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  • Annika Simon
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  • 29.11.2016

Lumbalpunktion - Mehr als nur ein kleiner Pikser

Beim Stichwort „Lumbalpunktion“ steht Patienten schnell die Panik ins Gesicht geschrieben. Immerhin geht der Stich in den Rücken zur Entnahme von Nervenwasser mit einigen Risiken einher. In der Neurologie gehört das Diagnostikum allerdings zum Alltag gar nicht mal so schwer durchzuführen – wenn man die nötigen Kniffe kennt.

© Markus Niethammer

Am Anfang steht die Indikation

Die Lumbalpunktion (LP) ist ein invasives diagnostisches Verfahren aus dem Fachgebiet der Neurologie, bei dem einem Patienten eine geringe Menge an Nervenwasser, dem sogenannten Liquor cerebrospinalis, entnommen und zur Analyse ins Labor geschickt wird. Da alle invasiven Maßnahmen am Patienten auch mit bestimmten Risiken verbunden sind, sollte die Indikation streng gestellt werden, d.h. der Nutzen muss den potenziellen Schaden überwiegen.

Klassische Indikationen für eine LP sind der Verdacht auf eine Entzündung des Nervensystems, eine Blutung, ein Normaldruckhydrocephalus, ein Pseudotumor cerebri oder unklare Kopfschmerzen. Handelt es sich um eine Infektion, enthält der Liquor viele Entzündungszellen oder bestimmte Antikörper gegen die Erreger. Bei einer Blutung ist der Liquor lachsrosa verfärbt und im Falle eines Normaldruckhydrocephalus oder eines Pseudotumors ist der Liquordruck erhöht. Eine Abpunktion sorgt dann für einen schnellen Rückgang der Beschwerden.

Zu den häufigsten Entzündungen des Nervensystems zählen die Multiple Sklerose – eine Autoimmunerkrankung - und die Hirnhautentzündung, die sich zunächst häufig durch Nackensteifigkeit äußert und unbehandelt oft zum Tode führt. Der Normaldruckhydrocephalus kommt hauptsächlich im höheren Lebensalter vor und äußert sich durch die Symptomtrias Demenz, Inkontinenz und Gangstörung, während sich der Pseudotumor cerebri durch hohen Liquordruck und Sehstörungen bemerkbar macht und vor allem bei jungen adipösen Frauen auftritt. Vermutet der Neurologe eines dieser Krankheitsbilder, muss eine Lumbalpunktion zur Diagnostik durchgeführt werden.

Ohne Einwilligung läuft gar nichts!

Hat sich der Arzt entschieden, eine LP durchzuführen, muss sein Patient erst einmal über die vorgeschlagene Untersuchung aufgeklärt werden. Ist der Patient nicht einverstanden, würde es sich bei einer LP wider Willen um Körperverletzung durch den Arzt handeln. Eine Ausnahme von dieser Regel sind natürlich akute Notfallsituationen, bei denen die LP sofort erfolgen muss oder der Patient nicht mehr in der Lage ist, sein Einverständnis zu geben.

Im Normalfall bleibt aber ausreichend Zeit für ein Aufklärungsgespräch, in dem der Arzt dem Patienten den Ablauf der LP und die Risiken der des Eingriffs erklärt. Bei jeder Intervention – auch bei Blutabnahmen oder dem Legen eines intravenösen Zuganges – kann es zu Blutungen, Entzündungen, Schmerzen und Gewebeschäden kommen. Speziell bei einer LP besteht die Gefahr einer Einklemmung des Hirnstamms, einer Kompression des Rückenmarks durch eine Einblutung und im schlimmsten Fall einer bleibenden Lähmung.

Außerdem kann der Patient eine Hirnhautentzündung entwickeln und nach der Punktion an postpunktionellen Kopfschmerzen leiden, die zu den häufigsten Komplikationen gehören. Nach der Aufklärung kann der Patient Fragen stellen und bekommt einen Tag Bedenkzeit. Hat der Patient eingewilligt, müssen eventuelle Kontraindikationen direkt vor der LP vom Arzt überprüft werden.

Punktiert werden darf nicht, wenn der Patient an einer Gerinnungsstörung leidet oder Blut verdünnende Medikamente einnimmt. Auch erhöhter Hirndruck ist eine Kontraindikation. Um beide Punkte ausschließen zu können, wird bei jedem Patienten vor einer LP ein Labor mit kleinem Blutbild und Gerinnung angefertigt und eine Bildgebung vom Kopf durchgeführt. Dies darf ohne explizite Einwilligung des Patienten geschehen.

Gute Planung ist die halbe Miete

Steht die LP bevor, sollte der Patient noch einmal zur Toilette gehen, da er nach der LP für mindestens zwei Stunden flach liegen muss. Dann sucht sich der punktierende Arzt alle benötigten Materialien zusammen und holt eine Pflegekraft zur Hilfe. Der Patient sitzt auf der Bettkante und macht einen Katzenbuckel. Von der Pflegekraft wird er an den Schultern gehalten, damit er bei Kreislauf-Problemen nicht vom erhöhten Bett nach vorne kippen kann.

Der Arzt tastet am runden Rücken zunächst die Darmbeinkämme als Landmarken und identifiziert den Fortsatz des LWK 4, der sich genau auf der Verbindungslinie befindet. Unter dieser Linie kann eine LP in der Regel problemlos durchgeführt werden, da das Rückenmark in etwa auf Höhe des LWK 2 endet. Wenn der Arzt eine passende Stelle zwischen zwei Dornfortsätzen gefunden hat, markiert er sie mit einem Kuli oder mit dem Fingernagel. Anschließend wird die Stelle mehrfach großflächig desinfiziert und mit sterilen Tupfern gereinigt. Der Arzt zieht sich sterile Handschuhe über und führt eine atraumatische spezielle Punktionsnadel in einem 10-15° Winkel nach kranial zwischen zwei Fortsetzen in Richtung Spinalkanal ein.

Wenn die Nadel das Gelbe Band passiert, spürt der Untersucher meist ein leichtes Ploppen und gelang dann in den Liquorraum. Der Mandrin wird zurückgezogen, der Liquor tropft langsam heraus und kann mit Hilfe von kleinen Röhrchen mit Schraubverschluss aufgefangen werden. Sind alle Röhrchen ausreichend befüllt – meist 20 Tropfen pro Gefäß – wird der Mandrin zurückgeschoben und die Nadel kann anschließend wieder entfernt werden. Die Einstichstelle wird mit einem Pflaster versorgt.
Bevor der Patient die zweistündige Liegepause einlegt, wird ihm noch Blut für eine vollständige Analyse des Liquors im Labor abgenommen. Leidet der Patient nach der Punktion an Kopfschmerzen, helfen große Trinkmengen, ein starker Kaffee und Schmerztabletten.

Fazit: Alles halb so schlimm!

Auch wenn man vor und während der LP viele Dinge beachten muss, ist sie mit Hilfe von guten Lehrern, geduldigen Patienten und gewissenhafter Vorbereitung relativ schnell zu erlernen und sorgt beim tropfenden Liquor für echte Erfolgserlebnisse. Daneben liefern die Befunde einer LP oft das fehlende Puzzleteil, um der richtigen Diagnose auf die Spur zu kommen. Und wie bei der beliebten Blutabnahme gilt auch hier: Übung macht den Meister!

Weiterführende Links

Lehrvideo des NEJM über die Durchführung einer Lumbalpunktion
Leitlinien der DGN zur diagnostischen Lumbalpunktion
Thieme Buchtipp Lehrbuch „Neurologie“

 

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