• Praxisanleitung
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  • Dr. med. Yvonne Kollrack
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  • 15.03.2011

Verletzungsmuster beim Snowboarden

Auf den Pisten tummeln sich mit einem Anteil von 40% fast genauso viele Snowboarder wie Skifahrer. Gerade bei jungen Menschen ist Snowboarden extrem beliebt - doch leider ist der Sport nicht ungefährlich. Dr. med. Yvonne Kollrack erläutert die typischen Verletzungsrisiken und -muster bei Snowboardern.

Snowboarden ist beliebt

In der Sportart, die 1965 mit Sherman Poppen und einem modifizierten Wasserski ihren Ursprung hat, gab es im Winter 2003/2004 2,12 Millionen Aktive in Deutschland. Vor allem in der Altersgruppe der 15- bis 24-Jährigen findet sich ein stetiger Zuwachs.

 

Foto: C. Brecheis by courtesy of Quirin Rohleder/Friday Management Group

Solche Sprünge sollten nur von Profis wie Ethan Morgan gewagt werden- dem Ungeübten drohen sonst schwere Verletzungen
Bild: C. Brecheis by courtesy of Quirin Rohleder/Friday Management Group

 

Das liegt sicher auch an Veranstaltungen wie dem Nike Air & Style in München vom 12. Februar 2011, wo es nicht nur gewaltige Tricksprünge von einer 40 Meter hohen Schanze zu bestaunen gab, sondern drumherum auch die entsprechende Partystimmung herrschte. Zudem erreichte der einzige deutsche Teilnehmer Ethan Morgan einen phantastischen 6. Platz!

Allerdings sind diese „Big Air“-Wettbewerbe nur die exotischste von mehreren Snowboardvariationen. Am alpinen Skisport orientiert sind Parallelslalom und GS Riesenslalomwettbewerbe; daneben gibt es Freestyle-Wettbewerbe in Half,- Quarter- oder Super-Pipes, vom Skateboarden wurde das „sliden“ über „rails“ übernommen, und auch die ursprünglichste Snowboarddisziplin, das Freeriden im Tiefschnee und auf unpräparierten Hängen, ist spektakulär.

Allen Facetten ist jedoch ein gewisses Verletzungsrisiko nicht abzusprechen.

 

Verletzungsrisiken

Snowboarden beansprucht vor allem die Nacken- und Schultergürtelmuskulatur sowie die großen Rückenmuskeln.

Während beim Skifahren das Gleichgewicht entspannt auf beide Beine gleichmäßig verteilt wird, erfordert der Wechsel von Frontside zu Backside-Kante beim Boarden eine ständige Kraftumverteilung von Streck- und Beugemuskulatur der unteren Extremität und stellt somit höhere Ansprüche an Kondition, Koordination und Gleichgewicht. Ältere Einsteiger tun sich daher oft schwer und sind sturzanfälliger.

Laut einer Unfallstatistik der Schweizer Unfallversicherung (SUVA, 2009) ist Snowboarden hinter Fußball und Eishockey die drittgefährlichste Sportart. 70% der mit dem Snowboard Verunfallten sind 15 bis 29 Jahre alt. Da sehr viele Kinder und Jugendliche unter den Snowboard-Fans zu finden sind, ist das Risiko einer Epiphysenverletzung natürlich besonders hoch und muss bei Diagnostik und Therapie streng beachtet werden.

Die Risikogruppe schlechthin sind nach Daten der epidemiologischen Sportunfallforschung jugendliche männliche Boarder im Alter von etwa 16 Jahren.

Zwar verletzen sich doppelt so viele Snowboarder wie Skifahrer auf den Pisten, jedoch sind die Verletzungen und Verläufe der Skifahrer schwerer, auch bedingt durch das höhere Durchschnittsalter der Aktiven.

90% aller akuten Snowboardunfälle sind selbstverschuldet, erstaunlicherweise liegen Kollisionen mit anderen Fahrern - Ski- oder Snowboard - trotz aller nicht immer freundlichen Diskussionen zwischen beiden Gruppen nur bei je etwa 2,5 Prozent.

Neben akuten Traumata leiden viele regelmässige Snowboarder an Überlastungsschäden an Kniegelenk (34%), Schultergelenk (14,5%) und oberem Sprunggelenk (9,4%).

 

Verletzungsmuster

Während beim Skifahren auf jedem Könnenslevel das freie Kniegelenk durch Rotationsbewegungen im Fokus von Verletzungen steht, sieht das beim Snowboarder durch die auf dem Board fixierten Füße anderes aus.

Verglichen mit Skifahrern haben Snowboarder ein 2,4-mal höheres Gesamtfrakturrisiko - vor allem an der oberen Extremität (35% vs. 21%), weniger Knieverletzungen (24% vs. 44%), aber mehr Sprunggelenksverletzungen (23% vs. 6%). Häufiger betroffen ist übrigens der auf dem Board vorne stehende Fuß.

Die Art und die Schwere der Verletzungen sind deutlich abhängig vom fahrerischen Können. Je erfahrener ein Snowboarder, desto seltener, aber auch schwerer sind die Verletzungen, da erfahrene Snowboarder häufig höhere Risiken eingehen, zum Beispiel bei Sprüngen und Gelände.

Stürze nach vorn sind mit 40,5% führend, dabei stürzen Anfänger doppelt so häufig nach vorne wie Könner.

