• Glosse
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  • Dr. Motz
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  • 19.08.2013

Dr. Motz und die wahren Notfälle

Als Dr. Motz Dienst in der Notaufnahme hat, kann er nicht fassen, welche Patienten er dort zu behandeln hat. Von einem Notfall kann bei den meisten keine Rede sein. Noch bevor er sich darüber richtig aufregen kann, wird er jedoch selbst zum Notfall.

Ein Notfall ist definiert als "eine Situation in der dringend Hilfe benötigt wird" (Duden, analog) oder "eine lebensbedrohliche Störung der Vitalparameter, in der ohne sofortige Hilfeleistung erhebliche gesundheitliche Schäden oder der Tod des Patienten zu befürchten sind" (Wikipedia, digital).

Nach Dr. Motz´ Auffassung sind die Räumlichkeiten einer Notaufnahme daher auch als Zimmer zu verstehen, in denen Notfälle behandelt werden. Was er nicht verstehen kann ist, dass manche Menschen seit Monaten bestehende Rückenschmerzen oder den chronisch eingewachsenen Zehennagel unter oben genannte Notfallkategorie fassen.

Ostdeutsche Notfälle

Schlimmer noch als Notfälle, die keine sind, findet Dr. Motz allerdings die im ostdeutsche Raum üblichen Beschilderungen der Notfallambulanz als "Rettungsstelle" oder "Erste Hilfe". Als sei halb Ostdeutschland lautsprachlich nicht sowieso schon eine akustische Katastrophe (Definition: "Eine länger andauernde und meist großräumige Schadenlage, die mit der normalerweise vorgehaltenen Gefahrenabwehr nicht angemessen bewältigt werden"), aber anscheinend auch schriftlich-propädeutisch! Gerettet wird in seinen Augen dort niemand. Heroische Akut-Thorakotomien und offene Reanimationen oder Notfall-Laparotomien mit händischer Abklemmung einer rupturierten Aorta, finden nur in Emergency Rooms amerikanischer Arztserien statt. Sein tägliches, oder häufiger nächtliches Brot im Sommer, ist die Rettung der Menschheit vor Zeckenbissen! Ach, und wenn Dr. Motz schon mal dabei ist, möchte er sämtlichen deutschen Nachrichtensprechern nahe legen, in Zukunft nicht von der Bergung von Verletzten zu sprechen. Denn "geborgen" werden nur tote - Körper oder Gegenstände.

Interessierte Laien am Werk

Jedes Mal wenn Dr. Motz das Hinweisschild "Erste Hilfe" im Krankenhaus erblickt, fragt er sich, wozu er überhaupt studiert hat. "Erste Hilfe" wird von Laien geleistet, oder? Das macht ja gleich einen guten Eindruck, wenn der Notfallpatient - so er denn einer ist, s.o. - auf seiner Trage an so einem Schild vorbei geschoben wird. Oder soll das schon mal des Patienten hochgesteckte Erwartungen auf eine Wunderheilung angesichts des heutigen Reparatur- und Ersatzteillagermentalität des menschlichen Körpers stutzen?

Wahre Notfälle

Die wirklichen Notfälle im Krankenhaus, spielen sich ganz woanders ab. Nämlich im OP!Dr. Motz redet hier beispielsweise von akut drohenden Blasenrupturen bei 8-Stunden Operationen, orthostatischen Reaktionen bei stundenlanger isometrischer Halteassistenz und stressbedingten Magenulzerationen mit drohender Perforation bei chefärztlichen, schuldzuweisenden Wutausbrüchen.Ganz besonders aber möchte Dr. Motz angesichts der gerade zu Ende gehenden Hitzeperiode im Rahmen der globalen Klimaerwärmung auf das akute Exsikkose bedingte Operateurs-Delir hinweisen!

Durst macht dumm

 

Während einer nächtlichen OP bei abgeschalteter Klimaanlage (verwalterische Sparmaßnahme zur Rettung des Gesundheitssystems), bepackt mit einer Rundum-Röntgenschürze inklusive Schilddrüsenschutz (Eigenmaßnahme zur Rettung der Fortpflanzungsfähigkeit) und massiven Angstschweiß ausstoßend angesichts des unübersichtlichen Knochenpuzzle vor ihm, verlor Dr. Motz ungefähr ein Drittel seines Körperwassers. Und da Durst dumm macht und Dr. Motz den Knochen vor lauter Splittern nicht mehr sah - musste ihm als Notfallmaßnahme per unter dem Mundschutz oral eingeführter Magensonde als Strohhalm Wasser zugeführt werden. Ein Glas, noch ein Glas, eine ganze Flasche! Dr. Motz erhielt seine Konzentrationsfähigkeit zurück und der Patient seinen Oberarm!

 

Rettet das Arbeitszeitgesetz!

Ein Notfall ist es auch, wenn Dr. Motz sich aufgrund seiner Müdigkeit kaum noch auf den Beinen halten kann. Dies allerdings ist dann doch wieder kein echter Notfall, da nicht akut, sondern eine chronische Kondition - sprich eine Krankheit. Neulich hat er wieder eine Nacht nahezu durchoperiert, zwei Stunden unruhig geschlafen, um sich dann von seinem konservativen Chef vorhalten lassen zu müssen, "früher habe es auch 36 Stunden Schichten gegeben und sie hätten ihm nicht geschadet!". Nun steht Dr. Motz mit ständig zufallenden Augenliedern schwankend neben einer Jungassistentin und beaufsichtigt die Exstirpation eines Lipoms. Naja, ist ja kein Notfall, so ein Fettboppel… Aber gibt es vielleicht eine Notfallnummer zur Rettung des Arbeitszeitgesetzes?

 

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