- Fachartikel
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- Sarah Schroth
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- 08.01.2014
Der Herzinfarkt – Kampf um den Muskel
Der Herzinfarkt, auch Myokardinfarkt genannt, ist einer der häufigsten Todesursachen weltweit. In Deutschland erleiden pro Jahr 50.000 bis 60.000 Menschen das meist akut auftretende und lebensbedrohliche Ereignis. Da die Symptomatik unspezifisch und ein schnelles Handeln lebensrettend sein kann, ist es wichtig, über die Symptome und notwendigen therapeutischen Maßnahmen informiert zu sein.
Grafik: Thieme/M.Zimmermann
Ursachen
Bei einem Herzinfarkt kommt es durch einen Unterbruch der Blutzufuhr zum Herzmuskel zu einer Ischämie (Blutarmut) in dem betroffenen Gebiet. Im Blut werden Substanzen zum Muskel transportiert, die essentiell für das effiziente Arbeiten und das Überleben des Muskels sind. Ist dieser Transport durch einen Infarkt unterbrochen, führt dies zum „Arbeitsausfall“ und im schlimmsten Fall zum Tod des Muskels. Die Ursachen für einen solchen Unterbruch der Blutzufuhr können unterschiedlich sein. Die Gefäße, die Blut direkt zum Herzen transportieren und dem Herzen aufliegen, heißen „Herzkranzgefässe“. Sie haben einen Durchmesser von circa 2.5-4cm und können entweder akut durch einen Gefäßspasmus oder einem Blutkoagel (Thrombus), oder chronisch durch die Ablagerung von Plaques in den Gefäßinnenwänden verstopft werden.
Häufigste Ursache für einen Herzinfarkt sind die bereits erwähnten Thromben. Sie gelangen von peripheren Gefäßen (also solche, die weiter weg vom Herzen liegen) zum Herzen und verstopfen dort die engeren Herzkranzgefäße.
Ein Herzinfarkt kann sich aber auch aufgrund von bereits vorgeschädigten Gefäßen über längere Zeit entwickeln. Sogenannte „Plaques“, bestehend hauptsächlich aus Cholesterin, Fettsäuren und Kalk, setzen sich über Jahre an der Innenwand der Gefäße fest. Da diese Plaques mit der Zeit immer größer werden, führen sie nach und nach zu einer Einengung des Gefäßes. Solange, bis die Blutzufuhr knapp wird und nicht mehr genug Blut den Herzmuskel erreicht.
Seltenere Ursachen sind Spasmen der gefäßeigenen Muskulatur. Dies kann zum Beispiel im Rahmen von Drogenkonsum auftreten. Der berühmteste und wohl am weitesten verbreitete Verursacher solcher Spasmen ist das Kokain, welches vor allem bei jungen und gesunden Menschen zu Herzinfarkten führen kann.
Symptome
Ein Herzinfarkt kann typische und auch untypische Symptome verursachen. Klassischerweise kommt es zu Druckgefühl und Schmerzen über der Brust, die sich in den rechten Arm und den rechten Kiefer ausdehnen können. Zusammen mit diesem Schmerz wird auch das vegetative Nervensystem aktiviert, welches zu Angstgefühl, Schweiß und Atemnot führt.
Neben diesen klassischen Symptomen kann ein Herzinfarkt sich auch in einer Bandbreite von anderen Symptomen äußern. Ist zum Beispiel eher die Hinterwand des Herzens betroffen, klagen viele Patienten über Rückenschmerzen. Auch hinter anfangs banal aussehenden Bauchschmerzen kann, vor allem bei Frauen und jüngeren Patienten, auch ein Herzinfarkt stecken. Müdigkeit und Erschöpfung sind ebenfalls unspezifische Symptome, die sich aber durchaus als Herzinfarkt entpuppen können. Deshalb ist es wichtig, die Differenzialdiagnose eines Herzinfarktes im Hinterkopf zu behalten und im Zweifel die entsprechende Diagnostik einzuleiten.
Diagnostik
Es gibt verschiedene Methoden einen Herzinfarkt zu diagnostizieren. An vorderster Front steht natürlich die Klinik des Patienten mit den obengenannten Symptomen. An zweiter Stelle stehen verschiedene Zusatzuntersuchungen, welche die Verdachtsdiagnose „Herzinfarkt“ verifizieren. Das wohl bekannteste ist das Elektrokardiogramm (EKG).
Im EKG wird die elektrische Aktivität des Herzens mittels Oberflächenelektroden aufgezeichnet. Im Normalfall kommt es bei jedem Herzschlag zu einem typischen elektrischen Signal, dem sogenannten QRS-Komplex. Im Falle eines Herzinfarkts kann dieses Signal jedoch verändert sein. Diese Veränderungen kommen dadurch zustande, dass die elektrischen Impulse, die das Herz zum Schlagen bringen, bei einem Herzinfarkt gestört oder verändert sind. Ein typischer Befund bei einem frischen Infarkt ist die sogenannte ST-Hebung, welche die gestörte Erregungsrückbildung der Kammern anzeigt. Wichtig zu wissen ist, dass die Veränderungen im EKG sich je nach Infarktalter und Lokalisation unterscheiden können. Teilweise sind nur sehr diskrete oder untypische Veränderungen vorhanden, die vom nicht geschulten Auge leicht übersehen werden können. Daher sollte die Auswertung im Zweifel immer von einem Experten kontrolliert werden.
