• Bericht
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  • Jan Hartmann, Freiburg
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  • 04.08.2011

Famulatur in Buenos Aires

Tango hat mit Argentinien wohl genauso viel zu tun wie Pizza mit Italien. Touristen lieben und erwarten es, aber den Alltag bestimmt es nicht so sehr, wie man vermuten würde. So hat Jan während seiner Famulatur im "Hospital Italiano de Buenos Aires" weder die Tiefen des Tango ergründen, noch täglich Pizza verputzen müssen.

 

Foto: Jan Hartmann

Die Akademie der Medizin

Argentinien ist ein traditionelles Einwanderungsland und so wird auch die Hauptstadt von den Immigranten und ihren Nachfahren geprägt. Die stärkste Gruppe stellen die Italiener, denen die Stadt neben Weltklasse-Eiscreme und passabler Pizza auch das italienische Krankenhaus verdankt, das sie vor über 150 Jahren gegründet haben.

 

Die Vorbereitungen

Das Krankenhaus fand ich über das Internet. Die Emailkommunikation mit dem Haus war etwas zögerlich. Eine definitive Zusage kam erst kurz vor Abflug - vielleicht ist es besser alles per Telefon zu klären!
Gut ist ein Sprachkurs an der Uni, zum Auffrischen der Spanischkenntnisse. Dieser war auch dringend nötig, denn der Akzent ist recht gewöhnungsbedürftig.
Ein Visum habe ich nicht beantragt, ich war stattdessen, wie alle anderen, als Tourist da. Wer länger als 90 Tage bleiben möchte, muß zwischendurch kurz mit der Fähre nach Uruguay (20$) und dann erneut einreisen...
Geld nicht vorher tauschen, auch Dollar braucht man nicht wirklich. Vielleicht ein paar, um vom Flughafen in die Stadt zu kommen. Ansonsten kann man mit der EC-Karte Geld abheben. Das kostet zwar ein paar Euro pro Abbuchung, der Kurs ist aber extrem günstig. Das Leben in B.A. ist sehr billig. Man kommt, wenn man sparsam ist, mit 5€ am Tag aus!!!

 

Wohnen

Buenos Aires gilt als unsicher. Ich habe keine schlechten Erfahrungen gemacht, habe mich aber auch vorsichtig verhalten. Gute Stadtviertel sind Recoleta, Barrio Norte, Palermo und Teile von San Telmos.

Foto: Jan Hartmann

Das Stadtviertel Recoleta

Meiden würde ich auf jeden Fall Boca, das südliche San Telmo und die Vororte, wo immer wieder Leute entführt werden.
Ich habe in einem Hostal (Studentenherberge) in San Telmo gewohnt. Es gibt davon etliche. Man kann auch in ein Hotel gehen und einen Langzeit-Deal machen. Für die Miete braucht man nicht mehr als 120€ pro Monat auszugeben, man kann sich aber auch eine Loft im Nobelviertel für 450€ mieten....

 

Das Krankenhaus

Foto: Jan Hartmann

Das Hospital Italiano

Auch heute noch bestimmen hier italienische Namen den Alltag, auch wenn überwiegend Spanisch gesprochen wird. Das Krankenhaus wird privat betrieben, behandelt werden ausschließlich Patienten, die beim krankenhauseigenen "plan de salud" versichert sind. Es ist darüber hinaus auch Lehrkrankenhaus der Universidad de Buenos Aires und als solches beliebt, weil es eine gute Reputation genießt und weil hier viel zu sehen ist, was an anderen, öffentlichen Häusern nicht geboten werden kann. Im Vergleich zu Europa und den USA mag die Medizin in Hinblick auf Ausstattung und Ausbildung vielleicht um fünf Jahre zurückliegen, aber im südamerikanischen Maßstab ist sie wegweisend. So wurden hier z.B. zum ersten Mal Leberlebendspenden und verschiedene Herzeingriffe durchgeführt.

 

In der Chirurgie

Als Famulus in der Chirurgie konnte ich vor allem viel zuschauen. Aus Rücksicht auf die Privatpatienten und auf die hauseigenen Facharztaspiranten, die "residentes", war es nämlich nicht üblich, daß Studenten oder "rotantes extranjeros" am Tisch mitarbeiten dürfen. Da man aber stets willkommen war, den Chirurgen über die Schulter zu blicken und die Hygienevorschriften nicht so hysterisch waren, so daß man auch tatsächlich etwas sehen konnte, war es sehr interessant und lehrreich, zumal die Chirurgen einem äußerst bereitwillig Auskunft erteilten.

