- Kasuistik
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- Dr. Dominik Sturm
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- 24.11.2014
Das Böse im Kopf – Therapie eines hochgradigen Glioms im Kindes- und Jugendalter
Bösartige Hirntumoren gehören zu den zweithäufigsten Krebserkrankungen bei Kindern und Jugendlichen. Und sie zählen zu den häufigsten krebsbedingten Todesursachen in dieser Altersgruppe. Besonders aggressiv verlaufen hochgradige Gliome. Sie führen ohne Behandlung innerhalb weniger Monate zum Tod. Dabei können die ersten Symptome einer solchen Erkrankung sehr vieldeutig sein.

Symbolbild, rimmdream, Fotolia.de
Es sind Schulferien. Draußen ist herrliches Wetter und im Schwimmbad ist der Teufel los. Doch der 9-jährige Fabian bleibt nun schon den dritten Tag hintereinander lieber zu Hause. „Ich hab‘ solche Kopfschmerzen“, sagt er immer wieder. Fabians Eltern wundern sich: Bisher hatte Fabian solche Episoden eher an Schultagen geboten – und nicht mitten in den Ferien! Doch dann fallen ihnen mögliche Gründe ein: Erst vor kurzem hatten sie mit Fabian aufgrund häufiger Kopfschmerzen und Verschwommensehen einen Augenarzt aufgesucht. Die verschriebene Brille trägt Fabian trotz aller Ermahnungen aber nur sehr unregelmäßig. Auch das schwüle Wetter mache ihm sicher zu schaffen, zumal er viel zu wenig trinkt. „Vielleicht hat er das auch von mir geerbt“, mutmaßt die Mutter, die seit ihrer Jugend an Migräneattacken leidet. Da er kein Fieber hat, messen sie den Kopfschmerzen also vorerst keine große Bedeutung bei und versuchen, Fabians Beschwerden mit Tabletten zu lindern.
Nach weiteren zwei Tagen, in denen Fabian sich immer müder und schlapper fühlt, machen sie sich allerdings zusehends Sorgen. Fabians Schwester Lisa, die ihren Bruder am Morgen zum Spielen bewegen wollte, kommt aus dessen Zimmer gerannt. „Mama, komm‘ mal mit zum Fabian, ich glaub‘ dem ist ganz schlecht!“ Kurz nachdem sie ihn geweckt hatte, musste Fabian sich heftig übergeben, obwohl er seit dem Vorabend nichts mehr gegessen hatte. Als die Eltern herbeieilen, erbricht Fabian erneut und lässt sich müde ins Bett fallen. Die Eltern beschließen, sofort einen Kinderarzt aufzusuchen. Da es noch früh am Samstagmorgen ist, fahren sie in die Notfallambulanz der Kinderklinik.
Meningitis als Ursache?
Assistenzarzt Gregor hat dort heute Frühdienst. „Kopfschmerzen, Erbrechen“ steht auf der Notiz, die auf Fabians Akte klebt. Als Gregor das Untersuchungszimmer betritt, erzählen ihm die Eltern aufgeregt von den Ereignissen. Er beginnt mit der körperlichen Untersuchung. Fabian macht zwar auf seine Ansprache hin die Augen auf und folgt ihm mit seinen Blicken, doch auf seine Fragen reagiert er nicht adäquat und schläft auf der Untersuchungsliege immer wieder ein. Die internistische Untersuchung von HNO-Bereich, Lunge, Herz und Abdomen bleibt weitestgehend ohne auffälligen Befund. Zwar kann Gregor den Jungen nur eingeschränkt neurologisch untersuchen, doch die Pupillomotorik scheint Gregor unauffällig zu sein und es besteht nur eine mäßig-gradige Nackensteifigkeit. „Bisher haben die Kopfschmerztabletten ganz gut geholfen“, berichten die Eltern. „Die letzte hat er heute Nacht eingenommen.“ Wegen der Tablette kann Gregor nicht uneingeschränkt beurteilen, ob Fabian Fieber hat. Deshalb muss er auch eine Meningitis als Ursache in Betracht ziehen. Daher ruft er aus der benachbarten Augenklinik einen Kollegen hinzu, der vor einer möglichen Lumbalpunktion eine Funduskopie zum Ausschluss einer Stauungspapille durchführen soll. Dieser berichtet von einem weiteren besorgniserregenden Befund: „Der Junge hat ein beidseitiges Papillenödem“, erklärt er Gregor. „Damit kann ich einen erhöhten Hirndruck nicht ausschließen.“ Gregor verzichtet daher auf die Lumbalpunktion und organisiert als nächstes eine Schädel-MRT.
* Die Kasuistik ist eine Synthese mehrerer authentischer Fallgeschichten aus dem Erfahrungsschatz des Autors. Die Charaktere sind fiktiv.
Kursiv gesetzte Begriffe werden im Anhang detailliert erläutert.