• Bericht
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  • Anja Flücken
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  • 19.09.2007

Meine Famulatur in der Psychiatrie

Nach meinen Famulaturen in der Inneren Medizin und der Pathologie hat Anja sorgsam überlegt, wo sie ihre nächste Famulatur absolvieren würde. Nach dem Neurologie-Psychiatrie-Psychosomatik-Block im siebten Semester stand ihre Entscheidung fest, die dritte Famulatur in der Psychiatrie zu machen. Sie war sehr gespannt, was sie erwarten würde.

Foto: Anja Flücken

Die Hans-Berger-Klinik in Jena - alle Fotos: Anja Flücken

 

Die Hans-Berger-Klinik in Jena

Die Psychiatrie des Universitätsklinikums in Jena ist nach Prof. Dr. Hans Berger benannt, dem Erfinder des EEG. Prof. Dr. Hans Berger war ein deutscher Psychiater und Neurologe und Schüler von Otto Binswanger. Er wurde am 21. 5. 1873 in Neuses bei Coburg geboren und starb am 01.06.1941 in Jena. An der Universität Jena lehrte er von 1919 bis 1938. Ihm gelang es erstmalig, das Hirnstrombild (Encephylographie) von der unversehrten Kopfhaut abzuleiten.

An ihn erinnert eine Büste, die sich gegenüber dem Hauptportal der Psychiatrie befindet:

 

Foto: Anja Flücken

Prof. Dr. Hans Berger

 

Die Psychiatrie in Jena hat sechs Stationen, von denen die Aufnahmestation geschlossen ist. Dorthin kommen Patienten, die eine Gefährdung für sich selbst oder für andere sind. Auf der Gerontopsychiatrie, auf der ich famuliert habe, findet man ältere Menschen, die in den meisten Fällen an einer Demenz oder einer Depression erkrankt sind.

 

Mein Tagesablauf

Um 8.00 Uhr begann der Dienst, die Blutabnahmen mussten zwischen 8.00 und 8.30 Uhr gemacht werden, denn um 8.30 Uhr fand die tägliche Morgenbesprechung statt.

Zur Morgenbesprechung kamen alle Ärzte der Stationen, außerdem die Psychologen und die Psychosomatiker. Es wurden alle wichtigen Punkte des Tages besprochen. Die Morgenbesprechung hatte den Vorteil, dass ich zumindest einmal am Tag alle sah. Denn das Gebäude der Psychiatrie ist sehr groß und die Gerontopsychiatrie befindet sich im Dachgeschoss.

Nach der Morgenbesprechung erledigte ich die restlichen Blutabnahmen, wenn ich es nicht vor der Morgenbesprechung geschafft hatte. Alles war kein Problem, man konnte sich Zeit lassen.

Aus meiner ersten Famulatur in der Rheumatologie war ich schon einiges gewohnt, was die Blutabnahmen betraf. Die Patienten dort bekamen oft Kortikoide, die die Venenwände porös machten und die Blutabnahme dementsprechend schwierig gestalteten. Aber auf der Gerontopsychiatrie war es oft auch nicht viel einfacher, denn der überwiegende Teil der Patienten hatte oft sehr dünne Arme und dünne Venen, sodass der erste Versuch der Blutabnahme nicht immer gelang. Aber wenn es mal gar nicht ging, dann war immer einer der zwei anwesenden Assistenzärzte zur Stelle.

Pünktlich um 9.00h ging dann die Visite los. Montags war der Oberarzt der Station immer dabei, an den anderen Tagen hatten wir eine kleinere Visite.

Auch die Visite stellte einen Unterschied zu den Visiten dar, die ich von den Inneren Stationen und der Chirurgie her kannte: Sie dauerte länger.

