• Bericht
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  • Julian Jürgens
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  • 02.04.2014

Body-Packing – Lebensgefährlicher Kurierdienst

Seit jeher nutzen Menschen ihren Körper als Versteck. Im Altertum haben sie geheime Botschaften transportiert, in der Neuzeit ließen Geheimagenten Mikrofilme, Speicherchips und Co. in diversen Körperöffnungen verschwinden. Wenn jedoch Schmuggler ihren Körper mit illegalen Substanzen wie Drogen geradezu auffüllen, wird das schnell lebensgefährlich.

Es gibt zwei Arten von Körperschmugglern. Personen, die Substanzen wie Drogen zum Schmuggeln in die Scheide oder den Enddarm einführen, werden als „Schieber“ bezeichnet. Dabei lassen sich jedoch nur kleine Mengen transportieren. Deswegen entwickelten die Schmuggler eine andere Schmuggelart: Die Drogen werden wasserdicht und säurefest verpackt und Päckchen für Päckchen geschluckt. Entsprechend spricht der Zoll in diesen Fällen von „Schluckern“.

 

Teure Fracht

Der erste Schlucker in Deutschland wurde im Jahr 1983 am Flughafen Frankfurt aufgegriffen. Er trug 400 g Kokain in seinem Körper. In den Folgejahren entdeckten die Zollfahnder immer mehr Body-Packer. Dabei war Kokain damals noch eher die Ausnahme. In der Anfangszeit des Body-Packings wurden hauptsächlich Haschisch, Heroin und Opium geschmuggelt. Später fanden die Ermittler neben diversen Drogen sogar Diamanten und zusammengerollte Dollarscheine.

Doch war dies offensichtlich auf Dauer nicht lukrativ genug: Heute transportieren die Body-Packer fast ausschließlich verpacktes hochreines Kokain in sich. Das lohnt sich: Im sechs bis acht Meter langen Magen-Darm-Trakt lassen sich ein bis zwei Kilogramm Kokain unterbringen. Ein Kilogramm hat einen Wert von 70.000 Euro. Dieses wird nach Ausscheiden mit Maisstärke oder Traubenzucker auf das Fünffache gestreckt und erzielt so im Straßenverkauf einen Preis von bis zu 200.000 Euro. Die Body-Packer erhalten davon – wenn überhaupt – gerade mal 5.000 Euro. Drahtzieher sind meist große Drogenkartelle, deren perfekte Organisation an internationale Wirtschaftsunternehmen erinnert.

 

Bodypacking CT - Foto: Zollfahndungsamt Frankfurt/Main

Die 3D-CT-Aufnahme zeigt einen Fall von „Body-Packing“. Im gesamten Dickdarm sieht man rundliche Strukturen. Jede dieser Kugeln entspricht einem Drogenpäckchen (Bollos), das in zwei Kondomeeingepackt wurde. Der „Rekord“ liegt bei 220 Bollos mit einem Gesamtgewicht von fast 2,5 kg. Um diese Mengen zu schlucken, werden bis zu 15 Stunden benötigt. Foto: Zollfahndungsamt Frankfurt/Main

 

Ausbildung im Möhrenschlucken

Die Schlucker kommen vorrangig aus armen Ländern Afrikas und Südamerikas. Der überwiegende Teil der Kuriere sind Männer. Zum Teil wird ihnen Geld versprochen. Häufig werden aber auch Familienangehörige entführt oder anderweitig bedroht, sodass die Personen zum Schmuggeln gezwungen werden. Die zukünftigen Schmuggler werden dann in sogenannten „Schluckerschulen“ auf ihren Einsatz vorbereitet: zentrale Übung ist das Schlucken großer Gegenstände. Dieses wird zunächst mit unzerkauten Weintrauben, später mit Pflaumen und schließlich mit Möhrenstücken in Größe der späteren Drogenpäckchen trainiert. Schwarzafrikaner sind dabei als Schüler besonders beliebt, da sie aufgrund ihrer Anatomie bis zu 20 g schwere Päckchen schlucken können – das ist fast doppelt so viel wie Männer anderer Nationen schaffen! Außerdem wird den zukünftigen Schluckern gezeigt, wie sie mit Medikamenten die Darmbewegung verlangsamen und bei Bedarf wieder beschleunigen können. 

Neben diesem körperlichen Training erhalten die von den Auftraggebern als „Maulesel“ bezeichneten Schüler auch ein Verhaltenstraining. Den meist ungebildeten Kurieren aus unteren Bevölkerungsschichten wird weltmännisches Auftreten beigebracht und wie sie sich im Falle einer Kontrolle am Zielflughafen zu verhalten haben. Sie bekommen gepflegt wirkende Kleidung und gefälschte Pässe, um nicht primär ins Visier der Zollfahnder zu geraten. Häufig wird jedoch auch hier gespart: Manche Kuriere bekommen ein Jacket, jedoch keine dazu passende Hose oder Schuhe. Außerdem werden die Tickets meist nicht über Reisebüros gebucht, wie dies bei Geschäftsreisenden häufig der Fall ist. Sind die Formalitäten geregelt, beginnen die Kuriere, die Päckchen zu schlucken. Dies kann zwischen 7 und 15 Stunden dauern, je nachdem wie schnell die individuelle Magen-Darm-Passage verläuft.

