• Interview
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  • Christiane Absenger
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  • 22.04.2009

Famulatur Gynäkologie in Kairo, Ägypten

Eine Famulatur in Ägypten: Davon hat Nicole Filippitsch schon lange geträumt; nicht zuletzt, weil es ihr Traum ist, später in der Entwicklungshilfe zu arbeiten. Christiane hat sich mit Nicole unterhalten und erfahren, warum dieser die Arbeit in einem Dritte-Welt-Land nun nicht mehr wirklich romantisch erscheint.

Foto: Nicole Filippitsch

Nicole und Franz; Alle Fotos von Nicole Filippitsch

> Nicole, warum hast du dich für Ägypten entschieden?

Eigentlich träumte ich schon immer davon in Afrika zu famulieren. Aber warum gerade Ägypten: Für Ägypten bietet die Uni ein spezielles Programm an, das mit einem Stipendium gefördert wird. Da ich mein Studium selbst finanzieren muss, wollte ich auf das Stipendium nicht verzichten.

Natürlich wollte ich außerdem die arabische Kultur kennen lernen, nicht zuletzt, weil europäische Ärzte immer mehr mit arabischen Patienten und Kollegen zusammentreffen. Ich wollte ihre Kultur und ihren Glauben einfach besser verstehen lernen.

> Wann musstest du dich bewerben und wie hoch war das Stipendium?

Mitte Jänner habe ich mich beim "Internationalen und Postgradualen Zentrum" angemeldet. Es gibt jedes Jahr eine Ausschreibung mit einer bestimmten Anzahl von Plätzen für jedes Land. Für Ägypten gab es zu der Zeit fünf Plätze. Es gab insgesamt fünf Bewerber, also haben alle, die dieses Jahr dort famulieren wollten, einen Platz bekommen. Für die Anmeldung mussten wir einen Lebenslauf und einen Motivationsbrief auf Englisch abgeben. Die Förderungssumme betrug in meinem Fall 450 Euro.

> Wie lange warst du in Kairo?

Ich verbrachte vier Wochen in Kairo, wobei wir drei Wochen lang jeweils fünf Tage famulierten und darauf folgend eine Woche Urlaub gemacht haben. Die Uni gibt vor, dass jeder Student 80% famulieren muss.

> Wie hast du dich auf die Famulatur in Ägypten vorbereitet?

Meine Vorbereitung bestand darin, dass ich mir einen Reiseführer gekauft habe. Außerdem besuchte ich einen Medical-English-Kurs an unserer Uni. An der Uni in Kairo wird in Englisch gelehrt und die Ärzte sprechen dementsprechend perfekt Englisch. Wenn man den Englisch-Kurs absolviert, wird man übrigens bei der Vergabe der Plätze bevorzugt.

Aber eigentlich bin ich mit meiner Abreise ins kalte Wasser gesprungen.

> Wo hast du gewohnt?

Ich habe in einem Youth Hostel gewohnt, zehn Minuten vom Krankenhaus entfernt. Als wir dort ankamen, haben wir einen ganzen Nachmittag lang unser Zimmer geputzt, weil es so dreckig war. Wir teilten uns zu dritt ein Zimmer, dass ohnehin sehr klein war. Das war schon eine extreme Erfahrung. Immerhin hatten wir ein eigenes Bad und eine Toilette.

> Wie teuer war das Zimmer in Kairo?

Wir mussten für die Unterkunft nicht bezahlen. Wohnen und Essen konnten wir gratis. Das wurde von einer ägyptischen Organisation der EAIMS bezahlt. Die ersten zwei Wochen konnten wir in der Kantine essen. In der letzten Woche, in der die Kantine wegen des Ramadans geschlossen war, erhielten wir Geld, um uns selbst zu verpflegen.

Foto: Nicole Filippitsch

Markt in Kairo

> Gibt es in Kairo viele Krankenhäuser?

Es gibt einige Krankenhäuser, ein paar private und mehrere öffentliche. Wir famulierten im Kasr Elaini, das heißt übersetzt "Palast der Gesundheit". Es handelt sich dabei um ein großes Universitätskrankenhaus. Hier arbeiteten wir jeden Tag meist von neun bis zwei Uhr.

> Auf welcher Station hast du famuliert?