Foto: Jan Hartmann

Im OP-Saal

Ein normaler Tag begann mit der Frühbesprechung, in der die "rotantes" jeden Patienten vorstellten und der Chef Café und Orangensaft trank, der von der Sekretärin eigens frisch gepreßt werden mußte. Gemeinsam mit den Fach- und Oberärzten wurden alle Patienten besprochen und notwendige Dinge angeordnet.

Anschließend ging es am Montag, Mittwoch und Freitag in den OP und am Dienstag und Donnerstag auf Station oder in die Ambulanz. Das Spektrum der Operationen umfaßte die gesamte Allgemeinchirurgie einschließlich der Transplantationschirurgie. Man konnte aber auch in die Nachbarsäle schweifen, wo es dann auch Neurochirurgie, Gefäßchirurgie und vieles andere zu sehen gab. Die Zeit im OP war sehr lehrreich, weil man viel schauen konnte, aber auch weil immer genug Zeit blieb, Fragen zu stellen oder im Buch nachzulesen.

Die Arbeit auf Station war eher langweilig, weil nicht minder bürokratisch als in Deutschland. Die Patienten wurden relativ selten untersucht und auch sonst verbrachte ich nicht sehr viel Zeit bei ihnen, außer wenn ich mich aktiv darum bemühte. Pflegekräfte gab es im übrigen viel weniger als in Deutschland. Denn für die allgemeine Pflege waren die Angehörigen zuständig, die ständig bei den Patienten Wache hielten.

 

In der Ambulanz

In der Ambulanz sah man ein breites Spektrum vergleichsweise harmloser Fälle, da viele Patienten in Ermangelung von Niedergelassenen und wegen ihrer privaten Krankenversicherung direkt in die Notaufnahme der Klinik kamen. Ab und zu gab es aber auch Polytraumata oder schwierigere chirurgische Fälle. Der Renner war aber auch in Buenos Aires die „Akute Appendizitis“.

 

Fortbildung und Party

Foto: Jan Hartmann

Die Frühbesprechung

Zweimal die Woche gab es Fortbildungen für die „residentes”, einmal die Woche wurde nach amerikanischem Vorbild über die Komplikationen diskutiert, wobei ausdrücklich die Operateure genannt wurden und sich rechtfertigen mußten. Nette Ereignisse am Rande waren ein vom Krankenhaus organisierter Kongreß zur Kolorektalchirurgie, ein Betriebsausflug samt obligatorischem Fußballspiel und "asado", einem ausgiebigen Grillfest, sowie die jährliche "Fiesta Clexane", zu der alle potentiell verschreibenden Ärzte der Stadt von einer Pharmafirma zu einer Riesenparty in einen der angesagtesten Clubs der Stadt eingeladen wurden.

 

Fazit

Foto: Jan Hartmann

Das Teatro Colón

Das Hospital Italiano ist ein sehr geeignetes Krankenhaus für Famulaturen und auch für das PJ (zertifiziertes Lehrkrankenhaus). Man muß aber wissen, daß der Lerneffekt stark von der eigenen Motivation abhängt, da man nicht zu sehr an die Hand genommen wird und von den betreuenden Ärzten als freiwilliger Gast betrachtet wird, dem sie durchaus gönnen und nahelegen, auch die anderen Reize des Landes auszukosten. Denn von Buenos Aires aus hat man sehr viele Möglichkeiten für Kurzausflüge zu spektakulären Zielen. Und auch Buenos Aires selbst bietet sehr viel. Neben vielen Museen und der weltberühmten Oper "Teatro Colón", die nicht einmal einen Euro Eintritt kostet, gibt es Fußball auf Weltniveau, viele schöne Stadtteile zum Erkunden, Flohmärkte und ein verrücktes Nachtleben das auf der Welt seinesgleichen sucht.

 

Adressen und Links

Homepage des Hospital Italiano

Am besten alles per Telefon und eMail organisieren, auf dem Postweg könnte einiges verloren gehen.

Flüge: LH, Aerolineas Argentinas, Iberia, Alitalia, Varig, LanChile

Andere Krankenhäuser: Alemán, Italiano, Britanico, Fernández, Clinicas, Argerich

Ausflugsziele: Mendoza, Cordoba, Salta, Patagonien, Uruguay, Peninsula Valdez, ...

 

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