• Interview
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  • Patricia
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  • 06.04.2020

Der chinesische Weg aus der Corona-Krise

Ständige Fieber-Kontrollen und strikte Heim-Quarantäne – in China herrschen strenge Regeln während der Corona-Pandemie. Patricia hat mit einem deutschen Expat gesprochen, der in China unter Quarantäne stand.

 

"stay home", "Wir bleiben zuhause" - mit diesen Hashtags wird zu Zeiten des Corona-Virus um Solidarität und Einhaltung der Corona-Schutzmaßnahmen geworben. Während die Zahl der Corona-Toten in den USA die Zahl derer in China überholt hat, ist China derzeit dabei, die Quarantäne-Regelungen zu lockern und ein normales Leben wieder Stück für Stück Realität werden zu lassen. Wie hat ein Land wie China diese Krise in allen Lebensbereichen innerhalb weniger Wochen bewerkstelligen können, leben dort doch doppelt so viele Menschen wie in Europa? Ein Expat, der seit mehreren Jahren mit seiner Familie in Peking wohnt hat die Quarantäne-Maßnahmen hautnah miterlebt.

 

>Wie kam es dazu, dass Sie ebenfalls in Quarantäne mussten?

Aufgrund meiner beruflichen Tätigkeit war ich, bevor China die Regeln zur Bewältigung des Corona-Virus am 19.03. für aus dem Ausland Einreisende verschärfte, im Ausland unterwegs. Jeder aus dem Ausland kommende Bewohner Chinas wurde erst einmal als potenziell Infizierter und Überträger des Corona-Virus behandelt, da die Regierung festgestellt hatte, dass kein Zuwachs an Corona-Infizierten von den Chinesen mehr ausging, sondern alle Corona-Fälle aus dem Ausland nach China gebracht worden sind. Diese Regelung sah vor, dass wir noch im Flugzeug ein Dokument ausfüllen mussten, auf dem uns verschiedene Fragen gestellt wurden. Schon am Flughafen wurde den Flugreisenden aus dem Ausland das erste Mal Fieber gemessen. Wir wurden dann unter Polizeibegleitung und in Schutzanzügen vermummten Personen zu einem Hotel gefahren, welches eigens für die Quarantäne umgerüstet wurde. Dort musste ich zwei Nächte verbringen, sofort nach Ankunft erhielten wir eine desinfizierende Chlordusche und einen Test auf das Corona-Virus, welcher am nächsten Tag wiederholt wurde. Regelmäßiges Fieber messen gehörte selbstverständlich auch dazu, ein eigenes Fieberthermometer wurde gestellt. Das Essen wurde jedem einzelnen in dieser Zeit vor die Tür gestellt - das Hotelzimmer durfte keiner verlassen. Das Hotel wurde kameraüberwacht. Schnell kam das Gefühl auf, hochinfektiös zu sein, so als käme man von einem anderen Stern. Es wirkte sehr übertrieben, wurde die neue Regelung doch sehr hart umgesetzt.

>Wie ging es dann weiter?

Mein Corona-Test war glücklicherweise negativ, sodass ich das Quarantäne-Hotel verlassen durfte - natürlich wieder unter Begleitung, diesmal vom "local neighbourhood committee" und zusätzlichem Polizeischutz. Auf dem Weg in meine Wohnung erfuhr ich dann von einem Polizisten mit Übersetzer, dass ich mich nun für 14 Tage in Quarantäne begeben müsse. Sollte ich Fieber oder sonstige Symptome bekommen, müsse ich mich umgehend melden. In meiner Wohnung durfte ich mich frei bewegen, zwei Mal am Tag bekam ich Besuch von einer Dame im Vollschutzanzug, die bei mir Fieber gemessen hatte. Zusätzlich musste ich mehrmals am Tag Fieber messen und ein Bild der Temperatur an eine besagte Stelle mit meinem aktuellen Standort schicken. Ebenso wurde an meine Wohnungstür ein Bewegungssensor angebracht, der überwachte, dass ich mich nicht aus meiner Wohnung unerlaubt entfernte.

