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  • 16.04.2009

Hammerexamen-Tagebuch (7)

Erkenntnisse und Zweifel

Seit Wochen lerne ich jetzt für dieses Hammerexamen und fühle mich, als hätte ich mich selbst mit einem Hammer ausgeknockt. Ich habe keine Lust mehr, bin froh, wenn es endlich vorbei ist. Ein Gutes hatte alles allerdings: Ich bin schlauer geworden - wobei damit nicht unbedingt mein Medizinwissen gemeint ist.

Foto: iStockphoto

 

Lust

Ich habe keine Lust mehr. Habe ich das eben nicht schon erwähnt? Nun ja, es fällt mir schon schwer, klare Gedanken zu fassen, die sich nicht um Fragen mit fünf Antwortmöglichkeiten drehen. Das Schreiben dieser Zeilen gelingt mir nur mit größerer Anstrengung als sonst. Denkhemmung ist ein Stichwort, da könnte man Depression als Diagnose kreuzen, doch so weit will ich nicht gehen. Vielmehr sind es wohl die Millionen von Details, die ich mir zu merken versuche und meinen Kopf schwer machen: Conn-Syndrom, Addison, Hyperparathyreoidismus. Wo waren noch mal der Blutdruck oder Kalium hoch bzw. niedrig? Unzählige Male habe ich es immer wieder wiederholt und zweifle doch wieder beim Kreuzen.

 

Nicht zu früh

Dabei bin ich ironischerweise zum Teil sogar froh, nicht zu früh mit dem Lernen angefangen zu haben. Diese ganze Zeit ist alles andere als schön. Wer weiß wie kaputt ich wäre, wenn ich sogar ein Extra-Lernsemester eingelegt hätte.

 

Eselsbrücken

So habe ich in meinem Gehirn mehr Brücken gebaut als in Venedig und Hamburg zusammen stehen; und schleppe störrische Esel mühsam hin und her. So nette wie "IVAN" für die Gefäß- und Nervenverhältnisse am Oberschenkel oder so extrem humpelnde wie Auerstäbchen bei Akuter Myeloischer Leukämie: "Bauer auf der Alm" - ziemlich schräg, aber es funktioniert. Leider macht mich das alles nicht zu einem besseren Arzt. Doch wer glaubt, man würde mit dem Lernen fürs Hammerexamen auch fürs (Arzt-)Leben lernen, zitiert wohl gerne Sprüche der alten Lateiner, weil er sonst nichts im Leben gelernt hat.

 

Egal

Eigentlich ist das alles ziemlich egal. Während der ganzen Kreuzerei ist mir aufgefallen, dass es nicht darauf ankommt, möglichst viel Wissen zu wissen, sondern die Frage richtig zu beantworten und dafür ist jedes Mittel recht. Oft geht es darum, bei fünf Antwortmöglichkeiten die eine zu finden, die nicht zu den vier anderen passt. Quasi das fünfte Rad am Wagen. Besonders beliebt ist das "Fremdwort". Dabei sind vier Antworten allgemein bekannte Begriffe, die Falschantwort dann irgendein nie im Studium gehörter Begriff. So ziehe ich stets die Wörter, die ich überhaupt nicht kenne, bei der Suche nach Falschaussagen in die engere Wahl. Zudem kommen noch die Verhältnismäßigkeiten: Steht in einer Antwort eine absolute Behauptung wie "immer", "sofort", "auf jeden Fall", dann bin ich vorsichtig. Schöner sind Begriffe wie "kann" oder "gelegentlich".