Jeder Patient brauchte seine Aufmerksamkeit und Sorgfalt, man merkte, daß gerade die depressiven Patienten oft nicht auf eine Therapie anschlugen. Dann ist es schwierig, weiterzubehandeln. Einige Medikamente brauchen zum Teil mehrere Monate, bis sie wirksam werden. Das hat oft die Patienten beunruhigt und sie wurden ungeduldig. Da ist menschliches Feingefühl sehr, sehr wichtig.

Foto: Anja Flücken

Das Backsteingebäude der Psychiatrie

 

Das Frühstück - ein absolutes Highlight

Nach der Visite, also knapp 2 Stunden später, gab es erst einmal ein üppiges Frühstück. Auch das Frühstück war hier etwas Besonderes: Die Ärzte frühstückten zusammen mit den Schwestern an einem Tisch! So etwas hätte es auf den inneren oder chirurgischen Stationen nie gegeben! Es gab frische Brötchen, verschiedene Sorten Wurst, eine reiche Auswahl an Käse, Marmelade, Honig und natürlich frischgebrühten, heißen Kaffee, das Über-Lebensmittel einer jeden Station. Natürlich wurde beim Frühstück auch über den einen oder anderen Patienten gesprochen und die Probleme miteinander diskutiert. Man merkte: Es gibt hier ein Wir.

Nach dem Frühstück hatten wir oft eine Patientenaufnahme, die entweder von mir oder von einem der beiden PJlern gemacht wurde.

Nachmittags bestand die Möglichkeit, wenn nicht noch ein Patient aufzunehmen war, noch einmal zu einem Patienten zu gehen, um etwas mehr über seine Krankheitsgeschichte zu erfahren. Oder um sich mit einem Patienten, dem es psychisch gar nicht gut ging, zu unterhalten und einfach da zu sein. Denn den Ärzten bleibt im Klinikalltag oft nicht die Zeit, auf die Bedürfnisse eines jeden Patienten einzugehen.

 

Meine Aufgabengebiete

Neben den täglichen Blutabnahmen gehörte das Legen von Flexülen zu meinem Aufgabengebiet. Aber die Kernaufgabe stellten die Aufnahmen dar, die ich als Famulantin sehr sorgfältig durchführen musste. Die Aufnahmen dauerten im Schnitt etwa 45 bis 60 Minuten und bestanden aus einem Anamnesegespräch und einer ausführlichen neurologischen Untersuchung. Nachdem ich den Patienten aufgenommen hatte, musste ich ihn dem Assistenzarzt vorstellen, der dann zur Sicherheit auch noch einmal eine neurologische Untersuchung durchführte.

Manchmal war es nicht einfach, alles Notwenige aus dem Patienten "herauszubekommen", weil die Krankheit es dem Patienten nicht möglich machte, seine Beschwerden in Worte zu fassen. Aber dafür hatten wir die Altbefunde. Es kam auch mehr als einmal vor, dass ich zum Telefonhörer griff und den Hausarzt des Patienten einfach anrief.

Oft kamen die Patienten aber auch mit ihren Angehörigen beziehungsweise ihren Betreuern, die ich auch fragen konnte.

Über die alltäglichen Aufgaben hinaus hatte ich die Möglichkeit, an den Fortbildungsveranstaltungen für die PJler teilzunehmen, die insgesamt sehr lehrreich waren.

 

Fazit

Die Famulatur hat mir gezeigt, dass es jenseit der "Apparate-Medizin" noch eine andere, mindestens ebenso wichtige Form der Medizin gibt: die menschliche Medizin.

In der Psychiatrie braucht man ein geschultes Auge und muss die Grundfähigkeiten beherrschen, die einen Arzt ausmachen: Empathie, Geduld, Ruhe, und vor allem die Fähigkeit genau zuzuhören.

 

Foto: Anja Flücken

Der Park, der von den Patienten gerne genutzt wird!

Ich kann allen nur empfehlen eine Famulatur in der Psychiatrie zu machen, um einmal über den berühmten Tellerrand hinaus zu schauen!

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