• Interview
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  • Ugai Omar
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  • 18.11.2022

Kinder brauchen uns e.V. – Humanitäre Hilfe für notleidende Kinder aus Kriegs- und Krisengebieten

Afghanistan – eines der ärmsten Länder der Welt, ein Land im Kampf gegen Hunger und Elend. Rund 39 Millionen Menschen leben in Afghanistan, 41% Prozent davon sind laut dem United Nations Population Fund zwischen 0 und 14 Jahre alt. Jedes zweite Kind ist auf humanitäre Nothilfe angewiesen – mit steigender Tendenz. Doch an medizinischer Versorgung mangelt es landesweit. Der Verein „Kinder brauchen uns e.V.“ (KBU) aus Hamburg möchte helfen und ermöglicht schwer kranken und verletzten Kindern aus Afghanistan medizinische Versorgung in Deutschland.

Der Verein KBU leistet seit 2002 humanitäre Hilfe in Form von kostenloser medizinischer Versorgung für Kinder aus Afghanistan. Die Kinder werden für den Zeitraum der Behandlung nach Deutschland eingeflogen, hier in Kliniken „pro bono“ behandelt und von Gastfamilien versorgt. Das Konzept mag einfach klingen, erfordert aber viel Planung und Budgetierung vorab. Ich habe mit Markus Dewender, Vorstand des Vereins über ihre Projekte gesprochen.

 

Foto: Markus Dewender bei einem Hilfseinsatz in Kabul

 

Wie kam es zur Gründung es Vereins KBU „Kinder brauchen uns e.V.“?
Anlass für die Idee und Umsetzung des Vereins waren die Anschläge von 9/11 und die damit einhergehende Flüchtlingswelle und Lage in Afghanistan zu dem Zeitpunkt. Wir haben uns überlegt, wie wir helfen können und hatten erst die Idee, einen Erholungsaufenthalt – wie es damals den Kindern nach Tchernobyl angeboten wurde – zu planen. Doch aus dieser Idee entwickelte sich schnell das derzeitige Konzept, die Kinder in Deutschland zu behandeln, um so auch auf lange Sicht das Leben der Kinder zu verbessern.
 

Wie kommt das Geld für die Behandlungen der Kinder zusammen?
Tatsächlich sind wir eine rein private und ehrenamtliche Hilfsorganisation, die auf Spenden angewiesen ist. Es sind Privatpersonen aber auch Stiftungen und Firmen, die uns seit Jahren unterstützen.
 

Wie wird das Projekt aus deutscher Sicht gefördert?
In Deutschland wird das Projekt nicht gefördert, sondern nur geduldet. Man verpflichtet sich dem deutschen Staat gegenüber, dass durch den Aufenthalt der Kinder keine Kosten für Deutschland anfallen und dass die Kinder in Deutschland nur so lange bleiben, wie ihre Behandlung dauert. Deshalb dürfen die Kinder auch ihre Eltern nicht mitbringen, da die ja theoretisch den Anspruch auf Asyl hätten und damit in Deutschland bleiben könnten.
Die Kinder bekommen – nachdem die Klinik und die Gastfamilie feststehen – ein dreimonatiges Visum ausgestellt, das in der Regel aber auf sechs Monate verlängert wird, weil die Behandlung innerhalb von drei Monaten bei den wenigsten Kindern abgeschlossen ist.
Man muss dazu noch erwähnen, dass die Kinder hier in Deutschland auch keine Versicherung haben und die Gastfamilien entsprechend keinen Anspruch auf Pflegegeld oder derartiges haben.
 

Und aus afghanischer Sicht?
In Afghanistan sind wir als Internationale NGO registriert und haben einen entsprechenden Vertrag mit dem afghanischen Gesundheitsministerium.
 

Bei einem Land wie Afghanistan mit vielen schwer kranken Kindern - wie suchen Sie die Kinder aus?
Dort haben wir einen Arzt, Herrn Dr. Said Sharif Husseini, mit dem wir in direktem Kontakt stehen und der zum Hospitieren auch mal in Deutschland war. Er stellt uns die Kinder im Indira Gandhi Kinderkrankenhaus in Kabul vor und versucht natürlich darauf zu achten, dass die Familien nicht vermögend sind und sich demnach keine Behandlung in Indien oder Pakistan leisten können. Und dann wägen wir ab, welche Kindern „am ehesten“ nach Deutschland müssen und organisieren den Aufenthalt.
 