 

Zu viel Gelaber

Besonders anstrengend ist jedoch das Lesen der Fallgeschichte und Frage. Das IMPP gibt sich recht viel Mühe, einen mit unzähligen Informationen zu überfrachten. Je länger der Fall, desto weniger steckt dahinter! Das ist jedenfalls mein Eindruck. So überspringe ich nicht selten das ganze Gelaber und schaue mir die Antwortmöglichkeiten an und kann dann den vorherigen Fall viel gezielter noch einmal durchgehen. Wobei nach dem Sprichwort "Den Wald vor lauter Bäumen nicht sehen" ein zu intensives Lesen des Falls und Nachdenken unfreiwillig zur falschen Lösung führen könnte. Wer zuviel denkt und weiß, gerät in die Gefahr, über die Fallen des IMPPs zu stolpern - besonders wenn Wortähnlichkeiten verwendt werden. Oder schlimmer: totale Wortungetüme, um Verwirrung zu stiften. Mein Favorit: bei den Antwortmöglichkeiten nach Therapie bei Refluxösophagitis wird nicht einfach Protonenpumpenhemmer geschrieben, nein, tatsächlich musste ich lesen: "Wasserstoff-Kalium-ATPase-Inhibitoren". Wahrscheinlich fanden Korrektoren beim IMPP das selbst dämlich und haben im letzten Moment in Klammern noch "PPI" dahinter geschrieben.

 

Kreuzen

Doch wozu sich über das IMPP aufregen, kostet nur unnötig Nerven, stattdessen könnte ich mich über meine DVD zum Kreuzen aufregen. Ich weiß nicht, wie es ein bekannter Medizinbuch-Verlag hat schaffen können, ein Programm auf den Markt zu werfen, das zahlreiche Mängel hat und doch eigentlich nur ein paar einfache Funktionen beinhaltet. Ich möchte damit ja keine Mondlandung organisieren, die älteren Versionen funktionierten erstaunlich fehlerfrei. Doch dank der vielen Computerprogramme im Krankenhaus bin ich Schlimmes schon gewohnt und einfach nur dankbar, dass das Programm überhaupt funktioniert. Ich frage mich, warum niemand sonst eine CD mit Prüfungsfragen herausgibt und gewinne dadurch sogar markt-theoretische Einsichten: "Konkurrenz belebt das Geschäft". Dank des Lernens fürs Hammerexamen werde ich also immer schlauer.

 

Zweifel

Jedoch fröhlicher werde ich nicht gerade. Vor ein paar Tagen passierte, was immer passiert, wenn du für eine Prüfung lernst. Es kommt der Moment des Zweifels: "Lerne ich richtig?" Meine Strategie war eigentlich nur noch Kreuzen und Kommentare lesen. Was teilweise sehr frustrierend sein kann, wenn die Aufmerksamkeit nachlässt, ich immer wieder falsche Antworten anklicke. Was eigentlich egal sein kann, geht es doch ums Lernen, worauf bei den Fragen zu achten ist, wie das IMPP denkt. Zudem lese ich Kommentare viel aufmerksamer, wenn ich die Frage falsch beantwortet habe. Trotzdem nagten die Zweifel eines Abends an mir.

Übers Internet besorgte ich mir rasch zwei skriptartige Lernbücher gezielt fürs Hammerexamen. Ich hatte zwar keine große Hoffnung, dass ich damit alle Fragen beantworten kann, doch ich brauchte auch mal eine Abwechslung von Kreuzen und Kommentaren lesen. Richtige Lehrbücher brachten einen dabei leider nicht so weit, weil sie zu ausführlich waren und renommierte Lehrbuchautoren seltsamerweise andere Informationen für wichtiger halten als das IMPP.

 

Erkenntnis

Mit den Büchern hatte ich auch endlich mal wieder etwas in der Hand zum Lernen, das Papier war sanft zu meinen geröteten Augen. Mal nicht das Summen der PC-Lüfter in den Ohren zu haben, war geradezu eine Wohltat.
Nur als ich das Fach im Buch durchgearbeitet hatte, hatte ich oftmals mehr Ahnung worum es in den Fragen ging, sehr viel besser konnte ich die Fragen deshalb allerdings nicht beantworten. Viel hatte das Buchlesen für mein Wissen im Verhältnis zum Kommentarlesen also nicht gebracht. Außer eines: Ich war mir wieder sicher: Kreuzen und Kommentare lesen kann der richtige Weg zum Hammerexamen sein - um es mit den Worten des IMPP für eine gute Richtigantwort zu sagen.

 

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