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  • Silja Schwenke
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  • 28.06.2018

Wie schreibt man eine Doktorarbeit?

Deine Doktorarbeit ist bisher gut gelaufen. Du bist stolz auf deine Ergebnisse – jetzt trennen dich nur noch ein paar Dutzend läppische Seiten Papier vom Titel. Leider wachsen diese Seiten nicht einfach im Brutschrank. Wir geben Tipps, was du beim Schreiben deiner Promotion beachten solltest.

 

Doktorarbeit - Foto:  Reimer - Pixelvario - Fotolia.com

Der Weg zur Doktorarbeit ist oft steinig und schwer – aber er lohnt sich! Foto: Reimer - Pixelvario - Fotolia.com

Fluchend schaltet Doktorand Johannes den PC aus. Wieder ein Tag vorbei – und die Tabelle, die er schon letzte Woche vollenden wollte, ist immer noch nicht fertig. Dabei dachte der Medizinstudent aus Greifswald, dass er den Hauptteil seiner Dissertation schon gemeistert hätte. Einige Male ist er bis nach Dresden gefahren und hat dort Urinproben und Daten von Patienten gesammelt, die wegen ihres Übergewichts einen Magen-Bypass bekamen.

Johannes‘ Betreuerin Priv.-Doz. Dr. rer. med. Nele Friedrich kennt das Problem: „Medizinische Doktoranden unter­schätzen häufig, wie lange es dauert, Daten gut strukturiert zu Papier zu bringen“, erklärt die 30-jährige, frisch habilitierte Leiterin der Arbeitsgruppe Metabolomics am Institut für Klinische Chemie und Laboratoriumsmedizin in Greifswald. „Man merkt immer, dass sie noch sehr jung sind und dass es ihre erste ­wissenschaftliche Arbeit ist. Oft legen sie zu wenig Wert auf eine gute Darstellung.“ Dr. Friedrich hat bisher vier ­Medizinstudenten erfolgreich mitbetreut. Bei Prof. Dr. med. Jörg-Wilhelm Oestmann, Radiologe und Vorsitzender der Promotionskommission der Charité in Berlin, waren es mehr als zwanzig, und auch er hat diese Erfahrung gemacht: „Jede Uni hat eine Homepage, auf der formale Ansprüche genau beschrieben sind. Die sollten Promovenden so früh wie möglich lesen.“

 

Den Anfang am Schluss, die Mitte zuerst?

Eine medizinische Promotion bietet wenig Platz für kreative Spielereien. Jede Arbeit hat denselben Aufbau: Zuerst die Einleitung, die den Stand der Wissenschaft zum Promotionsthema darlegt und aus der sich die Fragestellung der Arbeit ableitet. Dann folgt der Methoden-Teil, in den alle Mess- und Prüfverfahren gehören, und danach die Ergebnisse, die etwa ein Drittel der Arbeit ausmachen sollten. Die anschließende Diskussion ist so etwas wie eine Kür. In ihr vergleicht der Autor seine Ergebnisse mit anderen Unter­suchungen. Die abschließende Zusammenfassung stellt dann auf höchstens zwei Seiten so eine Art Abstract der Arbeit dar, gefolgt vom Literaturverzeichnis.

So weit, so klar. Aber ist es sinnvoll, mit der Einleitung anzufangen? „Ich tendiere eher dazu, die Einleitung zum Schluss schreiben zu lassen“, sagt Dr. Friedrich. Oft sei es einfacher, mit den Er­gebnissen anzufangen, weil da schon etwas vorliege. „Aber das muss der Einzelne abwägen, es ist schwierig, generell etwas zu empfehlen.“

 

Schreiben vor dem Schreiben

Auf jeden Fall gilt: Schon lange vor dem berühmten Spruch „Bin fertig mit meiner Diss, muss nur noch zusammenschreiben“ sollte das Tippen längst begonnen haben. Prof. Oestmann rät: „Jeder Doktorand sollte sofort ein großes Rohdokument anlegen, in dem er alles notiert, was ihm in den Sinn kommt.“ Da die grobe Struktur feststeht, ließen sich alle Ideen direkt in das entsprechende Kapitel schreiben. „Dazu gehört eine Literaturfußnote, woher die Ausführungen kommen. Sonst sucht man sich später tot.“