Eine weitere, häufig angewandte Zusatzdiagnostik ist die Messung bestimmter Parameter im Blut. Bestimmte Enzyme (u. a. Troponin T und I, GOT, CK-MB, Myoglobin), die durch die Schädigung des Herzmuskels in den Blutkreislauf gelangen, sind bei einem Herzinfarkt weit über das normale Maß erhöht. Die Spezifität und Sensitivität der Enzyme ist jeweils unterschiedlich. Ähnlich wie beim EKG gilt auch hier zu beachten, dass die verschiedenen Enzyme zu einem unterschiedlichen Zeitpunkt nach dem Infarkt erhöht sind. Myoglobin steigt in den ersten Stunden nach dem Ereignis an und sinkt nach 24 Stunden wieder auf normale Werte, wohingegen Troponin erst nach mehreren Stunden, teilweise auch erst nach einem Tag , maximale Werte erreicht.
Im klinischen Alltag gilt es, die verschiedenen diagnostischen Tools zu einem Puzzle zusammenzuführen, um am Schluß die richtige Diagnose stellen zu können. Wenn sämtliche Untersuchungen die Diagnose eines Herzinfarkts unterstützen, kann die notwendige Therapie eingeleitet werden.
Therapie
Es gibt verschiedene Aspekte der Therapie eines Herzinfarkts. Stress, Schmerzen und Angst treiben den Blutdruck in die Höhe und belasten das Herz weiter, weshalb die primäre symptomatische Therapie ein essentieller Bestandteil der Behandlung ist. Diese besteht hauptsächlich aus Schmerz- und Beruhigungsmedikamenten. Auch eine ausreichende Sauerstoffzufuhr und so wenig körperliche Belastung wie möglich sind wichtig.
Bei einem frischen Herzinfarkt, mit entsprechender ST-Hebung, ist, neben der symptomatischen Therapie, das wichtigste Ziel die Blutzufuhr zum Herzen schnellstmöglich wieder herzustellen. Dazu gibt es medikamentöse, als auch invasive Verfahren. Die medikamentöse Therapie besteht in der sogenannten Thrombolyse. Hier werden Enzyme appliziert, die das Thrombusmaterial auflösen. Eine alleinige medikamentöse Therapie genügt aber in den meisten Fällen nicht, das Gefäß vollständig und langfristig wiederzueröffnen und dient oft als notfallmäßige Überbrückung vor der, meist nicht vermeidbaren, mechanischen Rekanalisation. Bei der minimalinvasiven Behandlung mittels Perkutaner transluminaler Koronarangioplastie (PTCA) wird ein Katheter endovaskulär (durch die Gefäße), von der Leiste aus bis zum Herzen geführt. Vorort wird der Thrombus dann entfernt. Mittels Ballondilatation oder Einsetzen eines Stents, wird das Gefäß dann vor einem erneuten Verschluss gesichert.
Risikofaktoren und Prophylaxe
Die Prävention von Herzinfarkten und Reinfarkten ist seit vielen Jahren ein zentrales Thema der medizinischen Forschung. Einerseits gibt es Gesundheitsmaßnahmen, die das Risiko einen Infarkt zu erleiden langfristig senken. Dazu gehört ein normaler BMI, Nikotinkarenz und eine ausgewogene, fettarme (idealerweise mediterrane) Diät. Regelmäßiger Sport verbrennt nicht nur überschüssige Kilos, sondern trainiert die Ausdauer und stärkt damit den Herzmuskel in seiner Leistung.
Neben diesen Massnahmen werden in vielen Fällen auch Medikamente eingesetzt, um bereits vorhandene Risikofaktoren zu senken. Erhöhte Blutfettwerte, insbesondere die „schlechten Fette“ wie Cholesterin, die den Gefäßwänden anhaften und diese verstopfen, können mit sogenannten Statinen gesenkt werden. Auch ein erhöhter Blutdruck ist ein Hauptrisikofaktor für Infarkte, weshalb eine gute medikamentöse Blutdruckeinstellung essentiell ist.
Ist es bereits zu einem Herzinfarkt gekommen, oder treten verdächtige Symptome auf, ist die Behandlung mit Blutverdünner indiziert. Hier kommt im klinischen Alltag primär Aspirin zum Einsatz. Bei höherem Risiko für einen Reinfarkt können auch stärkere Blutverdünner, wie Marcoumar oder (kurzfristig) Heparin eingesetzt werden. Da diese aber das Blutungsrisiko entsprechend stark erhöhen, sollten sie allerdings nicht unbedacht, sondern nur bei entsprechender Indikation eingesetzt werden.