Die Hälfte aller Verletzten beim Snowboarden sind Anfänger, ein Großteil verletzt sich sogar bei den allerersten Versuchen zu fahren. Ursache sind unkontrollierte Stürze, die mit der oberen Extremität, speziell wiederum dem ausgestreckten Handgelenk, aufgefangen werden. So kommt es in 36% -50% aller Verletzungen zu handgelenksnahen Frakturen. Durch den Gebrauch von speziellen Protektoren, sogenannten "wristguards", kann die Verletzungsinzidenz hier signifikant auf bis zu 25% herabgesetzt werden. Auch sollte schon in den ersten Trainingsstunden das richtige Fallen trainiert werden.

Nach dem am häufigsten betroffenen Handgelenk, stehen Ellbogen und Schulter (12%) im Fokus von Traumata. Bei sehr guten Fahrern und Profis führen neben den schultergelenksnahen Verletzungen die Sprunggelenksverletzungen (bis 16%). Ursächlich sind Sprünge und unzureichender Halt von soft boots im Knöchelbereich bei der Landung.

 

Snowboarder´s ankle

Eine typische, wenn auch seltene Verletzung beim Snowboarden ist daher, trotz Verbesserungen in der Schuhtechnik zu verstärkten Hybridboots, der „Snowboarder´s ankle“. Hierbei handelt es sich um eine Fraktur des Processus lateralis tali, die durch axiale Stauchung in forcierter Dorsalextension und Pronation des Fusses auftritt.

Auf konventionellen Röntgenbildern kann diese Fraktur leicht übersehen werden. Daher sollte bei entsprechender Anamnese und einer schmerzhaften Schwellung mit Bewegungseinschränkung im lateralen USG-Bereich die Indikation zum CT bzw. MRT großzügig gestellt werden.

[Abbildung 21.4 b, Checkliste Orthopädie, AB Imhoff et al, S.451, 4.Aufl.2006]

 

Bei nicht dislozierter Fraktur kann die Therapie konservativ mittels sechswöchiger entlastender Ruhigstellung in einer Sprunggelenksorthese erfolgen. Dislozierte Frakturen werden meist durch eine Schraubenosteosynthese versorgt.

Schwere Verletzungen und Polytraumata sind glücklicherweise selten. Schwere Wirbelsäulenverletzungen oder gar Todesfälle sind am ehesten hochalpinen Freeridern zuzuschreiben.

Angesichts der waghalsigen Sprünge und des hohen Tempos ist die Verletzungsinzidenz im Profibereich relativ gering. Die geschätzte Verletzungsrate liegt laut FIS bei 1,3 /1000 Läufe (Training/Rennen).

Leider kommt es bei den Profis doch immer wieder vereinzelt zu schweren oder gar tödlichen Unfällen. So starb 2006 der Profi-Snowboarder Jonatan Johanson bei der Qualifikation zu einem Snowboardcrossrennen nach einem Sturz an inneren Verletzungen. 2009 stürzte der amerikanischen Profis Kevin Pearce beim Training eines „double cork back flip“ in der Halfpipe für die Olympischen Spiele 2010 und zog sich eine schwere Gehirnkontusion zu.

Beim Nike Air & Style waren trotzdem nur wenige Fahrer mit Helm zu sehen. Erfreulicherweise hat sich im Breitensport das Tragen eines Helmes sowie auch von Rückenprotektoren gut etabliert.

 

Foto: C. Brecheis by courtesy of Quirin Rohleder/Friday Management Group

Ethan Morgan beim Nike Air & Style in München bei einem "rail"
Bild: by courtesy of Quirin Rohleder/FMG

Gut trainiert und geschützt, sowie mit der entsprechenden Umsicht, steht dem Spaß auf dem Snowboard also nichts im Weg – von der half-pipe bis zum freeride!

Literatur

Skiing and snowboarding injuries: a review with a focus on mechanism of injury. Deady LH, Salonen D. Radiol Clin North Am (United States), Nov 2010, 48(6) p1113-24

Snowboarding accidents. Muller R, Brugger O, Mathys R, et al. Sportverletz Sportschaden (Germany), Dec 2000, 14(4) p121-7

 

Risk of injury through snowboarding. Machold W, Kwasny O, Gassler P, et al.. J Trauma (United States), Jun 2000, 48(6) p1109-14

 

Skill level-specific differences in snowboarding-related injuries. Ogawa H; Sumi H; Sumi Y; Shimizu K Am J Sports Med 2010 Mar;38(3):532-7

 

Snowboarding - dangerous fun sport. Imhoff AB. MMW Fortschr Med. 2007;149(8): 14

 

The increasing incidence of snowboard-related trauma. Hayes JR, Groner JI. J Pediatr Surg (United States), May 2008, 43(5) p928-30

 

 

 

 

 

Links

Welche Erkrankungsgefahren und Verletzungsrisiken birgt das Surfen?

Keep surfing: Verletzungsmuster beim Wellenreiten

Über die Autorin:

Foto: C. Brecheis by courtesy of Quirin Rohleder/Friday Management Group

Dr.med. Yvonne Kollrack ist Unfallchirurgin und Medizinjournalistin für Via medici und Via medici online.

Sie erreichen Dr. Yvonne Kollrack über folgende E-Mail-Adresse:

via.online@thieme.de
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