Dr. Friedrich empfiehlt, am Anfang etwas Zeit zu investieren, um sich in ein Literaturverwaltungsprogramm einzuarbeiten. „Es lohnt sich, das Verzeichnis professionell zu pflegen, damit etwa die Nummerierung nicht immer wieder durcheinanderfliegt, wenn Artikel eingefügt werden. Das spart viel Arbeit.“ Auch fruchtlose Texte sollte man zwischendurch ruhig vermerken – dann liest man sie nicht aus Versehen zweimal.

 

Wichtig: Wie lautet die Frage?

Auch die Fragestellung sollte lange vor dem eigentlichen Schreiben formuliert sein: Was untersucht die Arbeit? Nicht bei allen Doktorarbeiten ist das so klar wie bei Johannes Staiger, der die Ergebnisse bestimmter Metabolomics-Tests von Patienten vor und nach einer Magen-Bypass-OP ­vergleicht. Aber sie sollte unbedingt feststehen, denn auf ihr beruht die gesamte Arbeit.

Die Einleitung dient nur dazu, auf die Fragestellung hinzuführen. „Sich dabei zu fokussieren, fällt Medizinstudenten schwer“, sagt Friedrich. „Wenn ich dann drei Seiten Einleitung lese, die nichts mit der Frage zu tun haben, ist das schlecht.“ Als Faustregel gilt: Die Einleitung inklusive Fragestellung sollte nicht mehr als zwanzig Prozent der Arbeit einnehmen.

Insgesamt empfiehlt die Charité nicht mehr als hundert Seiten. Die Ansichten zur optimalen Länge gehen aber auseinander. Für Prof. Oestmann gilt: „Wissenschaft soll präzise, logisch und kurz sein.“ Auch Friedrich mag es knapp. „Andere bevorzugen aber längere Texte. Da sollte man Doktorvater oder -mutter fragen, was sie sich so vorstellen.“

 

Methodik und Ergebnisse: Hilfe, Statistik!

Manchmal fällt es Doktoranden auch schwer zu entscheiden, was in wel­ches­ Kapitel gehört. In der Einleitung oder dem Methodik­-Teil sollte niemand schon verraten, was er heraus­gefunden hat. In den Methodik-Teil gehören aber alle statis­tischen Tests. Dr. Friedrich rät, sich dabei unbedingt unterstützen zu lassen. Ihr laufe es oft kalt den Rücken herunter, wenn sie Arbeiten liest, bei denen jemand etwa falsche Tests angewendet hat oder Tests mit Gruppen, die nicht mehr als fünf Probanden umfassen. „Mediziner müssen die Statistik nicht beherrschen, aber sie sollten sich Hilfe holen von jemanden, der es kann.“

Im Ergebnis-Teil darf der Promovend dann endlich berichten, was er herausgefunden hat. Aber gerade hier machen viele einen entscheidenden Fehler: Sie unterschätzen die Zeit, die für eine gute Darstellung nötig ist. „Grafiken und Tabellen sind nicht selten schlampig“, sagt Friedrich. Hierbei gilt: Tabellen, Grafiken und Abbildungen müssen selbsterklärend sein, alleinstehend verständlich. Über eine Tabelle gehört eine Überschrift, unter eine Grafik gehört eine Erklärung. Und: Immer sollten die Einheiten dabeistehen.

