- Bericht
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- Mona Mähler
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- 28.12.2010
PJ-Tertial Kardiologie in Sydney, Australien
Nach vielen Auslandsfamulaturen wollte Mona auch ihr PJ in der Ferne verbringen. Australien war das Land ihrer Wahl, da dort die Natur und Tierwelt einzigartig sind und es viele Sehenswürdigkeiten gibt. Diese Vorteile trösteten sie über den großen Nachteil ihres Auslandsaufenthaltes hinweg: Die schlechte Betreuung im Krankenhaus.
Motivation
Ich hatte bereits all meine Famulaturen in verschiedenen asiatischen Ländern absolviert und dabei nur gute Erfahrungen gesammelt. Daher stand für mich fest, dass ich auch einen Großteil meines PJs im Ausland verbringen wollte. Da das Landesprüfungsamt Baden-Württemberg leider strenge Regeln bezüglich des PJs im Ausland hat, fielen viele Länder aufgrund von Problemen mit der Anerkennung per se schon mal raus. Australien war aber eine sichere Wahl. Das Land bietet Studenten die Möglichkeit, ihre Englischkenntnisse zu vertiefen und ist preislich wesentlich vorteilhafter als beispielsweise die USA.
Bewerbung
Ich hatte mich bereits etwa zwei Jahre im Voraus bei der Clinical School der University of Sydney um einen Platz beworben und diesen dann auch problemlos bekommen. Soweit ich weiß, gibt es oft ganz kurzfristig noch Plätze von Medizinstudenten, die abgesagt haben. Das Bewerbungsverfahren ist auf der Homepage der Uni detailliert beschrieben, und ich hatte auch keine Probleme mit der Organisation der Unterlagen. Allerdings solltet Ihr genug Zeit einplanen, um beispielsweise das polizeiliche Führungszeugnis zu beantragen und übersetzen zu lassen. Die Clinical School verlangt eine ganze Reihe an Dokumenten, unter anderem Impfnachweise für Masern, Mumps, Röteln, Hepatitis B und einen negativen Tuberkulosetest (PPD). Die Studiengebühren betrugen 1.100 AUD.
Formalitäten
Ich bin mit einem eVisitor-Visum nach Australien eingereist, das für Touristen eine Gültigkeit von drei Monaten hat. Streng genommen müsste ein spezielles Visum für Krankenhauspersonal beantragt werden, das von einigen Clinical Schools auch verlangt wird. Dieses Visum ist aber wesentlich kostspieliger, da man sich von einem Vertragsarzt untersuchen und unter anderem eine Röntgen-Thoraxaufnahme anfertigen lassen muss.
Organisatorisches
Ich habe im Vorfeld die obligatorische Auslandskrankenversicherung abgeschlossen und eine kleine Reiseapotheke mitgenommen. Ansonsten habe ich keine speziellen medizinischen Vorkehrungen getroffen, was sich als richtig herausgestellt hat. Medikamente sind in Australien problemlos zu bekommen, und auch Arztbesuche stellen kein Problem dar.
Sydney ist generell eine sehr sichere Stadt. Auch als Frau allein habe ich mich nie unsicher oder bedroht gefühlt.
In Sydney gibt es fast an jeder Ecke ATMs (Bankautomaten), Geld abzuheben ist also kein Problem. Ich hatte extra ein Konto eröffnet, von dem weltweit kostenlos Geld abgehoben werden kann. Die Lebenshaltungskosten sind wesentlich höher als in Deutschland: Lebensmittel, Kosmetika und ähnliches kosten etwa das Zwei- bis Dreifache.
Anreise
Ich hatte ein Round-The-World (RTW)-Ticket und bin etappenweise über Indien nach Australien geflogen, was recht angenehm war, da ich keinen ewig langen Flug überstehen musste.
Die Ankunft in Australien war gar kein Problem. Wer noch einen zweiten Abschnitt des PJs in Indien, Neuseeland oder in Südostasien macht, sollte sich generell überlegen, ein Weltreiseticket zu kaufen, da dieses oft nicht viel teurer ist als ein Gabelflug.
Nach Australien fliegen verschiedene Airlines. Den einzigen Non-Stop-Flug bietet Quantas Airlines, ansonsten führt die Flugroute meist über Hongkong oder Singapur. Preislich sollte mit etwa 1000 Euro und mehr für einen Hin- und Rückflug nach Sydney gerechnet werden, je nach Saison und wann gebucht wird.
Unterkunft
Ich bin zunächst in einem nahegelegenen Hostel namens Billabong Gardens eingezogen, was eigentlich nur als Übergangslösung gedacht war. Es hat mir dann aber so gut gefallen, dass ich die ganze Zeit geblieben bin, was ich auf jeden Fall weiterempfehlen kann. Die Lage ist optimal, etwa fünf Minuten zu Fuß vom Royal Prince Alfred Hospital (RPAH) entfernt gelegen und direkt neben der King Street, wo es günstiges Essen und coole Läden gibt. Der Preis war eher weniger erfreulich: Ich habe pro Woche 300$ bezahlt. In Australien ist es übrigens üblich, wöchentlich Miete zu bezahlen. Wer sich eine Wohnung oder ein WG-Zimmer suchen möchte, sollte auf folgender Internetseite nachschauen:
Dort gibt es die meisten Angebote. Leider ist es schwierig, etwas Geeignetes zu finden, und oft werden die Wohnungen nur langfristig vermietet.
