- Bericht
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- Kai Jochheim
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- 10.02.2010
Famulatur Rekonstruktive und Plastische Chirurgie in China
Für seine erste Auslandsfamulatur wollte Kai nach China. Nachdem er erst lange zittern musste, ob es überhaupt mit der Einreise klappt, war er froh als er die Abteilung Rekonstruktive und Plastische Chirurgie im Zhongshan Hospital in Shanghai endlich betrat. Dort durfte er zu jeder Zeit in den OP gehen und assistieren. In seiner Freizeit erlebte er die Olympischen Sommerspiele und ein Schnitzel chinesischer Art.
Motivation und Bewerbung
Ich wollte unbedingt eine vierwöchige Famulatur im Ausland machen und dabei eine mir fremde Kultur kennenlernen. Ich entschied mich für China, da das Institut für Virologie der Universität Duisburg-Essen seit mehreren Jahren eine Partnerschaft mit dem Institut für Virologie in Shanghai hat und dort Famulaturplätze anbietet.
Somit fiel für mich einiges an Organisationsarbeit weg: Ich musste mich nur an unserem Institut um einen Platz bewerben, und nach der Zusage lief dann der gesamte Schriftverkehr über das Institut. So hatte ich mehr Zeit mich um ein Visum, den Flug und andere organisatorische Dinge zu kümmern - diese Zeit war auch notwendig.
Visum
Ich plante meine Reise nach China für den Sommer 2008. Zu dieser Zeit herrschten verschärfte Einreisebedingungen, da China im Zuge der Olympischen Sommerspiele die Visavergabe verändert hatte. Laut diverser Internetforen wurden zeitweise sogar gar keine Visa ausgestellt, aber die Mitarbeiter bei chinavisum24.de ließen mich hoffen.
Ich benötigte ein Visum für 60 Tage, da ich vorher und nachher noch etwas in China umher reisen wollte. Ein paar Tage nachdem ich Pass, Antragsformular und das Schreiben des Zhongshan Hospitals nach Berlin geschickt hatte, kam mein Reisepass mit einem Visum für 60 Tage zurück und meiner Reise stand nichts mehr im Wege.
Flug
Zum Zeitpunkt meiner Reise bot airberlin Direktflüge von Düsseldorf nach Shanghai für 600-700 Euro an. Kurz vor meiner Abreise aus China wurde der Flugplan jedoch geändert, sodass ich von Peking aus zurückfliegen musste. Da ich sowieso noch nach Peking wollte, kam mir dies aber sehr gelegen.
Weitere Vorbereitungen
Speziellen Impfungen wurden mir nicht angeraten, da ich mich meistens in Städten aufhalten würde. Ein Studentenausweis solltet ihr allerdings bei Euch haben, da hiermit manche Dinge vergünstigt sind. Ansonsten empfehle für den Aufenthalt nichts zu planen, sondern dass ihr alles auf euch zukommen lasst.
Erforderliche Sprachkenntnisse
In der Stadt kam ich gut mit Englisch zurecht, aber es ist hilfreich sich wichtige Adressen von Muttersprachlern in chinesischen Schriftzeichen aufschreiben zu lassen. So umgeht ihr Probleme, wenn ihr mit dem Taxi zu bestimmten Orten fahren wollt.
Im Krankenhaus gab es immer jemanden, der Englisch sprechen konnte und für mich übersetzte. Ansonsten war mein Gesicht nach ein paar Tage bekannt, und ich wurde zu interessanten Untersuchungen dazugeholt.
Anreise
Nach der langen Flugreise fuhr ich vom Flughafen mit dem Transrapid ins Stadtzentrum. Von dort begann eine Taxi-Odyssee zum Krankenhaus. Mit meiner aufgeschriebenen Adresse kam ich nicht weit, denn die meisten Chinesen verstehen unsere Schriftsprache nicht - sie brauchen ihre Schriftzeichen. Mit etwas Geschick und der Hilfe einiger Leute erreichte ich schließlich doch noch das Krankenhaus.
Unterkunft
Im Krankenhaus angekommen, traf ich Haoming Bai, der für ausländische Studenten zuständig ist und mir meine Unterkunft zeigte.
Ich wohnte gratis im Wohnheim für ausländische Studenten auf dem Campus. Hier bekommt jeder Student ein Einzelzimmer mit Bad und Dusche, einem kleinen Schreibtisch, Telefon, Bett und Klimaanlage. Auf dem Gang befindet sich eine Kochecke, zudem gibt es auf dem Campus mehrere Mensen.
Im Wohnheim fand ich schnell Anschluss an andere Studenten. Wir gingen oft gemeinsam essen, spielten Basketball oder Badminton oder gingen zusammen in die Stadt.
Das Krankenhaus
Das Zhongshan Hospital ist Lehrkrankenhaus der Fudan University in Shanghai und eines der größten der Stadt. Es verfügt über Abteilungen für:
- Innere Medizin
- Chirurgie
- Orthopädie
- Radiologie und
- eine Notaufnahme
An das Krankenhaus ist eine Medical School angeschlossen. So befanden sich auch einige Studenten auf Station, die mir halfen mich zurechtzufinden.
Mitzunehmen
Ich musste mir von zuhause nur ein Stethoskop mitbringen, einen Kittel bekam ich vor Ort und die anderen Instrumente fanden sich auf der Station. Jeans, T-Shirts und Sportschuhe verstoßen nicht gegen den Dresscode.
