• Interview
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  • Das Interview führte Jing Wu
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  • 06.03.2025

Von Bayern nach Bali – Mit dem Fahrrad um die Welt

Ein Jahr, 19 Länder und 16.000 Kilometer – Charlotte Reignier hat ihren Arztkittel abgelegt und ist aufs Fahrrad gestiegen. Zusammen mit ihrem Partner erlebte sie magische Momente und große Herausforderungen. Im Interview erzählt sie von ihren spannendsten Erlebnissen.

Charlotte Reignier arbeitet als Assistenzärztin in der Unfallchirurgie im Klinikum Traunstein. Für ihren großen Traum, eine Weltreise mit dem Fahrrad zu unternehmen, hat sie ihre Arbeit pausiert und sich zusammen mit ihrem Partner Jonas auf den Weg gemacht. Im März dieses Jahres sind sie aufgebrochen, haben seitdem 19 Länder fast ausschließlich mit dem Fahrrad durchquert und hierbei eine Strecke von gut 16 000 km zurückgelegt. 

Hallo Charlotte, wie seid ihr auf die Idee gekommen, eine Weltreise per Fahrrad zu machen?
Ich war schon immer sportlich, fahre gerne Fahrrad und habe bereits einige kleinere Radtouren unternommen, die etwa zwei bis drei Wochen dauerten. Ein Jahr vor der Reise fragte mich Jonas, ob ich Lust auf eine gemeinsame Weltreise mit dem Fahrrad hätte. Für die Reise kündigte Jonas seinen Job als Ingenieur, und ich pausierte meine Arbeit als Ärztin.

Für die Weltreise hast du dich ein Jahr lang vom Klinikum Traunstein unbezahlt freistellen lassen. Wie fiel die Reaktion deines Chefs aus, als du von deinen Plänen einer Weltreise erzählt hast?
Die Freistellung war tatsächlich ein Angebot meines Chefs. Ursprünglich hatte ich vor, zu kündigen, und dachte, dass ich nach der Weltreise schon irgendwo eine neue Stelle finden würde. Auch in Traunstein hätte ich mich nach der Reise erneut beworben, da mir die Arbeit dort Spaß gemacht hat. Als ich meinem Chef von meinen Plänen erzählte und kündigen wollte, bot er mir stattdessen an, mein Arbeitsverhältnis zu pausieren, sodass ich danach zurückkehren kann – ein großes Glück im Nachhinein. Es hat mir Sicherheit gegeben zu wissen, dass ich meine Weiterbildung im Klinikum Traunstein fortsetzen kann. Dafür bin ich sehr dankbar.

Wie lief eure Weltreise mit dem Fahrrad ab?
Wir sind am 5. März letzten Jahres mit dem Fahrrad in Piding, einem kleinen Ort in Bayern, aufgebrochen. Unser ursprüngliches Ziel war es, Bali zu erreichen, doch das haben wir zeitlich nicht ganz geschafft. Dennoch haben wir neunzehn Länder durchquert und sind bis nach Thailand gekommen. Den Großteil der Strecke legten wir mit dem Fahrrad zurück, nur gelegentlich mussten wir kurze Abschnitte mit Bussen und Zügen überbrücken.


Start in Piding

Ihr habt auf Social Media für eure Reise unter dem Namen „Biking for Bali“ geworben. Wofür steht das?
Wir wollten unsere Zeit und Energie auf dem Fahrrad sinnvoll nutzen und haben deshalb mit The Wave Project e.V. zusammengearbeitet. Dabei entschieden wir uns für ein Bildungsprojekt, das eine Schule in Bali unterstützt. Durch unsere Spendenkampagne sammeln wir Geld, um Schüler und Lehrer vor Ort zu fördern, und haben bisher 5.500 Euro zusammengetragen. Da Jonas weiterhin mit dem Fahrrad in Asien unterwegs ist, bleibt die Spendenkampagne weiterhin offen.


Unterwegs auf den Rädern 

Was war euer schönstes Erlebnis während der Reise?
Als wir in Kappadokien in der Türkei ankamen, zelteten wir abends in einem Park. Am nächsten Morgen wachten wir bei eisiger Kälte auf, doch die Sonne ging gerade auf, und überall am Himmel schwebten Heißluftballons – ein ganz besonderer Moment. Auch die Grenzübergänge und die ersten Tritte in ein neues Land waren immer etwas Besonderes. Obwohl man nur wenige Meter zurückgelegt hatte, fühlte es sich oft an, als wäre man in einer völlig anderen Welt, da sich die Länder teils stark unterschieden – ein Eindruck, der an den Grenzübergängen besonders spürbar war.