>Wie sah die Versorgung in der häuslichen Quarantäne aus?

Wie in China allgemein üblich, bestelle ich meine Einkäufe über das Telefon und diese werden mir nach Hause geliefert. So wurden also nun die Wasser- und Essenslieferungen vor meine Wohnungstür gestellt. Für diese kurze Zeit durfte ich meine Wohnungstür aufmachen.

>Fanden die in Deutschland gefürchteten Hamsterkäufe auch in China statt?

Hamsterkäufe fanden hier nicht statt, die meisten Menschen bestellen sowieso über das Telefon/Internet. Die ärmere Bevölkerung hat nicht das Geld, um Hamsterkäufe zu tätigen. Eine Ausnahme muss ich jedoch an dieser stelle erwähnen - das Hamstern beim Mundschutzkauf. Dem ganzen wurde aber einen Riegel vorgeschoben, in dem der Verkauf reguliert und Wucherpreise unter Strafe gestellt wurden.

>Wie würde das vorgehen bei eingetretenem Fieber aussehen?

Für diesen Fall gibt es eigens dafür eingerichtete Corona-Krankenhäuser. Bei Fieber kommt jemand aus der „local neighbourhood committee" , welche nach Stadtbezirken eingeteilt ist und begleitet einen zum Krankenhaus. Dort begibt sich der Patient dann in Quarantäne und Behandlung.

>Welche Schutzmaßnahmen hat die chinesische Regierung im Kampf gegen Corona angeordnet?

Eine zeitlang war das Tragen eines Mundschutzes verpflichtend, wenn man auf andere Menschen traf. Mundschutz ist in China sowieso nichts Außergewöhnliches, es gehörte und gehört weiterhin zum normalen Stadtbild dazu. Die Hälfte der Bevölkerung läuft ständig mit Mundschutz wegen der Luftverschmutzung herum.

>Wie hat man es Ihrer Ansicht nach geschafft, dass sich die Bevölkerung so strikt an die Regeln hält?

China hat eine ganz andere Kultur als Deutschland. Jeder möchte sein Gesicht wahren, daher wäre es undenkbar, sich nicht an die Regeln und Gesetze zu halten. Zudem wird in China vieles überwacht, was in Deutschland undenkbar wäre. Die Bevölkerung hält sich an Regeln und hinterfragt diese nicht. Mir ist während meiner 14-tägigen Quarantäne ganz oft der Satz der Mitarbeiter im Vollschutzanzug begegnet "We have to follow the rules".

>Was kann Deutschland deiner Ansicht nach von China lernen und was sollte lieber nicht umgesetzt werden?

Wir hätten die Chance gehabt, uns von China das Positive im Kampf gegen das Corona­Virus abzuschauen und aus deren Fehlern zu lernen. China hat die Pandemie circa vier bis sechs Wochen vor Deutschland durchgemacht - meiner Ansicht nach hat Deutschland versäumt, genauer hinzuschauen und erste wichtige Schritte schneller einzuleiten. Während in China eine Massenquarantäne verhängt wurde, wurden in Deutschland Corona-Parties gefeiert und somit fahrlässig damit umgegangen.
Für die Zeit nach der Corona-Pandemie sollten wir nicht zur Tagesordnung übergehen, sondern überlegen und planen, was beim nächsten Mal zu tun wäre. Wie bereiten wir uns auf eine ernste Katastrophe vor, die auch junge Menschen dahin rafft?! Die Chinesen hatten aus der SARS-Katastrophe gelernt, die ersten Entscheidungen waren zu langsam getroffen und umgesetzt, dann jedoch ging es Schlag auf Schlag. Meiner Meinung nach haben die Chinesen aus ihren damaligen Fehlern gelernt.

 

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