Sprache und Kommunikation
Die Australier sprechen bekanntlich ein Englisch, das auch sehr gut zu verstehen ist. Schwieriger wird es mit den Patienten, die häufig Immigranten sind und natürlich alles außer Englisch sprechen. Generell genügt aber das Schulenglisch, und für anfängliche Probleme mit medizinischen Fachbegriffen haben die Australier Verständnis.
Ich hatte einen Internetzugang, den ich viel zum Telefonieren über Skype nutzte. In Australien gibt es auch günstige Prepaidkarten zu kaufen. Ich habe mir eine Karte von Vodafone gekauft, bei der ich für 20$ ein Guthaben von 150$ bekommen habe. Vielleicht habt Ihr ja Glück, und das Angebot existiert noch.
Verkehrsverbindungen
Der öffentliche Verkehr in Sydney ist fürchterlich ineffizient und noch dazu völlig überteuert. Das Bahnnetz ist leider unzureichend und die Busse sind ein derartiges Chaos, das selbst die Einheimischen sich mit dem Verkehrsnetz nicht gut auskennen. Wer wirklich viel fahren will, der kaufe sich ein MyMulti 1-Ticket für 41$, damit können eine Woche lang alle Verkehrsmittel in weiten Teilen Sydneys benutzt werden. Für mich lohnte sich dieses Ticket aber nicht, sodass ich immer TravelTen-Tickets gekauft habe, zehn Fahrten kosten da 16$. Um das Busnetz etwas besser zu verstehen, könnt Ihr Euch Busmaps in der Touristeninformation holen, die zumindest etwas weiterhelfen. Wenn Ihr wirklich mal pünktlich irgendwo sein müsst, solltet Ihr vorher die Route auf folgender Hompage eingeben:
Das ist die einzig verlässliche Informationsquelle. Im Zweifelsfall landet Ihr immer irgendwann wieder im Central Business District, das ist der Startpunkt fast aller Busrouten.
Mitzunehmen
Den weißen Kittel könnt Ihr getrost zu Hause lassen; stattdessen braucht Ihr viel schicke Kleidung und feine Schuhe. Für Männer gilt Hemd, Anzughose und je nach Fachrichtung eventuell Krawatte als optimal. Frauen haben etwas mehr Auswahl: Einige Röcke, Blusen und Stoffhosen sind immer gut, als Schuhe tragt Ihr am besten Ballerinas oder Pumps. Ein Stethoskop benötigt Ihr nur sporadisch, da Ihr Euch meist eines leihen könnt. Wenn ihr nur mit einem Touristenvisum einreist, ist es ratsam, das Stethoskop auf jeden Fall zu Hause zu lassen, aber auch sonst ist es nicht unbedingt notwendig.
Ich war ab April in Sydney und doch überrascht, wie empfindlich kalt es abends wurde. Deshalb sind je nach Reisezeit ein paar Pullis und eine Jacke nicht schlecht, eventuell auch Regensachen.
Tätigkeitsbeschreibung und fachliche Eindrücke
Ich wurde an meinem ersten Tag um 10 Uhr von der Koordinatorin Duriye Varol in Empfang genommen und auf meine Station gebracht. Duriye ist sehr freundlich und war auf meine Ankunft vorbereitet. Sie hatte schon alle Unterlagen bereitgelegt, dabei ein Formular, mit dem ich einen Mitarbeiterausweis beantragen konnte. Sie ist ebenfalls zuständig für das Unterschreiben Eurer Formulare. Wer eine Äquivalenzbescheinigung braucht (z. B. alle Baden-Württemberger), bekommt die gleichen "clinical rights" bescheinigt, und das Landesprüfungsamt ist damit zufrieden.
Auf meiner Station, der Kardiologie, wusste leider offensichtlich niemand über mein Kommen Bescheid, und scheinbar waren sie auch gar nicht so glücklich darüber, mich überraschenderweise zu sehen. Ich wurde weder eingeführt noch irgendjemandem vorgestellt. So lief erstmal planlos hinter den Ärzten her. Zum Glück war auf meiner Station noch ein australischer Student, an den ich mich halten konnte und der bereit war, mir die meisten Dinge wie Ablauf, Aufgaben, Meetings und Ähnliches zu erklären.
Das System in australischen Krankenhäusern unterscheidet sich ziemlich stark von unserem. Zunächst einmal ist die Hierarchie unter den Ärzten anders: Ganz "unten" sind die Residents/Interns, die im ersten oder zweiten Jahr nach Abschluss ihres Studiums sind und sich noch nicht für eine Fachrichtung entschieden haben, sondern im Acht-Wochentakt durch verschiedene Stationen rotieren. Das führt dazu, dass viele in einer Fachrichtung stecken, für die sie sich überhaupt nicht interessieren und dementsprechend unmotiviert sind.
