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  • Thomas Krimmer
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  • 18.03.2019

Soll es überhaupt sein, dass ich Ärztin werde? Ich will Ärztin werden, doch was passiert, wenn ich es nicht schaffe. Wenn ich die Prüfung niemals schaffe. Vielleicht sollte ich mir eine Alternative überlegen.


Wieder mache ich mich auf zur Klausureinsicht. Zwei Punkte fehlen auf eine positive Note. Zwei Punkte. Mir wird übel vor lauter Frustration. Keine Chance noch einen Punkt zu bekommen. Die Prüfer sind höflich, aber keiner von ihnen ist bereit einen weiteren Punkt zu vergeben. Auch wenn es aus meiner Sicht eine nicht ganz faire Beurteilung ist, kann ich nichts mehr daran ändern. Zwei Antritte habe ich noch, bevor ich mit dem Medizinstudium aufhören muss.

Ich werde mich einmal bei meinen Kommilitoninnen umhören. Es muss doch jemanden geben, der schon in meiner Situation war. Außerdem habe ich von der Möglichkeit auf einen vorgezogenen kommissionellen Antritt gehört und will mich dazu genauer informieren.


Schaffe ich eine kommissionelle Prüfung? Ich werde nur bei dem Gedanken daran bereits nervös. Wie soll ich den gelernten Stoff mündlich vortragen? Wie viel mehr kann ins Detail gefragt werden? Fragen über Fragen. Zum Glück sind meine Kommilitoninnen äußerst hilfsbereit. Vier Studentinnen erklären sich bereit, mir von ihren Erfahrungen zu berichten. Sie erklären mir den Ablauf der Prüfung und die notwendigen Schritte, die zuvor getan werden müssen. Zuerst muss ich den Antrag mit meinen drei Wunschprüfern beim Studienrektor abgeben und auf seine Genehmigung warten. Dann darf ich Termine mit meinen Prüfern ausmachen, um mit ihnen einen Termin für meine kommissionelle Prüfung zu finden. Außerdem kann ich bei der Gelegenheit noch offene Fragen zu ihren Unterthemen sowie prüfungsbezogene Fragen stellen. Klingt doch sehr leicht, oder? Durch den Bürokratiedschungel gezwungen, mache ich mich zu den ersten Terminen mit zwei meiner Prüfer auf. Einer meiner Prüfer, ein sehr gelassener Mann, hat mich und einen weiteren Prüfling zu sich ins Büro geladen. Er klärt uns über den Ablauf der Prüfung auf und bietet uns die Möglichkeit, bei einer Prüfung in der darauffolgenden Woche zuzuhören. Er gibt uns Informationen über den Prüfungsstoff und teilt uns mit, welche Themen er nur oberflächlich behandelt haben möchte. Dies mindert den Stoffumfang nicht, aber ist dennoch hilfreich. Nach einem überaus freundlichen stressfreien Gespräch verlasse ich mit Mut und gutem Willen sein Büro.

Auf geht’s zur nächsten Prüferin. Die Dame kenne ich bereits von der Einsicht und sie hat mir schon damals angeboten, bei der Vorbereitung einer kommissionellen Prüfung für mich da zu sein, mir die Themen nochmals zu erklären und mit mir eine Probeprüfung durchzuspielen. Sie ist sehr verständnisvoll, hat mir angeboten, meine Prüferin zu sein und will sich bis zu meiner Prüfung regelmäßig mit mir treffen. Heute besprechen wir einige fachliche Fragen durch. Sie erklärt mir ihre wichtigsten Aspekte und wir finden einen passenden Termin für die Prüfung.


Den Termin mit der dritten Prüferin habe ich erst in 2 Wochen. Da sie mich leider bis dahin zwei Mal versetzt hat. In der Zwischenzeit besuche ich eine Prüfung. Ich darf zuhören. Ich selbst gehe gedanklich alle Antworten durch, notiere mir was gesagt wurde und versuche meine innere Anspannung dadurch ein wenig zu drosseln. Die Prüfung verlief gut, der Prüfling hat bestanden. Hoffentlich wird es mir genauso ergehen.


