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  • 21.08.2009

Hammerexamen-Tagebuch (17)

Dazwischen

Etwas mehr als eine Woche ist vergangen, seitdem ich die mündliche Prüfung – und damit das ganze Hammerexamen - bestanden habe. Jedoch auf das Arzt sein muss ich noch warten bis endlich meine Approbation gedruckt ist. Bis dahin lebe ich praktisch im „Dazwischen“.

Foto: iStockphoto

 

Lange geschlafen

Nach bestandenem Examen habe ich die erste Zeit ziemlich lange durch- und ausgeschlafen. Statt wie in den Wochen zuvor manche Nacht schweißgebadet aus dem Schlaf zu schrecken, weil ich wieder von einer Prüfung träumte. Das Gefühl fertig zu sein, ist unheimlich erleichternd, wie ich ja schon letztens berichtete. Natürlich folgt nun die große Verantwortung des Berufs und wohl möglich, dass ich mich an das Studentenleben erinnere in mancher dunklen Klinikstunde. Doch zurücksehnen werde ich mich nicht. Das Studentenleben hat nun endgültig ein Ende.

 

Im Flugzeug

Wobei, Student bin ich immer noch, jedenfalls eingeschrieben. Vielleicht ist das auch ganz gut so, denn sonst wäre ich jetzt wohl überhaupt nichts mehr. Weder Kandidat, noch Arzt. So lebe ich im „Dazwischen“. Wie in einem Flugzeug am Himmel zwischen den Orten.

 

Leer

Meine Wohnung ist schon leer. Oder fast leer, nur noch die kahlen Regale, das Bett. Ein paar Lehrbücher, Klamotten, ein Schlafsack und ich. Einen Großteil meiner Einrichtung habe ich in meiner Heimat unterbringen können. In ein paar Tagen dann ziehe ich aus meiner WG und in die Stadt meiner neuen Arbeitsstelle. Auch den Computer habe ich hier nicht mehr und merke, wie sehr ich mich daran und ans Internet gewöhnt habe. Sei es schnell mal eine Information nachzuschlagen, Emails zu checken oder Nachrichten zu lesen. Habe mir vorhin doch das erste Mal wieder seit langem eine gedruckte Zeitschrift geholt. Das kam mir vor wie eine Zeitmaschine ins 20. Jahrhundert. Wer weiß, wie es sich mit meiner neuen Stelle verhält: Eine kleinere Klinik im ländlichen Raum – wird es da ähnlich rückständig sein?

Dennoch hat dieses einfache Leben aus dem Koffer mit nur ein paar Sache auch irgend wie etwas simples – wie ein neuer Anfang.

 

Noch einmal Uniklinik

Die totale Internetabstinenz habe ich dann doch nicht durchgehalten, oder besser heutzutage brauchst du schon eher eine Email-Adresse als eine Telefonnummer. Jedenfalls kehrte ich noch einmal zurück zur Uniklinik und deren Bibliothek mit Internetzugang. Der Verkehr dorthin war so hektisch, dass ich beinahe von einem vorbeischießenden Radfahrer umgefahren worden wäre. Im Krankenhaus wollte ich zwar schon anfangen, jedoch nicht als Patient, schon gar nicht in der Uniklinik. Ganz bewusst hatte ich mich dafür entschieden, in ein kleineres Lehrkrankenhaus zu gehen. Nach all den Jahren der Großstadt und Klinik der Maximalversorgung, das immer und überall behauptet exzellent zu sein, wünsche ich mir für den Einstieg ein einfaches, „üdülüsches“ Haus auf dem Lande. Dem naturwissenschaftlichem Studium folgt die naturromantische Arbeit. Als ich wieder auf dem Gelände der Uniklinik lief ,war ich richtig froh über meine Entscheidung.

 

Schöne Bücher

In der Bibliothek sah ich mir dann auch noch die Lehrbücher für meine Facharztausbildung an und musste feststellen, dass es auch dort dicke Schinken gibt und nette Kurzlehrbücher. Denn letzten Endes lernst du wohl im Alltag mehr als durch das Buch, so wie du einst in der Anatomie an der Leiche mehr verstanden hast als durchs Bücherstudium. Und dabei trauere ich ein wenig darüber, dass ich mich nicht für ein operatives Fach entschieden habe, denn die bunten OP-Atlanten sind unglaublich schöne Bilderbücher, die im Studium nie Beachtung fanden. Aber nur dieser Werke wegen wollte ich jetzt nicht in einer Fachrichtung anfangen, in der ich stets zwischen OP und Station wandern muss.

 

Erster Fall

Doch bis es los geht, vergehen noch ein paar Tage. Noch bin ich kein Arzt, es fehlt die Approbation. Vorher darf ich nichts, kann ich nichts und noch viele „nichts“ mehr. Ausgerechnet aber auf meinem Weg von der Uni zurück, begegnete ich einem Mann, der am Boden lag, eine kleine Gruppe von Leuten um ihn herum. Der Bewusstlose war schon in die stabile Seitenlage gebracht – ich vergesse immer wieder, wie das noch mal geht. Die anderen Personen schienen ihn zu kennen und warteten darauf, dass er wieder aufwacht. Ohne Frage war es ein stattgefundener epileptischer Anfall gewesen. Ich verzichtete darauf, eifrig ins Geschehen zu stürmen. Endlich mal zu sagen: „Ich bin Arzt.“ Das wäre mir alles ziemlich blöde vorgekommen und was hätte ich dann machen sollen? Puls fühlen und Händchenhalten?

 

Tagewerk

Zuhause erwartete mich noch ein großer Farbeimer mit Rolle und Pinsel. Bevor ich ausziehen kann, musste ich noch mein Zimmer streichen. Dazu hatte ich aber auch gar keine Lust. Eigentlich wollte ich doch die letzten Tage nach dem Hammerexamen mal so richtig ausspannen und gar nichts tun, aber auch ünberhaupt gar nichts – quasi nichtmal Urlaub.

Mühsam wie beim Lernen, fing ich klein an und klebte die Ecken und Kanten ab, bedeckte den Fußboden mit Folie – das ganze erinnerte stark an die Vorbereitungen des Patienten im OP-Saal. Anfangs stellte ich mich recht ungeschickt an, doch es ging immer besser und ziemlich rasch hatte ich die Farbrolle in der Hand und die ersten Farbspritzer im Gesicht. Es machte beinahe sogar Spaß – Maler ist anscheinend ein schöner Beruf, dachte ich jedenfalls, bis mir nach kurzer Zeit der Arm weh tat vom ständigen Aufdrücken und Abrollen. Na, vielleicht ist Arzt doch der bessere Beruf. Sicher gibt es da bestimmte Techniken wie beim Hakenhalten.

Zum Glück ging alles schnell und die Wände leuchteten strahlend weiß. Stolz begutachtete ich mein Werk, endlich nach all dem Lernen und Prüfungen bestehen verichtete ich wieder ehrliche Arbeit.

Was freue ich mich darauf endlich anzufangen.

 

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