Die zweite Stufe sind dann die Registrars, die sich in diesem Fachgebiet spezialisieren. Wer seinen Facharzt hat, wird dann zum Consultant. Die Ärzte arbeiten in Teams, die meist aus einem Registrar und zwei bis drei Interns bestehen. Jedes Team untersteht mehreren Consultants. Ein Team ist nicht wie bei uns für eine bestimmte Station zuständig, sondern die Patienten werden bei Krankenhausaufnahme einem bestimmten Consultant zugeordnet, der diese Patienten häufig auch ambulant betreut oder schon länger kennt.
Das Team betreut alle Patienten aller Consultants, dem das Team untersteht. Das erscheint zunächst vollkommen chaotisch. Ich rannte oft den ganzen Tag kreuz und quer durchs Krankenhaus und habe bis zum Schluss nicht komplett durchschaut, wie das System funktioniert.
Am Morgen wird eine Visite mit den Interns und dem Registrar gemacht, im Laufe des Tages kommen die Consultants vorbei, und die gleiche Visite wird noch einmal wiederholt. Je nachdem, ob es neue Ergebnisse gibt, sieht man die Patienten nochmals am Nachmittag. Es kann also sein, dass man die gleichen Patienten drei- oder viermal pro Tag sieht. Insgesamt dauert die Visite ewig, mindestens aber vier Stunden, oft auch länger.
Studenten verbringen die meiste Zeit mit den Interns, die während der Visite oder zwischendurch Aufgaben wie Briefe schreiben, Untersuchungen ordern und Ähnliches erledigen. Ganz wichtig ist es, schnell zu lernen, wie man Clinical Notes schreibt. Bei jeder Visite schreiben die Australier nämlich auf, was der Patient gesagt hat, was sie untersucht haben und wie der weitere Plan ist. Am besten ist, man lässt sich das Schreiben so schnell wie möglich zeigen, dann hat man wenigsten während der Visite etwas Sinnvolles zu tun und wird nicht ständig losgeschickt um, Akten, ein Blutdruckmessgerät oder ein Fieberthermometer zu suchen.
An Lehrveranstaltungen gibt es regelmäßig Teachings für die Interns und Registrars. Zu den Internteachings durfte ich mitgehen, zu den Registrarsteachings allerdings nicht. Jeden Freitag gab es mittags eine Grand Round, bei der es vorher immer ein Buffet gab, sehr empfehlenswert. Wer australische Studenten trifft, kann sicher auch mit zu deren Lehrveranstaltungen gehen, offiziell dürfen elective students das aber nicht.
Insgesamt war ich ziemlich enttäuscht von meinem Elective in Sydney. Ich musste leider die Erfahrung machen, dass auch durch Interesse und Bereitschaft zur Mitarbeit die Ärzte mir gegenüber keinesfalls freundlicher wurden. Ich durfte während der gesamten Zeit kaum etwas selbst machen und wurde häufig einfach ignoriert oder auch mal Kaffee holen geschickt. Der australische Student sagte mir, das liege einfach nur am Team, auf anderen Stationen sei es besser. Bei mir ist allerdings der Eindruck entstanden, dass die australischen Ärzte langsam genug von deutschen PJlern haben. Dies ließen sie mich auch deutlich spüren.
Land, Kultur und Freizeit
Bis auf die eher negativen Erfahrungen im Krankenhaus, habe ich nur Positives erlebt. Die Australier die ich kennengelernt habe, waren sehr freundlich und offen. Ich habe auch recht viele australische Medizinstudenten getroffen, die alle sehr nett waren und mir sofort angeboten haben, mit in ihre Vorlesungen zu gehen. Dies war allerdings von Seiten der Clinical School nicht erwünscht. Andere deutsche PJler zu treffen, ist auch überhaupt kein Problem, im Krankenhaus wimmelt es nur so davon.
In meinem Hostel, das ja eher wie ein Studentenwohnheim war, habe ich Leute aus verschiedensten Ländern kennengelernt und viel unternommen. Australien selbst bietet natürlich auch allerlei Ausflugsmöglichkeiten.
Sehr empfehlen kann ich Ausflüge nach Melbourne und Brisbane und natürlich muss man einmal einen Koala gestreichelt haben. Dies ist zum Beispiel im Featherdale Wildlife Park, etwa 40 Munuten außerhalb von Sydney, sehr gut möglich. Für detaillierte Informationen verweise ich auf einschlägige Reiseliteratur.
Fazit
Ich würde jederzeit wieder einen Aufenthalt in Australien machen, allerdings nicht unbedingt für das PJ. Fachlich hat mir das Ganze leider recht wenig gebracht, trotzdem war es eine Erfahrung, die ich nicht missen möchte. Ich empfehle aber jedem, sich eine andere Fachrichtung auszusuchen.
Adresse des Royal Prince Alfred Hospital
Royal Prince Alfred Hospital
Missenden Road
Camperdown NSW 2050; Australia