Ich habe auf der Gynäkologie famuliert. Einmal schaute ich auch bei einer Herzoperation zu. Ein anderes Mal konnten wir in einer privaten Klinik bei einer In-vitro Fertilisation dabei sein. Das fand ich sehr befremdlich, weil auf der einen Seite sah ich im öffentlichen Krankenhaus die Mütter, die schon das sechste Kind bekamen und dieses vielleicht gar nicht mehr finanzieren können. Und in der privaten Klinik erlebte ich dann die reichen Frauen, die sich künstlich befruchten lassen.

> Wie war die Atmosphäre im Krankenhaus?

Wir arbeiteten in einem öffentlichen Krankenhaus, das für alle Schichten zugänglich war. Die reichen Ägypter suchen eher eine Privatklinik auf. Das Kasr Elaini ist eher das Krankenhaus der Armen. Auf der Gynäkologie gab es sehr veraltete Einrichtungen und Instrumentarien, hygienisch gesehen herrschten katastrophale Bedingungen. Ich sah sogar einmal, wie sich bei einer Sectio eine Fliege auf den Uterus einer Frau gesetzt hat. Es geht zu wie auf dem Flohmarkt, ganz anders als bei uns.

Auf der Herzchirurgie hat es aber ausgesehen wie bei uns. Auch die Hygienemaßnahmen wirkten dort so wie in Österreich.

Im Krankenhaus wurde gerade sehr viel umgebaut. Manche Stationen, die bereits umgebaut waren, wirkten total modern und andere eben total veraltet - wie zum Beispiel die Gynäkologie.

Foto: Nicole Filippitsch

Die Sphinx

> Was hast du genau auf der Station gemacht?

Ich habe viel bei den täglichen Arbeiten zugesehen. Die Schwestern nehmen in Ägypten das Blut ab, diese Aufgabe entfiel also. Zu unseren Tätigkeiten gehörte hingegen Blutdruck und Puls messen, die Patientinnen abhören und Ähnliches.

> Warst du bei Geburten dabei?

Ja, alle fünfzehn Minuten kannst du mit einer Geburt rechnen. Es kommen also Geburten am laufenden Band. Wenn ein Medizinstudent viele Geburten sehen will, sollte er unbedingt in Ägypten famulieren. Studenten dürfen auch selbst Geburten leiten, wenn sie sich dazu in der Lage fühlen. Meine Freundin Sabine hat zum Beispiel eine Plazenta geboren.

> Geht es bei den Geburten anders zu als bei uns?

Ja, es ist viel viel lauter. Die Frauen schreien vor Schmerzen und das Personal schreit die Frauen an. Die Frauen wurden behandelt wie Gebärmaschinen. Die Männer dürfen sie bei der Geburt nicht begleiten. Die Gebärenden liegen im Kreißsaal auf seltsamen braunen Gebärsesseln, die erfreulicher Weise vor jeder neuen Patientin gereinigt werden.

> Was hattest du immer bei dir?

Stethoskop, Sonnenbrille und etwas zu trinken - außer während des Ramadans.

> Ihr durftet nichts trinken?

Wir durften schon, aber wir haben uns zurückgehalten, weil wir die Einheimischen nicht verletzen wollten oder ihnen das Gefühl geben, dass wir ihren Glauben nicht respektieren. Der Ramadan dauert dreißig Tage und da dürfen die Araber tagsüber weder essen noch trinken. Am Abend essen sie dafür sehr viel, trinken und feiern. Die Ägypter "feiern" den Ramadan so, wie bei uns Weihnachten begangen wird, nur dass der Ramadan eben einen Monat dauert. Sie schmücken Häuer und Straßen während des Ramadans mit Girlanden und Ramadanlaternen.

> Halten sich viele Menschen in Kairo an diese Bräuche?

Ja, eigentlich halten sich viele daran. Die Christen natürlich nicht, nur die Muslime. Kinder, Schwangere und Kranke sind vom Fasten ausgenommen. Beim Ramadan geht es eigentlich darum, dass die Menschen spüren, wie es ist in Armut zu leben.

Foto: Nicole Filippitsch

In der Sahara

> Wie haben Euch die Kollegen im Krankenhaus behandelt?

Es verhielten sich alle sehr offen und sehr freundlich uns gegenüber. Viele Menschen wollten gleich mit uns Freundschaft schließen und Email-Adressen austauschen.

