Viszeralchirurgie hinzu.
Apparative Untersuchungen:
Du machst ein kleines Blutbild mit Hb, Hämatokrit, Thrombozytenzahl und bestimmst die Gerinnungsparameter. Die Diagnostik übernimmt dann meist der in Endoskopie erfahrene Gastroenterologe. Die Blutungsschwere wird anhand der Forrest-Klassifikation eingeteilt (Tabelle 1).
Tabelle 1: Stadien der Ulkus-Blutung nach Forrest
Stadium | Endoskopische Beurteilung |
I | Aktive Blutung |
Ia | Pulsierende Blutung |
Ib | Sickerblutung |
II | Blutungsstigmata ohne aktive Blutung |
IIa | Sichtbarer Gefäßstumpf |
IIb | Aufsitzendes Koagel |
IIc | Hämatin auf Ulkusgrund |
III | Ulkusgrund ohne Blutungsstigmata |
Spritzende Blutung bei Ulcus Dieulafoy. Zugrunde liegt eine Gefäßmalformation im Magen, bei der eine Arteriole besonders nah an der Schleimhautoberfläche liegt. Stoppt die Blutung, ist die Läsion praktisch nicht mehr zu erkennen. Eine Blutung wurde bereits mit einem Hämo-Clip versorgt. Bei solch pulsierenden Blutungen ist das Risiko für Rezidivblutungen besonders hoch. Foto: B. Block, Der Gastroskopie-Trainer, Thieme
Akuttherapie:
Je länger sich der Patient in einer Volumenmangelsituation befindet, desto schlechter ist am Ende seine Prognose. Die Phase des Volumenmangels kann bis zur definitiven Blutstillung mit kristalloider Volumengabe und Erythrozytenkonzentraten überbrückt werden.
In 90% der Fälle gelingt eine endoskopische Blutstillung mit Unterspritzung (Noradrenalin), Sklerosierung (Histoacryl), Clip oder Hitzekoagulation (Laser, Diathermie).
Gelingt diese jedoch nicht oder kommt es nach initialer Blutstillung zu einer Rezidivblutung, konkurrieren heutzutage Chirurg und interventioneller Radiologe (CT-Angiographie).
Beide Kollegen sind dankbar, wenn du sie frühzeitig über das Geschehen informierst und sie nicht überraschend um 3 Uhr aus dem Bett holst. Zudem kann eine Operation unter einem blutenden Duodenalulkus – und das ist meist die Ursache für schwere Blutungen – tödlich ausgehen.
Autor:
Ulrich Fetzner
Studium in Würzburg, Zürich, Bern.
Facharzt für Viszeralchirurgie an der Universität zu Köln.
Kontakt: ulrich.fetzner@uk-koeln.de