- Anleitung
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- Dr. Barbara Bellmann
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- 04.05.2015
Wie schreibe ich einen Case Report?
Gibt es einen besonderen Patientenfall auf Station, wird man häufig gebeten, einen Case Report darüber schreiben. Doch was ist ein Case Report überhaupt? Und wie wird er geschrieben?
Foto: apops – Fotolia.com
Lina ist gerade dabei, der 101 Jahre alten Frau Müller Blut abzunehmen. Es ist die zweite Woche ihrer Famulatur in der Kardiologie und sie ist begeistert von dem Fachgebiet. Besonders die Rhythmologie hatte es ihr angetan. Plötzlich fliegt die Tür auf und der Chef betritt den Raum. „Frau Müller, wie geht es Ihnen? Gestern haben Sie einen Schrittmacher bekommen und wenn Sie sich wohlfühlen, können Sie schon heute wieder nach Hause gehen.“ Was für ein spannender Fall – ein Schrittmacher mit 101. An Lina gerichtet fügt er hinzu: „Ich möchte, dass Sie darüber einen Case Report schreiben. Das machen sie doch oder?“
Lina schaut sich erschrocken um, aber da nur sie und die Patientin noch im Raum sind, muss der Chef tatsächlich sie meinen. Zögerlich nickt sie und das Herz rutscht ihr in die Hose. Der Begriff Case Report war ihr neu. Der Chef freut sich: „Das wird toll! Auch ich habe meinen ersten Case Report in meiner Famulatur geschrieben. Dann mal frisch ans Werk!“ Er verlässt das Patientenzimmer und zurück bleibt eine ratlose Famulantin.
In der Mittagspause fragt Lina Assistenzarzt Max, wie man so eine Sache mit einem Case Report angeht. Dieser platzt vor Stolz, dass er sein Wissen weitergeben kann und legt gleich los:
Zusammenfassung
Ein Case Report beginnt immer mit einer kurzen Zusammenfassung in Deutsch und Englisch, wenn du für ein deutschsprachiges Journal schreibst. Hast du ein englischsprachiges Magazin gewählt, entfällt die deutsche Zusammenfassung. In der Fachsprache wird dieser Teil auch als Abstract bezeichnet. Wichtig ist, dass es eine begrenzte Anzahl von Zeichen gibt, die je nach Magazin variieren können. Ziel ist es, dem Leser einen schnellen und klaren Überblick über den Fall zu geben und sein Interesse zu wecken. Linas Chef hat sich für ein deutschsprachiges Magazin entschieden. So könnte ihre deutsche Zusammenfassung aussehen:
Wir berichten über eine 101 Jahre alte Patientin mit AV-Block III. Mit 99 Jahren lehnte die Patientin bei einem bestehenden AV-Block Typ II Mobitz eine Schrittmacherimplantation aufgrund ihres fortgeschrittenen Lebensalters ab. Bei zunehmender Beschwerdesymptomatik im Sinne von progredienten Beinödemen und Schwindel unter der Belastung stimmte sie zum Erhalt der Selbstversorgung einer Zweikammerschrittmacherimplantation bei guter systolischer LV-Funktion zu. Die Operation konnte komplikationslos durchgeführt werden. Das Fallbeispiel zeigt, dass eine Schrittmacherimplantation auch in einem hohen Lebensalter sicher und durchführbar ist.
Gliederung
Ein Case Report wird nach der Zusammenfassung in folgende Abschnitte gegliedert: Anamnese und klinischer Befund, Diagnose und Therapie und Verlauf. Als erstes stellst du dem Leser deinen Patienten vor. Was ist seine für den Fall relevante Haupterkrankung, welche anderen Erkrankungen hat er und wie ist seine Krankengeschichte. Danach beschreibst du, welche Diagnostik unternommen wurde, um die Diagnose zu sichern. In unserem Fall würde Lina auf Langzeit-EKGs, Ruhe-EKGs und einen Herzultraschall eingehen.
Im nächsten Teil berichtest du über die Therapie. Lina wird also genau aufführen wie die Schrittmacherimplantation abgelaufen ist. Wie lange hat es gedauert? Welche Narkosemittel wurden verwendet? Welcher Schrittmacher wurde implantiert? Der Leser ist auf dich angewiesen. Informationen die du ihm vorenthältst wird er nie erfahren. Gleiches gilt für den Teil Verlauf.
Hier spielen Informationen über Komplikationen und Behandlungserfolg eine Rolle. Lina freut sich, denn unsere alte Dame hat nach einem Tag das Krankenhaus verlassen. Die Wunde war reizlos und auch die Angehörigen zufrieden. Aber wenn es mal nicht optimal läuft, musst du bei der Wahrheit bleiben. Mit einer Beschönigung oder Unwahrheiten ist Niemandem geholfen, an wenigsten den nachfolgenden Patienten.
