- Glosse
- |
- T.B.
- |
- 27.01.2014
Sport ist Mord
Beim Thema Sport übermannen auch den härtesten Kerl die Emotionen. Nichts ist schlimmer, als wegen einer Verletzung einige Wochen außer Gefecht gesetzt zu sein. Wie kann man ihn trösten?
Foto: istockphoto
Es soll ja Ärzte geben, die interessieren sich nur für Knochen. Vor allem, wie man sie wieder zusammensetzt, wenn sie gebrochen sind. Mich hat dies nie so sehr gereizt. Vermutlich weil ich selbst schon schmerzhafte Erfahrungen mit meinen Knochen machen musste: In meiner Kindheit hatte ich mir einst das Schlüsselbein gebrochen hatte. Welche Seite weiß ich heute nicht mehr. Gut weiß ich aber noch, wie meine Eltern mich zu einem niedergelassenen Chirurgen mit Schwerpunkt Unfälle brachten, der mich konservativ behandelte. Trotz der Schmerzen, erinnere ich mich noch, wie er genau die richtigen tröstenden Worte für mich fand.
Viele Jahre später absolvierte ich bei eben jenem Chirurgen eine Famulatur. Dort lernte ich dann doch mehr, als nur Knochenbrüche zu reparieren. In der Praxis drehte sich viel um Sportbegeisterung. Stets betrat der Chirurg den Behandlungsraum mit überschwänglicher Begrüßung und fragte: „Was ist passiert?"
Die Patienten berichteten: „Beim Fußball ...“ „Beim Handball ...“ „Beim Joggen ...“ „Mein Pferd hat ...“ „Den Gegner hab ich nicht gesehen ..." – die Geschichten waren stets die gleichen. Der Chirurg blickte mich lächelnd an und sagte bei jeder erwähnten Sportart: „Ah, mein Lieblingssport ..."
Besonders am Montag war die Praxis immer voll, weil dann alle Sportler feststellen mussten, dass die Verletzung vom Wochenende doch schlimmer ist, als vermutet. Und dann folgte routiniert immer wieder das Gleiche. Der Arzt fragte: „Wo tut‘s weh?" Der Patient sagte: „Da wo es blau ist."
Der Arzt brachte mir damit eine der größten Weisheiten der Unfallchirurgie bei : Meistens tut es dort weh, wo es blau ist. Es folgte die klinische Untersuchung, sehr oft noch ein Röntgenbild. Natürlich sah ich anfangs nie einen Bruch, doch mit der Zeit klappte es dann doch. Ich lernte, dass man an den Knochenrändern gucken nach kleinen feinen Rissen gucken sollte. Letztlich war selten etwas gebrochen, meist nur geprellt. Dann folgte der Zinkleimverband und der Hinweis erst mal keinen Sport zu machen.
Dieser Hinweis brachte manch gestandenen Mann zum weinen. Einmal ließ ich mich dazu hinreißen zu trösten, man könne ja was anderes machen, mal ein schönes Buch lesen. Die Reaktion darauf war eisig. Als die Patienten die Praxis verließen war der Anblick oft gleich: Stolz humpelten sie aus den Flur entlang, die Unterarmgehstützen – früher Krücken genannt – wurden wie eine Tapferkeitsmedaille gehalten.
Seite dieser Famulatur ist meine Sportbegeisterung weiter gesunken. Ich mache nun nur noch ausgewählte Sportarten, bei denen man viel Schutzanzug zwischen sich und dem Gegner hat. Doch diese Maßnahme konnte mich leider nicht davor schützen, vor einigen Tagen selbst wieder auf der Liege meines Chirurgen zu sitzen. Die meisten Unfälle passieren ja bekanntlich zuhause …
Pressespiegel
27.09.2024 - ThiemeWachsende Gefahr durch resistente Keime
24.09.2024 - FAZ OnlineFalschdiagnose durch Ärzte trifft fast jeden im Leben
16.09.2024 - Scinexx.deAchtsamkeit gegen Schmerzen: Mehr als nur Placebo