Die Ärzte beenden mit 24 Jahren ihr Studium, dann durchlaufen sie innerhalb von einem Jahr alle Fächer, das nennt sich house office. Nach diesem Jahr machen sie mit ihrer Fachausbildung weiter, die ungefähr drei Jahre dauert. Im Kasr Elaini dürfen nur die besten 150 von 3000 Medizinern bleiben und den Facharzt machen. Die Studenten verhalten sich dementsprechend alle sehr pflichtbewusst und sind sehr ehrgeizig. Das bekamen auch wir zu spüren, das spornte uns an.

> Gibt es in Ägypten eigentlich eine Krankenversicherung?

Nein, aber im Kasr Elaini wird man unentgeltlich behandelt, da das Krankenhaus vom Staat und auch durch Spenden finanziert wird.

> Wie haben dir Land und Leute gefallen?

So wie auch im Krankenhaus verhalten sich die Leute auf der Straße offen und freundlich, sie gehen auf Fremde zu. Als Frau sollte man sich in Bezug auf die Kleidung anpassen. Ich hatte keine Probleme, weil ich immer lange Hosen trug und normale T-Shirts. Eine andere österreichische Studentin trug Miniröcke, kurze Hosen und Tops und wurde gelegentlich betatscht. Und es kam auch immer wieder vor, dass uns Männer nachgerufen haben. Wir haben solche Zwischenfälle einfach ignoriert.

Foto: Nicole Filippitsch

Eine Moschee

> Wie hat Dir die Stadt Kairo gefallen?

Die Stadt ist teilweise sehr verfallen. Überall stehen Häuser die eingestürzt sind. Wir befanden uns in einem "schönen" Teil von Kairo mit teureren Wohnungen, aber wenn ich aus dem Fenster sah, habe ich mich gefühlt wie in einem Slum. Teilweise liegt Müll auf der Strasse. Daneben findet man aber auch immer wieder sehr schöne Stadtteile. Richtig arme Leute und Slums haben wir gar nicht zu Gesicht bekommen

> Wart ihr viel unterwegs?

Ja, wir haben viel unternommen; wir waren zum Beispiel auf dem Markt Khan el Khalili. Da lernten wir zu handeln. Wenn Männer dabei sind, ist es schwieriger zu handeln. In der letzten Woche kamen unsere Freunde nach, da haben wir das bemerkt.

> Was habt ihr alles unternommen?

Wir haben die Pyramiden von Gizeh, Memphis und Shakara besucht. Dann fuhren wir noch zum Meer, nach Sharm El Shake. Die Gegend ist berühmt für Tauchen und Schnorcheln. Aber es hielten sich leider sehr viele Touristen dort auf. Es ist günstiger, wenn man von Kairo aus die Weiterreise nach Sharm El Shake bucht. Beim ägyptischen Museum gibt es viele Reisebüros. Man muss alle Angebote vergleichen, überlegen und handeln, denn es gibt sehr große Preisunterschiede.

Foto: Nicole Filippitsch

Die Pyramiden von Gizeh

> Was waren für dich die Highlights dieses Aufenthaltes?

Meine persönlichen Highlights waren die Zitadelle und die Muhammad Ali Moschee in Kairo. Gefallen hat mir auch der Markt Khan el Khalili. Die Nachtfahrt am Nil war wunderschön. Wir besuchten auch Carmina burana, das war wahnsinnig beeindruckend.

> Was hast du als Medizinerin gelernt?

Ich habe schon lange geplant in ein "Dritte-Welt-Land" zu gehen und zu helfen. Ich werde mir mein Vorhaben aber jetzt noch einmal überlegen. Der Gedanke hat nach meinem Aufenthalt in Ägypten doch sehr an Romantik verloren. Ich weiß jetzt, dass es sehr hart sein würde.

Ich habe auch gelernt, dass man sehr tolerant sein muss, um mit Menschen anderer Kulturen zu leben.

> Danke für das Gespräch und weiterhin viel Erfolg!

 Foto: Nicole Filippitsch

Stufenpyramide in Saqqara
 

Links

Falls ihr euch auch für eine Auslandsfamulatur oder einen Erasmusplatz interessiert: Auf der Homepage des Internationalen und Postgradualen Zentrums könnt ihr euch darüber informieren. Dort findet ihr unter anderem die Partnerprogramme der MUG und viele Famulatur-Berichte.

Internationales und Postgraduales Zentrum der Meduni Graz

Weitere Berichte aus Ägypten findet ihr hier.

Alle, die mehr über Entwicklungshilfe erfahren möchten, erfahren hier mehr.  

 

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