 

Röntgendbild Bodypacker - Foto: Zollfahndungsamt Frankfurt/Main

Röntgendbild eines Body-Packers. Die Drogenpäckchen zeichnen sich deutlich ab. - Foto: Zollfahndungsamt Frankfurt/Main

 

Urlaub in der Schluckerschule

Als die Zollermittler zunehmend mehr der „klassischen“ Body-Packer aus ärmeren Ländern entlarvten, entwickelten die Kartelle eine neue Methode: Sie warben Jugendliche in Diskotheken in Deutschland an. Mit dem Versprechen eines dreiwöchigen Karibikurlaubs und einer Verdienstmöglichkeit von 5.000 Euro wurden die Heranwachsenden in eine der Schluckerschulen gelockt und dort ebenfalls zu Schmugglern ausgebildet. Nachdem die Ermittler des Zolls 2006 einen großen Schmugglerring gesprengt hatten, der sich so seine Opfer suchte, scheint diese Methode wieder nachgelassen zu haben.

 

Perfide Organisation  

Ein weiteres Zeichen für die professionelle Organisation der Kartelle sind die Drogenpäckchen selbst: Die heutzutage gefundenen Päckchen sind uniform und erscheinen maschinell gefertigt. In ihnen ist das hochkonzentrierte Rauschmittel stark komprimiert, um eine möglichst hohe Dichte zu erreichen. Die Droge wird in eine Latexhülle gepresst und zum Schluss mit Wachs oder einer industriell hergestellten Dichtungsmasse versiegelt.

 

Drogenpäckchen - Foto: Zollfahndungsamt Frankfurt/Main

Drogenpäckchen - Foto: Zollfahndungsamt Frankfurt/Main

 

Die Flugrouten werden von den Kartellen regelmäßig geändert und an die aktuellen politischen Bedingungen angepasst. So sind die Aufgriffe von Schmugglern in den USA seit 2001 deutlich zurückgegangen, da die allgemeinen Kontrollen nach dem 11. September drastisch verschärft wurden. Auch in Deutschland schwanken die Aufgriffszahlen: Am Flughafen Frankfurt werden jährlich zwischen 20 und 100 Body-Packer entlarvt.

 

Zollfahnder zwischen Mitleid und Ekel

Hans-Jürgen Schmidt, Zollfahnder vom Zollfahndungsamt Frankfurt, erzählt, dass der Umgang der Ermittler mit den Body-Packern nicht einfach ist: „Die meisten Bodypacker sind eingeschüchtert und haben Angst, dass ihren Familien etwas passieren könnte. Manche wollen sogar, dass ihre Inhaftierung schnell in ihrem Heimatland bekannt wird, damit die Hintermänner nicht denken, sie hätten sich mit der teuren Ware aus dem Staub gemacht.“

Sobald die Ermittler einen Verdacht haben, untersuchen sie die anvisierte Person. Die Verdächtigen müssen einen Hauttest auf Drogenspuren („Drug-wipe-Test“) und einen Urintest machen. „Die Tests sind sehr empfindlich und zeigen uns auch, wenn jemand nur geringen Kontakt mit Drogen hatte.“, erzählt Herr Schmidt. Dann werden die Ergebnisse einem Richter vorgelegt. Nur dieser darf in Deutschland entscheiden, dass gegen den Willen eines Verdächtigen eine körperliche Untersuchung durchgeführt wird. Auch die zum Nachweis der Drogenpäckchen notwendige Röntgenuntersuchung muss von einem Richter angeordnet werden, denn juristisch entspricht das Röntgen gegen den Willen einer Körperverletzung.

