- Interview
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- Ines Elsenhans
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- 20.08.2015
Warum hat man nach dem Schwimmen Hunger?
Kaum hat man das Schwimmbecken verlassen, grummelt der Magen und verlangt Nachschub. Warum ist das so? Wir fragten Dr. Andreas Hahn, Sprecher der Kommission Schwimmen der Deutschen Vereinigung für Sportwissenschaft.
Schwimmen macht hungrig. ©Bonsai/Fotolia.com
> Herr Dr. Hahn, warum hat man während des Sports kaum Hunger?
Extreme sportliche Belastung unterdrückt oft das Hungergefühl. Denn Verdauung würde bedeuten, Energieressourcen abzugreifen und der Körper konzentriert sich natürlich auf die sportliche Beanspruchung und vermeidet jede zusätzliche Belastung. So bleibt während der sportlichen Aktivität das Hungergefühl häufig aus und entsteht dann erst in der Erholungsphase.
> Nach dem Schwimmen ist man hungriger als z.B. nach dem Radfahren. Warum?
Dafür sind u.a. die folgenden drei Argumente verantwortlich:
1. Beim Schwimmen werden mehr Muskelgruppen beansprucht als bei anderen Sportarten.
Eine Stunde Schwimmen verbraucht circa 500 kcal. 1h Radfahren ebenso. Trotzdem hat man nach dem Schwimmen mehr Hunger, weil dabei sehr viele Muskelgruppen dynamisch beansprucht werden. Beim Radfahren z.B. werden überwiegend die Beinmuskeln beansprucht, der Oberkörper bleibt relativ entspannt.
2. Wärmeregulativ sind wir beim Schwimmen mehr gefordert und haben somit einen höheren Energieverbrauch.
Das hängt mit der Thermoneutralität zusammen. Dies bedeutet, dass der menschliche Körper die geringste Energie bei einer bestimmten Umgebungstemperatur aufbringen muss, um die Körperkerntemperatur stabil zu halten. Das wären bei Raumtemperatur ca. 21-23°C. Wenn die Temperatur nach oben oder unten schwankt, müssen wir thermoregulativ arbeiten. Im Wasser liegt der thermoneutrale Punkt erst bei 30-32°C. Häufig bewegen wir uns aber in kühlerem Wasser, also etwa 22-28°C. Daher müssen wir sehr viel Energie aufbringen, um unsere Körperkerntemperatur stabil zu halten. Hinzu kommt, dass Wasser ein sehr dichtes Medium ist und die Wärmeleitfähigkeit somit viel größer als an der Luft ist. Daher kühlen wir im Wasser schneller aus. Zusätzlich wird durch diese Störung des Wärmegleichgewichts der Stoffwechsel aktiviert.
3. Der hydrostatische Druck verändert viele physiologische Prozesse des Menschen und wirkt sich auch auf den Hormonhaushalt aus.
Der hydrostatische Druck im Wasser in einer Tiefe von 1,35 m beträgt etwa 100 mm Quecksilbersäule. Dieser Umgebungsdruck auf den Körper sorgt beispielsweise für eine Veränderung der Herzfrequenz sowie der Lungenvolumina und führt zu einer gesteigerten Aktivität der Nieren. Diese Aktivierung der verschiedenen Organsysteme ruft wiederum einen erhöhten Energiebedarf hervor. Zudem wirkt sich der hydrostatische Druck auf den Hormonhaushalt aus: So wird u. a. das für das „Hungergefühl“ verantwortliche Hormon Ghrelin vermehrt ausgeschüttet, der Gegenspieler Leptin weniger. Übrigens werden die sogenannten Glückshormone wie Endorphin und Serotonin auch vermehrt produziert.
> Hängt der hydrostatische Druck auch mit einem gesteigerten Harndrang zusammen?
Ja, über die Körperoberfläche nehmen wir osmotische Wasser auf. Ein Zeichen dafür sind z.B. die schrumpeligen Fingerkuppen. Das Fettgewebe z.B. in diesem Bereich nimmt Wasser auf und es entstehen „Dellen“. Auf diese osmotischen Prozesse baut übrigens die gesamte Wirkung von Heilbädern.
Durch die Wasseraufnahme wird die Nierentätigkeit aktiviert. Gleichzeitig wird das Herzvolumen größer und das ist gleichgeschaltet mit dem antidiuretischen Hormon, das in der Niere wiederum dafür sorgt, dass der Harndrang ausgelöst wird.
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