Sonnenaufgang in Kappadokien


Was waren die größten Challenges eurer Reise?
Ich glaube, man unterschätzt, wie anstrengend es ist, eine solche Reise zu koordinieren. Anfangs hatte ich eine romantisierte Vorstellung davon, dass man einfach jeden Tag Fahrrad fährt, zwischendurch etwas isst und sich abends irgendwo einen Zeltplatz sucht. Doch in Wirklichkeit waren wir von vielen Faktoren abhängig: Wir mussten uns ständig nach dem Wetter richten – ein früherer Start hätte in Europa zu kalten Temperaturen geführt, doch so gerieten wir im Hochsommer in den Iran und kämpften mit der Hitze. Zudem mussten wir genau planen, wann wir die nächste Stadt erreichen und wo wir Lebensmittel kaufen konnten. In abgelegenen Gegenden Zentralasiens ernährten wir uns teilweise wochenlang nur von Reis mit Ketchup und Kondensmilch, weil es keine anderen Optionen gab. Dazu kamen Krankheit, Heimweh oder auch mal Streit. In fremden Ländern ist man oft völlig auf sich gestellt, ständig in Bewegung, und es passiert jeden Tag so viel. Ich glaube, viele dieser Eindrücke kann man während der Reise gar nicht sofort vollständig verarbeiten.


Pamir Highway in Tadschikistan

Gab es Momente, in denen Dein medizinisches Wissen unterwegs hilfreich war?
Unterwegs hatten wir hauptsächlich mit Lebensmittelvergiftungen, Erkältungen und kleineren Wunden zu kämpfen, insgesamt hatten wir also schon Glück. Gegen Ende der Reise, in Thailand, ist jedoch etwas passiert: Wir waren campen und saßen nachts draußen, als Jonas plötzlich etwas in den Finger stach. Wir konnten nicht sehen, was es war, aber man sah zwei Einstichstellen am Zeigefinger, der Finger schwoll an, und der Schmerz zog bis in den Oberarm. Da mussten wir schnell handeln. Jonas sollte sich möglichst wenig bewegen, aber wir mussten trotzdem zur Hauptstraße und haben jemanden angehalten, der für uns einen Krankenwagen gerufen hat. Der Krankenwagen brachte uns in eine Klinik, wo Jonas eine Nacht überwacht wurde. Letztlich war es nicht so schlimm – wahrscheinlich war es ein Biss einer Spinne oder eines Skorpions. Ich hatte jedoch zwischenzeitlich Angst, dass es ein Schlangenbiss war und Jonas einen toxischen Schock bekommen könnte. In diesem Bereich der Medizin bin ich als angehende Unfallchirurgin nicht sehr erfahren, aber in diesem Moment half es, dass ich ruhig blieb und wir schnell ins Krankenhaus kamen.


Der härteste Pass der Reise auf 4.800 Höhenmeter entlang der tibetischen Grenze

Wie habt ihr eure Reise finanziert?
Wir haben die Weltreise aus Ersparnissen finanziert. Dabei muss ich sagen, dass das Reisen mit dem Fahrrad sehr kostengünstig ist. Für die elfmonatige Reise, einschließlich Rückflug, habe ich knapp 10.000 Euro ausgegeben.


Aufwachen am tibetischen Hochplateau

Mit welchem Gefühl bist du nach Hause geflogen?Dieses Jahr war für mich eine besondere Erfahrung, und ich bin sehr dankbar für die Auszeit sowie die vielen Eindrücke und Erlebnisse. Dennoch habe ich mich auch darauf gefreut, zurückzukehren. Ich habe mein Umfeld vermisst und freue mich, meine Arbeit als Ärztin wieder aufzunehmen. Jonas ist hingegen nicht mit mir zurückgeflogen – die Reise hat ihm so viel Spaß gemacht, dass er vorerst unbegrenzt weiterreist, während ich nächste Woche wieder im Klinikum Traunstein arbeite. Das ist natürlich ein wenig schade, aber ich denke, wir beide brauchen jetzt erst einmal Zeit, um all unsere Eindrücke zu verarbeiten und einzuordnen.


Zeltplatz im Iran (Schutz vor Wind und Sonne)

Hat sich deine Sicht auf den Alltag oder deine Arbeit als Ärztin durch die Reise verändert?
Meine Sicht auf den Alltag und auf meine Arbeit als Ärztin hat sich eher wenig verändert. Ich bin sehr dankbar dafür, dass ich das Jahr als reine Auszeit und nicht als Ausstieg aus dem Job sehen durfte. Nach der Weltreise habe ich mich auf meinen normalen Alltag und meine Arbeit gefreut. Der Beruf hat mir davor schon Spaß gemacht, und ich habe jetzt auch wieder Lust auf meine Arbeit.


Grenzübergang nach China

Welche Tipps würdest Du anderen geben, die eine ähnliche Reise planen?
Eine Auszeit lohnt sich auf jeden Fall, bringt aber auch Herausforderungen mit sich. Ein Tipp für andere Radreisende, die eine ähnliche Reise machen möchten: Man kann sich einen groben Plan für die Reise machen, sollte aber nicht zu starr daran festhalten, da man sich sonst das Leben unnötig schwer machen kann. Wir hatten zum Beispiel organisatorische Schwierigkeiten bei der Beantragung eines Visums und mussten einen tausend Kilometer langen Umweg über Armenien fahren, der nicht geplant war. Man muss flexibel bleiben und sich auch kurzfristig an örtliche Gegebenheiten, wie zum Beispiel das Wetter, anpassen. Zudem sollte man ausreichend Pufferzeit einplanen.

Spendenprojekt: https://www.betterplace.org/de/projects/134133-biking4bali
Instagram: https://www.instagram.com/biking4bali/ 
 

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