Diskussion
Die Pflicht hast du geschafft und nun kommt die Kür. Der Diskussionsteil ist der anspruchsvollste Abschnitt, egal ob es sich um einen Case Report, eine Doktorarbeit oder ein vollwertiges Paper handelt. Hier werden die Ergebnisse und der Fall diskutiert. In unserem Beispiel könnte Lina darauf eingehen, ob Komplikationen bei 101Jähirgen häufiger auftreten und was man tun könnte, um dies zu verhindern.
Oder man erläutert genauer die verabreichten Medikamente, um Kollegen, die einen ähnlichen Fall haben, eine Hilfe zu sein. Wichtig ist es, dass du deine Behauptungen mit Zitaten und Literaturstellen stützt. Die Leser müssen wissen, ob eine Aussage von dir stammt oder auf einer großen Studie basiert. Lina hat für die Literaturrecherche von Max den Ratschlag bekommen unter www.pubmed.com zu recherchieren. Das half ihr sehr.
Fazit für die Praxis/Zusammenfassung
Am Ende des Artikels schreibst du eine kurze Zusammenfassung mit einem Fazit für die Praxis. Dieser letzte Teil besteht nur aus zwei bis drei Sätzen und ist das Ende des Artikels. Dem Schlussteil folgen das Literaturverzeichnis, die Tabellen und Abbildungen, in der genannten Reihenfolge. Gerade Abbildungen sind bei Case Reports wichtig, um den Leser deinen Fall zu präsentieren. Sie müssen allerdings anonymisiert sein und eine gute Qualität haben.
Autorenschaft
Ein heißes Thema ist die Autorenschaft. In der Regel dürfen vier Autorenstellen bei einem Case Report besetzt werden. Die erste Stelle ist Linas und die letzte gehört ihrem Chef. Alles Weitere musst du besprechen, bevor du den Artikel einreichst. Du ersparst dir damit Ärger und schlechte Stimmung.
Einreichen
Wenn du dich für ein Magazin entschieden hast, heißt es in aller Ruhe dort die Richtlinien für einen Case Report zu studieren. Hier wird genau angegeben wie die Form des Fallbeispiels zu sein hat. Die richtige Formatierung des Literaturverzeichnisses ist mindestens genauso wichtig, wie das Einhalten der Richtlinien für Tabellen und Abbildungen. Im nächsten Schritt registrierst du dich in der Regel online bei dem Magazin und kannst dann Schritt für Schritt den Text und die Abbildungen hochladen.
Ist dies geschehen, heißt es warten und Daumen drücken. Etwa nach 2-3 Wochen erhältst du eine Antwort von dem Magazin per Mail. Im besten Fall ist dein Artikel angenommen oder es werden kleine Änderungswünsche geäußert. Im schlechtesten Fall wird der Artikel abgelehnt. Jetzt darfst du nicht aufgeben. Reiche den Fall bei einem anderen Journal ein, nachdem du ihn nochmal gründlich überarbeitet hast. Es lohnt sich durchzuhalten!
Lina hat all diese Ratschläge berücksichtigt. Ihr Chef sieht sie überrascht an, als sie ihm nach wenigen Tagen den Artikel gibt. „Sie sind ja schnell.“ Nach seinen Korrekturen und seinem Einverständnis reicht sie den Artikel ein. Das zweite Magazin nimmt ihren Artikel an und als dieser dann nach wenigen Wochen beim Journal und bei Pubmed erscheint, strahlt sie über das ganze Gesicht. Ihr Chef lobt sie vor der ganzen Belegschaft für ihren tollen Case Report.
Als ihre Famulatur zu Ende ist und Lina sich von ihrem Chef verabschiedet, sagt dieser: „Schauen Sie mal auf Station 30b, da liegt wieder ein spannender Fall!“ Lina lacht. Jetzt hat sie erst mal Semesterferien, aber im Prinzip hat ihr Chef Recht, die Medizinwelt ist voll von spannenden Fällen, man muss nur die Augen aufhalten und sie zu Papier bringen.
Auch wenn dieser Fall frei erfunden ist, so oder so ähnlich kann es ablaufen. Das was man für einen erfolgreichen Case Report braucht, ist eine kleinen Prise Mut, Spaß und Ausdauer. Wenn das erste Journal ablehnt, stecke den Kopf nicht in den Sand, es gibt viele andere Magazine, die sich über dein spannendes Fallbeispiel freuen. Wenn es dann endlich so weit ist und du deinen Namen schwarz auf weiß im Journal siehst, wirst du dich freuen und erkennenn, dass sich die Mühe gelohnt hat. Und wer weiß, vielleicht ist dein Case Report eine initiale Zündung für viele weitere oder gar ein vollwertiges Paper von dir.
Beispiele für Case Reports:
http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/25707908
http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/25801716