Stationsalltag
Haoming teilte mir mit, dass ich mich an meinem ersten Tag um 8 Uhr auf der Station für Rekonstruktive und Plastische Chirurgie einfinden soll. Los ging es dann mit der Frühbesprechung, die größtenteils auf Chinesisch ablief - wichtige Fakten wurden mir auf Englisch erklärt. Danach wurde ich einem Team zugeteilt, zu dem ein Chefarzt, ein Oberarzt, mehrere Assistenten und auch Studenten gehörten.
Zusammen absolvierten wir die Visiten, führten Verbandswechsel durch oder sprachen über Behandlungen. Gegen 10 Uhr fingen meist die Operationen an. Ich durfte zu jeder Zeit in den OP gehen und assistieren. Die Ärzte zeigten mir gerne etwas und ließen mich am Ende nähen oder kleinere Arbeiten verrichten.
Auf Hygiene wird sehr genau geachtet, auch wenn sich die Schleuse und die Verhältnisse in den Operationssälen von denen in Deutschland unterscheiden. Allerdings ist Pünktlichkeit nicht gerade die Stärke der Chinesen. Es passierte nicht selten, dass die Operation später begann, weil der zuständige Anästhesist vergessen hatte zu kommen. Einmal mussten wir eine Stunde auf die Narkose warten.
Ansonsten war es typischer Stationsalltag. Nach den Operationen ging es gegen 13 Uhr erst einmal zum Mittagessen. Oft wurde ich von den Oberärzten in die Mensa eingeladen. Einmal alle zwei Wochen ging das komplette ärztliche Team auswärts essen und ein Oberarzt bezahlte. Danach fand dann die Nachmittagsrunde statt und ich konnte mir kleine Operationen in der Ambulanz ansehen. Nach Absprache mit meinem Betreuer durfte ich mehrmals schon nach dem Mittagessen nach Hause, um mir die Stadt und das Land anzuschauen.
Medizin in China
Das Medizinstudium an der Fudan Medical School dauert insgesamt sechs Jahre. In den ersten zwei Jahren werden Grundlagenkenntnisse vermittelt (preclinical). Danach kommen dann die klinischen Fächer auf den Lehrplan (clinical). Neben ihren Kursen verbringen die Studenten auch viele Teile ihres Studiums direkt auf den Stationen und rotieren durch die Fachgebiete. Nach abgeschlossenem Studium beginnen sie als Assistenzärzte.
Land und Leute
Zu meiner Reisezeit fanden die Olympischen Sommerspiele statt. Das ganze Land war auf den Beinen und es herrschte eine tolle Stimmung. Überall wurde nur über die Olympiade gesprochen. In Shanghai fanden mehrere Spiele des Olympischen Fußballturniers statt, insgesamt drei davon konnte ich mir ansehen. Das Gefühl Teil der Olympiade zu sein war einfach unbeschreiblich!
Durch Wang, einen chinesischen Studenten, mit dem ich mich auf der Station anfreundete, lernte ich das "normale" Shanghai kennen, abseits der vielen Shoppingcenter, Nobeldiscos und Touristenrestaurants. Wang zeigte mir in den Mittagspausen kleine Restaurants mit ihren kulinarischen Spezialitäten. Mein Favorit war ein muslimisches Restaurant, das köstliche Fleischspieße und selbstgemachtes Brot anbot, einfach herrlich!
Abends ging ich dann auch meine erste Peking-Ente essen, ebenfalls ein Genuss!
Zudem zeigte mir Wang auch ein paar der Orte, an denen er sich mit seinen Freunden trifft: Wir besuchten einen kleinen Punkschuppen und sahen mehrere chinesische Punkbands bei einem Livekonzert, gingen in den städtischen Vergnügungspark mit Achterbahn, schauten uns im Kino einen Film an oder trafen uns mit seinen Freunden.
Beeindruckendes Erlebnis
Kurz vor Abschluss der Famulatur stand ein großer Feiertag an, bei dem alle Chinesen nach Hause zu ihren Familien fuhren. Wang lud mich zu seiner Familie nach Hause ein und ich durfte dieses Fest mit ihm gemeinsam feiern, eine große Ehre für mich! Abseits der Metropole Shanghai zeigte er mir seine Geburtsstadt und stellte mich seinen Eltern vor. Zusammen verbrachten wir zwei unvergessliche Tage in der Stadt Nantong. Seine Eltern haben sogar extra versucht Schnitzel für mich zu braten. An dieses unerwartete Fest werde ich immer mit einem Lächeln erinnern.
Fazit
Ich kann nur positiv über meine Erfahrungen in China sprechen. Die Zeit im Krankenhaus war toll. Ich habe viele nette Leute kennengelernt, zu einigen habe ich heute noch Kontakt. Ich wurde in die Stationsarbeit integriert und durfte bei Operationen assistieren.
Die Freizeit war einfach nur spitze. Ich habe so viele Dinge gesehen und erlebt, dass ich nach meiner Ankunft in Deutschland am liebsten wieder zurückgeflogen wäre. Ich kann nur jedem empfehlen seine eigenen Erfahrungen in diesem schönen Land zu sammeln.
Kontakt
Homepage des Zhongshan Hospital
Haoming Bai (Ansprechpartner für Studenten)