Haben Sie dann immer afghanische Gastfamilien – allein wegen der Sprache?
Tatsächlich haben wir häufig türkischstämmige Gastfamilien, die sich oft untereinander kennen und gerne bereit sind, die Kinder aufzunehmen. Die Kinder können natürlich kein Deutsch, wenn sie hierherkommen, aber Kinder lernen unheimlich schnell. Am Anfang haben wir noch Dolmetscher und die Kinder verständigen sich noch viel mit Handzeichen. Aber es dauert nicht lange, bis die Kinder fast akzentfrei Deutsch sprechen.
 

Welche Erkrankungen werden am häufigsten behandelt?
Etwa die Hälfte der Kinder leidet an einer Osteitis – also einer Entzündung des Knochens. Eine weitere große Gruppe sind Kinder mit einer Lippen-Kiefer-Gaumen Spalte, bei denen in Afghanistan operativ nur die Lippe korrigiert wird und in Deutschland fortführende Operationen durchgeführt müssen. Auch Kinder mit zyanotischen Herzfehlern sehen wir öfter, mit einer Tendenz nach oben. Verbrennung sind auch keine Seltenheit, da in Afghanistan auf dem Gasbrenner geheizt und gekocht wird. Weitere unfallchirurgische Verletzungen, die mit dem starken Autoverkehr zusammenhängen, kommen auch vor. Natürlich gibt es auch gelegentlich andere Krankheitsbilder, aber das fasst die am häufigsten vorkommenden Erkrankungen gut zusammen.

 

Ein Kind aus Kabul postoperativ vor dem St. Josef Krankenhaus GmbH Moers Foto: Markus Dewender

 

Im August 2021 kam es in Afghanistan zu einem Machtwechsel. Hat dies ihr Projekt beeinflusst?
Es gibt aktuell in vielerlei Hinsicht Verzögerungen. Zum einen werden momentan verzögert Pässe gedruckt, die die Kinder zur Ausreise natürlich brauchen. Zum anderen gibt es aktuell wenige Möglichkeiten, wie üblich mit Emirates oder Turkish Airlines nach Kabul zu fliegen und wenn, dann zu stark angestiegenen Preisen. Auch fällt auf, dass es sich in Deutschland schwieriger gestaltet, neue Klinikplätze für die Kinder zu finden und grundsätzlich eine zurückgehende Spendenbereitschaft festgestellt wird. Trotz der Hindernisse führen wir das Projekt fort und sind im November wieder vor Ort.
 

Was ist anders seit dem Machtwechsel?
Das größte Problem ist, dass die medizinische Infrastruktur und die Verwaltung in Kabul nach und nach kaputt gehen. Ein angesehener Herzchirurg, mit dem wir zusammengearbeitet haben und auch ein Unfallchirurg, der die postoperative Metallentfernung vor Ort für uns übernommen hat, haben beide das Land verlassen. Diese Ärzte haben den Kindern einen weiteren Aufenthalt in Deutschland erspart und damit auch eine gute und fundierte postoperative Versorgung garantiert. Neben dem Personal fehlt es auch an Hygiene- und Verbrauchsmaterial, da viele Lieferketten im Land zusammengebrochen sind. Zusätzlich steigt die Anzahl an Kindern, die uns im Indira Gandhi Kinderkrankenhaus in Kabul vorgestellt werden. Bei unserem letzten Aufenthalt dieses Jahr hat uns Dr. Said Sharif Husseini anstatt von den üblichen 50 Kindern, dieses Mal 200 Kinder vorgestellt. Daher planen wir ab jetzt zweigleisig voranzugehen und einigen Kindern Behandlungsplätze im Iran anzubieten, was aber nicht bei allen Krankheitsbildern funktioniert.
 

Wie kann man den Verein unterstützen?
Wir freuen uns um jede Art der Unterstützung, seien es Spenden oder das Teilen unseres Accounts auf den sozialen Medien. Besonders freuen wir uns um jede Klinik, die die Kinder behandeln möchte und auch um jede Gastfamilie, die ein Kind während der Behandlung aufnehmen möchte.
Weitere Informationen und Kontaktdaten sind auf unserer Website https://www.kinder-brauchen-uns.net/ hinterlegt und wir sind um jede Kontaktaufnahme erfreut.

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