 

Diskussion mit Stil

Noch weniger klar als der Ergebnis-Teil scheint vielen Promovenden, wie man die Diskussion aufbaut. Die Diskussion soll die Ergebnisse bewerten und dabei die in der Einleitung gestellte Frage wieder aufgreifen und beantworten. Für die Struktur hilft es, sich auf den Webseiten der Promotionsbüros anzuschauen, nach welchen Leitfragen die Gutachter vorgehen. Sie beurteilen etwa, wie gut der Promovend die Ergebnisse mit der Literatur vergleicht, wie klar die gezogenen Schlüsse sind und wie gut er diese Schlüsse mit den Ergebnissen begründet. „Am Anfang sollte man einfach jeden Gedanken dorthin schreiben, wo man denkt, er passt“, rät Prof. Oestmann. „Die Lücken füllen sich schon.“ Auch um für die Diskussion klarer zu sehen, sollten sich alle Doktoranden unbedingt eine Beispielarbeit besorgen.

Zum Schluss lohnt es sich, am sprachlichen Niveau zu feilen – ein holpriger Ausdruck bringt Punktabzüge. „Manche Gutachter listen alle Rechtschreibfehler auf“, erzählt Dr. Friedrich. Sie rät, die Arbeit mehrmals Korrektur lesen zu lassen. „Man sollte sich so viel Hilfe wie möglich holen.“

 

Problem Plagiarismus

Aber ist zu viel Hilfe nicht unzulässig? Schließlich unterschreibt jeder Doktorand eine Erklärung, dass er seine Arbeit selbstständig verfasst hat. Hierbei gilt: Alles, was er nicht selbst geleistet hat, muss er angeben – zum Beispiel, wenn die biometrischen Auswertungen nicht von ihm sind. „Man sollte die Menschen, die für einen ge­arbeitet haben, fairerweise in der Danksagung erwähnen“, sagt Dr. Friedrich. „Etwa die Gutachter, den Statistiker, das Institut oder das Labor.“

Die Gefahr, dass Doktoranden es mit der Hilfe über­treiben, schätzt Prof. Oestmann eher als gering ein: „Ghostwriting bietet sich in der Medizin nicht an.“ Medizin sei sehr handfest. „Wie soll das funktionieren, wenn Sie für die Arbeit im Labor stehen müssen?“ Auch Plagiate seien kein großes Problem – ein Fall wie Guttenberg ist seines Wissens an der Charité noch nicht vorgekommen. Probleme entstünden vor allem, wenn es zwischen Betreuer und Doktorand nicht klappt, wenn es „menschelt“.

Stellt ein Betreuer etwa auf einem Kongress die Tabelle eines Doktoranden vor, sollte das im Einverständnis passieren. Aber auch bei Streitigkeiten ist der Doktorand dem Betreuer nicht auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. An jeder Uni gibt es für solche Konflikte einen Ethik-Ombudsmann. Etwa einmal im Jahr muss dieser an der Charité einen Fall schlichten. „Das ist nicht das, was uns Sorgen macht“, sagt Prof. Oestmann.

 

Die Zukunft gehört der Publikationspromotion

Ihn beschäftigt eher, wie viele Doktoranden verloren gehen, bevor sie ihre Arbeit zu Ende schreiben. Die Charité eröffnet jedes Jahr 650 bis 700 Promotionsverfahren, die höchste Zahl in Deutschland. Sie sehen aber nur die eingereichten Arbeiten. „Wie viele Doktoranden abbrechen, wissen wir nicht. Auch nicht, ob bei manchen Betreuern besonders viele abbrechen“, sagt Oestmann. Das soll sich ändern: Voraussichtlich wird in diesem Sommer Pflicht, dass Betreuer und ­Promovend zu Beginn einer Arbeit an der Charité eine Promotionserklärung unterschreiben. In ihr halten sie nicht nur das Thema und einen Zeitplan fest, sondern vereinbaren auch, dass die Promotion möglichst eine Publikations­promotion sein soll.

Das heißt, der Doktorand übernimmt in einem wissenschaftlichen Artikel die Erstautorenschaft. Eine Promotion zu schreiben, wird dann anspruchsvoller – was man hineinschreibt aber gleichzeitig klarer. Oestmann: „Alles, was Sie nicht in einem wissenschaftlichen Journal unterkriegen, gehört nicht hinein.“

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