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- Dr. med. Horst Gross
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- 11.12.2014
Schädel-Hirn-Trauma
Kopfverletzungen sind eine heikle Angelegenheit. Zwar schützt unsere harte Schädeldecke das Gehirn recht effektiv. Reißt ein Gefäß oder schwillt die Hirnmasse, kann es in der Kalotte aber rasch bedrohlich eng werden.
Natürlich hatte sich Jan über das Geschenk seiner Eltern zum 19. Geburtstag gefreut. Obwohl der neue Fahrradhelm schon ein Wink mit dem Zaunpfahl war. Sie bestanden darauf, dass er was für seine Sicherheit tut. Bei seinem chaotischen Fahrstil auf dem Rennrad schien das bitter nötig. Gut, dachte er, wenn seine Eltern unbedingt wollten, dann setzte er das Ding eben auf. Wenigstens konnte er es jetzt richtig krachen lassen! Mit so einem tollen Schutz konnte ja nichts Schlimmes mehr passieren. Doch damit täuschte er sich – wie er schon wenige Tage später feststellen musste ...
Es war an einem Spätsommertag. Jan war wie immer flott unterwegs. Da wurde ihm das feuchte Straßenlaub zum Verhängnis: Als er einem Auto ausweichen musste, rutschte er weg. Mit voller Wucht knallte er mit dem Kopf gegen die Autotür. Dem zu ihm eilenden Autofahrer stand die Angst ins Gesicht geschrieben. Doch Jan gab sich unbeeindruckt. Rasch stand er wieder auf und zeigte triumphierend auf seinen Helm. „Nix passiert“, beruhigte er seinen Helfer. Klar, ihm war noch ein bisschen komisch im Kopf, aber das ist nach so einem Unfall wohl normal, dachte er sich. Doch als Jan wieder aufs Rad steigen wollte, wurde der Autofahrer resolut. Er bestand darauf, dass sich Jan ins Krankenhaus bringen lässt. Mürrisch stimmte Jan zu. Und so ging es wenig später mit Blaulicht in die nächste Klinik. Ein Sani hatte ihm so eine komisch steife Halskrause angelegt. Die müsse unbedingt bleiben, bis er in der Klinik vom Arzt untersucht worden war, erklärte ihm der Malteser. Dieser „Stiff Neck“ sei dazu da, die Halswirbelsäule zu stabilisieren, falls beim Aufprall etwas am Knochen kaputtgegangen sein sollte.
Röntgen-Check: unbedingt!
Dem diensthabenden Chirurgieassistenten Dr. Bernd fiel bei der orientierenden körperlichen Untersuchung nichts Schlimmes auf. Trotzdem schickte er Jan zum Röntgen. „Eine Aufnahme des Kopfes und der HWS brauchen wir in so einem Fall unbedingt!“, erklärte er. Erst als er die Bilder genau angesehen hatte, gab er fürs Erste Entwarnung. Gebrochen war nichts. Der Stiff Neck konnte weg. Es folgte eine neurologische Untersuchung, die Jan geduldig über sich ergehen ließ. Zweimal stutzte der Arzt dabei und sprach etwas von grenzwertig positivem Babinski und diskreter Pupillendifferenz.
Dann stellte er Jan noch ein paar Fragen, wie etwa nach dem Datum, der Jahreszeit und an was er sich vom Sturz noch erinnern konnte. Jan kam die Sache zunehmend albern vor. Er fühlte sich doch in Ordnung, und der Kopf war ja heile. „Na, dann kann ich ja jetzt gehen“, meinte er schon ziemlich unwirsch. Aber Dr. Bernd fand das keine gute Idee. Es gäbe da schon ein paar Auffälligkeiten. Zudem konnte sich Jan an das Sturzereignis nicht mehr so richtig erinnern. Das sei mindestens ein Schädel-Hirn-Trauma Grad I, vielleicht sogar Grad II. Deshalb sollte er besser im Krankenhaus bleiben und sich beobachten lassen.
talk and die: Erst normal, dann fatal
Zur Sicherheit konsultierte Dr. Bernd noch seinen Oberarzt. Der war von der pragmatischen Sorte und konstatierte sofort: „Den dürfen Sie auf keinen Fall gehen lassen! Auch wenn die Befunde diskret sind, da kann immer was dahinterstecken.“ Ein CT sei aber noch nicht zwingend. „Sonst müsste man ja jeden, der auf den Kopf fällt, in die Röhre stecken!“, meinte der Oberarzt.