Den Termin mit der dritten Prüferin habe ich gemeistert. Ich habe einen Prüfungstermin. Das Datum steht. Die Angst, nein, die Aufregung und Panik steigen. Immer wieder kommen Zweifel auf. Was tun, wenn ich wieder versage? Welche Alternativen habe ich?


Gott sei Dank habe ich eine tolle Familie, die mich jeden Tag aufs neue aufbaut und für mich da ist, wenn ich wieder einmal verzweifle. Mein Freund der mich tagtäglich umarmt und mir sagt, dass es diesmal bestimmt klappt, ist eine wichtige Stütze für mich. Ich weiß nicht, was ich ohne ihn täte.


Der Prüfungstermin rückt näher. Die Angst steigt mir zu Kopf. Nervosität ist lange schon kein Fremdwort mehr. Obwohl ich bei einer Prüfung zugehört habe, kann ich am Vorabend meine Nerven kaum in Zaum halten. Ich habe Angst. Angst zu scheitern. Wiederum bin ich froh, dass mein Freund den Weg zur Prüfung mit mir bestreitet. Für mich auch am Vorabend da ist und während meiner Prüfung, vor dem Raum auf mich warten wird. Ohne ihn hätte ich meine Nervosität nicht in den Griff bekommen.


Heute ist es soweit. Ich stehe früh auf, bekomme mein Frühstücksbrötchen kaum runter. Fünf weitere Kommilitoninnen sind hier, um meine Prüfung anzuhören. Sie selbst stecken in der gleichen Lage und haben ihre Prüfungen in den nächsten Wochen. Alle motivieren mich, unterstützen mich und reden mir gut zu. Meine Nervosität ist enorm als die Prüfung beginnt. Ein angenehmes Gespräch. Ich beantworte die Fragen, komme immer wieder ein wenig ins Straucheln, doch die Prüfer helfen mir aus dem Treibsand in den ich gedanklich getreten bin wieder heraus. Sie unterstützen mich, helfen mir auf die Sprünge, wenn ich einmal nicht weiter weiß. Sie beruhigen mich immer wieder, geben mir Zeit zum Nachdenken, lassen mich meine Fehler wieder selbst berichtigen.
Die Prüfung war nicht leicht. Das Nervositätsbarometer stieg höher an als gewollt. Die Antworten waren immer wieder schwer aufzufinden in meinem Gehirnchaos. Alles in allem konnte ich ihnen die meisten Fragen mit ein wenig Hilfe gut beantworten. Sie schicken mich aus dem Raum, um über meine Note zu diskutieren.


Nach fünf Minuten, einer gefühlten Ewigkeit für mich, darf ich wieder hinein.
BESTANDEN. Ich breche in Tränen aus. Ich bin nicht in der Lage, die weiteren Worte der Prüfer aufzunehmen, stehe neben mir. Höre ihnen zu, aber nehme das gehörte nicht auf. Ich renne hinaus zu meinem Freund, der aufgrund des tränenverschmierten Make-Up's schon das Schlimmste befürchtet. Von weitem rufe ich ihm zu, dass ich es geschafft habe. Ein Stein fällt auch ihm vom Herzen. Schnell informiere ich meine Familie darüber. Auch meine Mutter bricht in Freudentränen aus. Heute wird gefeiert.

Gib niemals auf. Irgendwie gibt es immer ein Happy End, du musst nur fest daran glauben. Ein Semester länger zu benötigen ist kein Weltuntergang, ich musste dies auch erst lernen. Am wichtigsten ist, dass du an dich selbst glaubst und dir Hilfe holst, wenn du nicht mehr kannst. Egal ob bei Familie oder bei jemand Professionellem, Hauptsache es hilft dir. Sprich über deine Ängste. Niemand ist perfekt, wir müssen lernen uns das einzugestehen. Wenn alle deine Kommilitoninnen die Prüfung bereits haben, mach dir nichts daraus. Wer weiß wofür es später gut sein wird, dass du einen bestimmten Stoff nochmals gefestigt hast. Wenn du also einmal an dem selben Punkt wie ich gelangt bist, denke immer daran: Du bist damit nicht alleine! Hol dir Tipps von Kollegen, die in der gleichen Situation sind oder waren. Und vergiss niemals: Nicht alles ist Schwarz oder Weiß, manchmal müssen wir auch die anderen Farben erkennen.

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