- Praxisanleitung
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- Priv.-Doz. Dr. med. Klaus Deichmann
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- 13.11.2003
Die pädiatrische Aufnahmeuntersuchung
Um eines vorweg zu nehmen: Kinderheilkunde ist der netteste Bereich der Medizin! Aber ein paar Tricks sollte man beherrschen.
Kinderheilkunde, das stellt sich mancher als den nettesten Bereich der Medizin vor. Fröhliche Kinder, die den harten Berufsalltag vergessen lassen. Das Bild hält, bis das erste "fröhliche Kind" laut schreiend den Einblick in die Ohren verwehrt. Oder der Ort des Schmerzes auch vom 5. Kind in Folge eindeutig lokalisiert wird: in Nabelmitte? Gab es da nicht so was wie Nabelkoliken?
Die Begrüßung
Dem Kinderarzt ist es mitunter erlaubt, die Regeln der Höflichkeit zu überschreiten: er darf das Kind vor den Eltern begrüßen. Manchmal ist das alleine schon der Schlüssel zum späteren "Kooperationserfolg". Der größte Faux-pas: nur die Eltern begrüßen und direkt beginnen, "über" das Kind zu reden.
Die Anamnese
Keine Frage, beim Säugling und Kleinkind werden wir die Anamnese zunächst einmal durch die Eltern erfahren. Aber spätestens ab Kindergartenalter gilt die erste Frage dem Kind "Bist du krank?". Was dann kommt ist manchmal ehrlicher, als alle Folgegespräche mit den Eltern. Und es stärkt ein Gefühl beim Kind: das ist mein Doktor.
Die Anamnese ist in der Kinderheilkunde noch essentieller als in anderen medizinischen Fachrichtungen. Mit einer guten Anamnese lassen sich sehr oft bereits Krankheiten abgrenzen.
Dazu ein Beispiel. Die Mutter gibt an, das Kind huste bereits seit einer Woche, man wisse sich kaum mehr zu helfen. Eine weiterführende Frage sollte sein: wann hustet denn das Kind. Ist das nur in der Nacht? Und wenn, dann in der ersten Nachthälfte? Führt es zum Erbrechen? Dann denken wir an Keuchhusten oder eine Moraxellen-Infektion. Oder lediglich in der 2. Nachthälfte und den Morgenstunden? Dann könnte auch eine Milbenallergie eine Rolle spielen. Pfeift das Kind denn bei der Atmung? Sein sie sich nicht zu fein, ein In- und Exspirium der Mutter vorzumachen (vorher am besten zu Hause üben). Ich garantiere, die Mutter wird sagen "Ja, genauso macht es, wie Sie eben". Oder hustet es nach der Hochzeitsfeier am Vortag, auf der Onkel Hans ihm die Hand voll Erdnüssen überließ?
Gleiches gilt bei Bauchweh. Ich werde nie vergessen, wie ein 8-jähriger mit schmerzverzerrtem Gesicht auf der Liege lag, die Mutter von der Appendizitis überzeugt. Nachmittags wäre es ihm noch gut gegangen, er hätte sogar auf den Kindergeburtstag gehen können. Auf meine Frage, wie viel Kuchen er denn gegessen habe, kam plötzlich ein Strahlen auf das Kindergesicht: "Ich habe gewonnen, ich habe 12 Negerküsse geschafft". Na also. Medizin ist manchmal banal, sehr oft sogar.
Es kann aber auch anders gehen. Das Einnässen und Kotschmieren, über das man therapeutisch verzweifelt. Und erst im 3. Gespräch zeigen sich dann die massiven Sozialprobleme, die Scheidung der Eltern kommt zur Sprache, das Verprügeln durch den Vater. Übrigens, wussten Sie, dass ein Großteil der Misshandlungsfolgen bei der Aufnahme in eine Klinik übersehen wird?
Fazit: nehmen Sie sich für die Anamnese Zeit, erheben Sie eine Sozialanamnese, beziehen sie unbedingt das Kind mit ein.
Der Beginn der Untersuchung
Ein guter Beginn ist entscheidend für den weiteren Verlauf der Untersuchung. Zuerst müssen Sie Kontakt mit dem Kind herstellen.
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