Haben die Radiologen „Fremdkörper“ im Magen-Darm-Trakt nachgewiesen, muss der Kurier diese unter Aufsicht loswerden. Früher wurde dazu ein Brechmittel wie zum Beispiel Kupfersulfat verabreicht. Da es beim Erbrechen jedoch zu lebensgefährlichen Aspirationen kommen kann, wurde dies schnell verworfen. Seitdem müssen die Schmuggler unter Aufsicht ausscheiden. Zunächst verwendete der Zoll dafür einen Holzstuhl mit eingelassener Schüssel, ähnlich den heute im Krankenhaus verwendeten Toilettenstühlen. Die Beamten mussten dann aus den Exkrementen die Drogenpäckchen herausfischen. Herr Schmidt erinnert sich: „Das war natürlich für unsere Beamten eine äußerst unappetitliche Angelegenheit.“

Nachdem sie im Jahr 1990 ganze 36 Mal Drogenpäckchen aus Exkrementen gefischt hatten, wurde es den Fahndern zu viel und sie suchten nach einer neuen Lösung. Diese fanden sie am Londoner Flughafen Heathrow. Hier gab es bereits eine sogenannte „Schluckertoilette“. Ein solches Modell wurde bei einer englischen Firma in Auftrag gegeben und 1991 in der Einsatzzentrale der Zollfahndung am Frankfurter Flughafen eingebaut. In dem neuen Modell werden die Päckchen in einem Auffangbecken automatisch gereinigt und desinfiziert. Trotzdem muss ein Zollbeamter – vom Verdächtigen nur durch eine Glasscheibe getrennt - die Ausscheidung überwachen und protokollieren. Und das nicht selten, wie Zollfahnder Schmidt weiß: „Die 18.000 D-Mark, die wir damals für die Toilette bezahlt haben, lohnten sich – bis heute gab es 1.400 ‚Nutzer’. Mit diesem Schluckerklo wurde für uns die Arbeit zwar etwas einfacher, aber angenehm ist es immer noch nicht und die Gerüche sind einem bis weit nach Dienstende in der Nase!“

 

Schmuggler in Gefahr – Kartelle im Dunkeln

Kommt es zu einer Verurteilung drohen für Ersttäter in Deutschland bis zu fünf, für Wiederholungstäter bis zu sieben Jahre Haft. Geht dagegen etwas schief, bezahlt der Schlucker mit seinem Leben: Gelangen nur geringe Mengen des hochreinen Kokains aus einem defekten Päckchen in den Körper, so tritt innerhalb kürzester Zeit der Tod ein. Oftmals bleiben nicht mehr als 15 Minuten. Und selbst wenn ein Arzt sofort zur Stelle ist, kann er nicht viel bewirken, da die Vergiftung zu schnell eintritt.  

Die Drogenkartelle nehmen dies billigend in Kauf. Oftmals versuchen sie sogar, selbst nach dem Tod des Kuriers die Drogen zu bergen. So wurden 1990 in Frankfurt mehrere Müllsäcke mit Teilen und Innereien eines Körpers gefunden. Nachdem die Rechtsmediziner das grausame Puzzle zusammengesetzt und untersucht hatten stand fest: Die Frau hatte Drogenpäckchen geschmuggelt und war an einer Vergiftung aufgrund eines undichten Päckchens verstorben. Die Drahtzieher hatten ihren Körper daraufhin geradezu ausgeweidet, um doch noch an die Päckchen zu kommen.

Trotz gelegentlicher großer Fahndungserfolge bleiben die großen Kartelle den Ermittlern meist verborgen, erzählt Herr Schmidt: „An die Hintermänner heranzukommen ist schwer. Die Kuriere sind meist stark eingeschüchtert oder wissen kaum etwas über die Hintermänner. Daher sind wir auf Aufklärung und Hinweise aus der Bevölkerung angewiesen: Wer etwas beobachtet, was ihm verdächtig erscheint, sollte dies melden!“

 

Bodypacking light

Müssen nur kurzfristig verbotene Substanzen transportiert oder versteckt werden – zum Beispiel ins örtliche Gefängnis oder bei einer Polizeikontrolle – nutzen die Schmuggler beim sogenannten „Bodystuffing“ eher das Rektum oder die Vagina. Hierbei werden die zu transportierenden Dinge in Celophanfolie eingewickelt und rektal bzw. vaginal „eingeschoben“.

Die bei dieser Methode transportierten Mengen an Schmuggelware variieren, je nach Trainingszustand des „Schiebers“, denn durch regelmäßiges Unterdrücken des Toilettenganges kann das Fassungsvolumen des Rektums solcher Kuriere auf durchschnittlich 350 bis 500 ml aufgedehnt werden – und das, obwohl bei normalen Menschen der Drang, eine Toilette aufzusuchen, bereits bei ca. 100 ml Volumen beginnt.

Die transportierten Mengen der Bodystuffer sind also deutlich geringer, als bei den Bodypackern. Jedoch ist ihr Risiko, sich an geschmuggelten Drogen zu vergiften deutlich höher, da Celophan eine geringere Reißfestigkeit hat als die Päckchen, die geschluckt werden. Meist kommt es jedoch bei Bodystuffern eher zu einer Vergiftung als zum Tod, da die von ihnen geschmuggelten Drogen schon auf handelsübliche Konzentrationen gestreckt sind und nicht mehr so hoch konzentriert sind wie die der Bodypacker. 

 

Weitere Infos:

ARD-Doku zum Thema Body-Packing auf YouTube

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