• Bericht
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  • Anne Seyffarth
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  • 10.10.2006

Famulatur in der Kardiologie in Brüssel

Eigentlich wollte Anne ihre letzte Famulatur in einem deutschen Krankenhaus absolvieren. Doch dann bekam ihr Freund einen Praktikumsplatz am Europäischen Parlament in Brüssel. So sind die beiden gemeinsam nach Brüssel gegangen und Anne war positiv überrascht.

Foto: Anne Seyffarth

Das Atomium - alle Fotos von Anne Seyffarth

 

Bewerbung ohne Probleme - alles selbst organisiert

Ich war recht skeptisch, da ich nur fünf Jahre in der Schule Französisch gelernt hatte und danach nie wieder gesprochen habe. Ich beschloß einen Französisch-für-Mediziner-Kurs an der Uni zu belegen. Leider scheiterte dieses Vorhaben nach kurzer Zeit. So fuhr ich mit einem mulmigen Gefühl in die Hauptstadt Europas. Ungefähr ein halbes Jahr vor Famulaturbeginn suchte ich mir Adressen von Brüsseler Kliniken im Internet heraus und schrieb dann Bewerbungen. Bis auf wenige Ausnahmen erhielt ich Zusagen. Der weitere Kontakt erfolgte per E-Mail und war äußerst unproblematisch. Letztendlich entschied ich mich für die Klinik, die am nächsten an unserer Wohnung lag - das Hôpital Ixelles.

 

Tausend Wege führen nach Brüssel

Brüssel als Hauptstadt Europas ist natürlich mit allen Verkehrsmitteln gut zu erreichen. Billige Flüge gibt es bei www.virginexpress.com ab Berlin oder München oder bei www.fly.de.

Da mein Freund und ich gemeinsam reisten und wir jede Menge Gepäck hatten, entschieden wir uns mit dem Auto zu fahren. Die Fahrt von Leipzig nach Brüssel dauert ungefähr acht Stunden. Sich in Brüssel zu orientieren gestaltet sich zunächst schwierig. Ohne Stadtplan ist man hier aufgeschmissen. Ansonsten ist das Fahren in Brüssel unproblematisch. Dank der vielen Tunnel kommt man schnell voran. Für den täglichen Transfer in der Stadt empfiehlt es sich die gut ausgebauten öffentlichen Verkehrsmittel wie Metro, Tram und Bus zu nutzen. Infos zu Preisen und Fahrplänen findet man unter www.stib.irisnet.be . Parken in der Innenstadt gestaltet sich schwierig. In unserer Wohngegend (Ixelles) waren genügend kostenlose Parkplätze vorhanden. Dennoch hatten wir auch nach einigen Wochen ein paar Kratzer und Beulen mehr am Auto.

 

Foto: Anne Seyffarth

Jugendstil in Brüssel

Billiger Wohnraum - schwer zu finden

Die Unterkunft wurde vom Krankenhaus nicht gestellt. So mussten wir uns selbst eine Bleibe im Internet suchen. Brüssel ist eine Praktikantenstadt und damit ist Wohnraum richtig teuer und abenteuerlich. Wir fanden ein Zimmer in Ixelles. Dies ist eine bessere Wohngegend, in der viele Studenten wohnen. Zum Krankenhaus waren es 2 Minuten zu Fuß. Das Zimmer war äußerst karg eingerichtet und verfügte über ein 1,20m breites Doppelbett, einen Schreibtisch und 2 Schränke. Wir hatten Internetzugang in unserem Zimmer. Das ganze kostete 425 EUR im Monat.

 

Foto: Anne Seyffarth

Die teure Bleibe

In der WG befanden sich noch 2 weitere Zimmer, die von einem Deutschen und einem Spanier bewohnt wurden. Ich habe mir sagen lassen, dass die Wohnung für Brüsseler Verhältnisse recht annehmbar war.
Wohnungen oder Zimmer auch für einen kurzen Zeitraum findet man unter www.xpats.com (dann auf classifieds, dann homeshares) oder www.traineesinbrussels.be. Ich empfehle jedem sich die Zimmer wenn möglich vorher anzusehen und sich dann erst zu entscheiden.

 

Französisch dringend empfohlen

Brüssel ist offiziell zweisprachig: Flämisch und Französisch. Dennoch wird überwiegend Französisch gesprochen. Im täglichen Leben kommt man aber auch gut mit Englisch zurecht, da fast jeder auch diese Sprache spricht. Im Krankenhaus sieht es da schon etwas anders aus. Hier sind gute Französischkenntnisse von Bedeutung. Obwohl die Ärzte alle Englisch sprechen, spürt man, dass es nicht gern gehört wird. Im Patientenkontakt ist Französisch enorm wichtig. Jedoch konnte ich mich mit einigen Patienten auf Deutsch unterhalten, was für mich angenehm war. Ich kann nur jedem empfehlen, der in Brüssel Famulatur oder PJ machen will, unbedingt ausreichend Französisch zu sprechen. Die erste Zeit könnte sonst schwierig werden.

 

Arbeit im Krankenhaus mit vielen Freiheiten

 

Foto: Anne Seyffarth

Das Krankenhaus Ixelles

Das Krankenhaus Ixelles ist ein kleineres Lehrkrankenhaus der Universität Brüssel. Deswegen trifft man dort häufig auf belgische Studenten. Das belgische Medizinstudium unterscheidet sich stark von unserem und dauert 7 Jahre. Die Studenten haben im Semester nur rein theoretischen Unterricht in den einzelnen Fächern. Insgesamt hat ein belgischer Student nur 2 Wochen Ferien im Jahr. Sie absolvieren mehr Praktika (stages). Sie werden in externe Praktika und interne Praktika unterteilt. Das externe Praktikum findet halbtags im ersten Abschnitt der Klinik statt. Das interne Praktikum findet ganztags während der fortgeschritteneren Klinik statt. Ich wurde somit als Interne eingestuft.

