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  • Katharina Ruderich
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  • 18.01.2023

Ein Essay über Zweifel

Katharina hat die Weihnachtsferien genossen und nicht viel für die Uni gemacht. Nun hat sie ein schlechtes Gewissen. Zu recht?

 

 

Es ist die Uniwoche nach Weihnachten. Nach der ersten Biochemie-Klausur vor den Ferien hatte ich beschlossen, das Lernpensum für die folgenden zwei Wochen auf einem recht niedrigen Level zu halten, schließlich hatte ich bereits vorher ganz gut mitgelernt. Jetzt sitze ich hier in der Bib, am Dienstag bin ich wieder nach Leipzig gekommen, heute ist Freitag. Meine Freunde haben schon alle verpassten Vorlesungen (wegen Biochemie sind die, insbesondere Physiologie, gekonnt ignoriert worden) nachgesehen, überhaupt scheinen die viel mehr Ahnung zu haben als ich. Neuroanatomie ist kein Problem, in PsychSoz reicht es doch bestimmt, die Altfragen zu kreuzen und in Physiologie kommen sie mit Grafiken um die Ecke, die ich noch nie gesehen habe.

Sofort setzt das schlechte Gewissen ein. Ich habe die verpassten Vorlesungen immer noch nicht angesehen, stattdessen den Stoff auf via medici nachgelesen (gelesen, nicht gelernt), Neuroanatomie will nicht so ganz in meinen Kopf rein und Biochemie? Da hatte ich nun wirklich keine Lust drauf.

Das schlechte Gewissen über meine „Faulheit“ in den Ferien wandelt sich sofort in Selbstzweifel um. Schaffe ich das alles noch nachzuholen? Hat mein Gehirn genug Kapazität? Was halten die anderen von mir, wenn ich die Vorlesungen sein lasse und direkt in den aktiven Lernmodus gehe? Aber was, wenn in den Vorlesungen Details erwähnt werden, die in der Klausur gefragt werden?

Solche Situationen kommen im Leben eines Studierenden bestimmt öfters vor. Die Kunst, sich nicht mit anderen zu vergleichen, sondern seinen eigenen Weg zu gehen, will schließlich gelernt sein. Lustigerweise kommt das bei den anderen immer so leicht rüber. Bei den anderen. Wieso vergleiche ich mich denn mit den anderen? Ich weiß ja nicht mal im Detail über deren Leben Bescheid. Wenn ich sie sehe, dann in der Uni zum Lernen. Klar, dass sie da total fleißig rüberkommen – aber ich lerne da ja auch. Nur halt anders. Ist das falsch? Mein Gehirn sagt mir nein, denn jeder lernt anders. Aber wenn mir dann eine Frage gestellt wird, die ich nicht beantworten kann, kommen wieder diese Zweifel auf. Und spätestens, wenn diese Freunde dann ein oder zwei Punkte mehr in besagter Biochemieklausur haben als ich, werden diese Zweifel noch bestärkt.

Was macht man in so einer Situation? Ignorieren kann ich diese Gedanken nicht, aber wie gesagt: Die Kunst, sich nicht mit anderen zu vergleichen, will gelernt sein. Was die anderen so machen, weiß ich nicht. Ich kann es auch nicht beeinflussen. Was ich beeinflussen kann, ist mein Leben. Ich kann aber auch nur mein Bestes geben – und auch, wenn ich das manchmal (oft) selbst nicht glaube: das ist gut genug. Ich bin ja bisher ganz gut durchs Leben gekommen, oder?

Klar, es gibt schlauere, bessere Studierende als mich – aber solche wird man immer finden, wenn man nur fest genug sucht. Das bedeutet nicht, dass meine Leistung weniger wert ist. Bisher bin ich ja durch die Klausuren gekommen, und das ist ja das wichtigste. Niemand wird später mehr fragen, wie viele Punkte ich denn damals im 3. Semester in der Neuro-Klausur hatte. Und das ist ja auch nicht das, was meinen Wert ausmacht. Ich bin nicht weniger Wert, nur weil ich über Weihnachten vielleicht weniger Uni gemacht habe als die anderen, oder weil ich nicht volle Punktzahl in einer Klausur abgeräumt habe, oder weil ich eine Frage im Seminar nicht beantworten konnte.

Das schlimmste an diesen Gedanken ist wahrscheinlich, dass das nur in meinem Kopf ist, niemand hat je so etwas zu mir gesagt. Und ich weiß ja, wie irre das klingt, wie unnötig dieser zusätzliche Stress ist. Aber diese Gedanken abschalten? Daran muss ich wohl noch arbeite. Ich hab ja noch 5 Jahre Studium Zeit dafür.

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