 

Auf der Kardiologie

Ich wurde einer inneren Station mit Schwerpunkt Kardiologie zugeteilt. Sie hatte 30 Betten und wurde von zwei Assistenten und einem Oberarzt geführt. Das Spektrum ging von Vorhofflimmern, über den klassischen Herzinfarkt bis hin zur Überdosis Methadon. Viele Patienten waren auch geriatrische Fälle mit Dehydrationen oder diversen Infektionen.

Außer mir war noch eine belgische Studentin auf Station. Dies erwies sich anfangs als enorm hilfreich. Da ich zu Beginn noch Schwierigkeiten mit der Sprache hatte, konnte ich mich zu Beginn an der Studentin orientieren und habe gesehen was sie alles so tat. Leider war nach einer gemeinsamen Woche ihre Famulatur beendet und ich musste mich allein durchschlagen. Da auf dieser Station Blutentnahmen, Flexülen legen oder Infusion anhängen von den Pflegenden erledigt wurde, blieb für uns Studenten nicht viel Praktisches übrig. Ein paar mal durfte ich eine arterielle Blutentnahme durchführen.

Unsere Aufgabe war es, neue Patienten zu untersuchen und eine ausführliche Anamnese anzufertigen. Dann wurden die Ergebnisse mit dem Assistenten besprochen, der weitere Untersuchung und Therapiemaßnahmen anordnete. Allerdings musste man manchmal ganz schön nachhaken um zu erfahren, was nun weiter geschah. Außerdem durfte man dann die aufgenommenen Patienten über den gesamten Aufenthalt weiter betreuen und Vorschläge zum weiteren Vorgehen machen.

Leider waren die Assistenten und der Oberarzt oft sehr beschäftigt, so dass ich manchmal gelangweilt da saß und auf eine Besprechung mit ihnen wartete. Der Oberarzt hatte wirklich Freude daran, Studenten etwas zu erklären, deswegen konnte ich mich mit fachlichen Fragen immer an ihn wenden (wenn auch manchmal mit einiger Wartezeit). Die Arbeitszeiten erwiesen sich meist als äußerst angenehm. Dienstbeginn war 9 Uhr, Ende meist gegen 14 Uhr, manchmal aber auch erst 18 Uhr. Mittagspause gab es meist keine. Als sehr positiv habe ich die lockere Atmosphäre auf Station empfunden. Ich durfte meinen Oberarzt, die Assistenten sowie alle Pflegekräfte mit Vornamen ansprechen. Auch war die Stimmung zwischen Schwestern und Ärzten sehr entspannt und locker. Immer half mir jemand, wenn ich mal wieder mit den Tücken der französischen Sprache kämpfte.

 

Es immer etwas los in Brüssel

Foto: Anne Seyffarth

Flohmarkt im Marollen Viertel

Wie schon erwähnt ist Brüssel eine Praktikantenstadt, in der immer etwas los ist. Man braucht nur einfach am Abend auf den Platz vor dem Europäischen Parlament oder den Marktplatz gehen und man ist nicht allein. Außerdem gibt es viele tolle Restaurants und Kneipen in Brüssel, die man unbedingt mal ausprobieren sollte. Auf keinen Fall sollte man vergessen das für Belgien typische Bier zu probieren, wobei es mir besonders das Kirschbier Kriek angetan hat. Auch ganz lecker sind die tollen belgischen Schokoladen und Pralinen, die es an jeder Ecke in Brüssel zu kaufen gibt - Suchtgefahr! Ich empfehle jedem unbedingt mal zu Piere Marcolini zu gehen, dort gibt es die besten Pralinen der Stadt.
Sonst gibt es genug in der Stadt zu erkunden, angefangen von vielen Museen, über das weltberühmte Manneken Pis und das Atomium bis hin zu den vielen kleinen Märkten in den verschiedenen Stadtteilen.

 

Belgiens Städte immer eine Reise wert

Auch kann man am Wochenende viele Ausflüge in die Umgebung Brüssels unternehmen.Da das Bahnnetz sehr gut ausgebaut ist, kommt man auch ohne Auto gut voran. Absolut sehenswert sind die belgischen Städte Brugge, Gent und Antwerpen. Bei schönem Wetter sollte man unbedingt an die Nordseeküste fahren. Wir haben weiterhin das 200 km entfernte Amsterdam besucht, was immer eine Reise wert ist. Langweilig wir es einem in Brüssel nie.

 

Foto: Anne Seyffarth

Manneken pis

Fazit

Für mich hat sich meine Famulatur in Brüssel gelohnt. Auch wenn der Lerneffekt durch die sprachlichen Probleme vielleicht etwas geringer als in Deutschland war. Die nette Atmosphäre auf Station und die Hilfsbereitschaft des Teams haben mir vieles leichter gemacht und mein Französisch ist um Sprünge besser geworden. Die Stadt mit ihrer Umgebung ist einfach eine Reise wert. Es gibt so viel zu entdecken, dass ich nach meinem 4-wöchigen Aufenthalt noch immer staunen kann.

 

Foto: Anne Seyffarth

Das Europäische Parlament

Adresse des Krankenhauses

Hôpitaux IRIS Sud
Site Etterbeek-Ixelles
Rue Jean Paquot 63
B-1050 Bruxelles

Telefon: 0032 2 641 41 11

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