- Bericht
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- Kati Martens
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- 13.11.2006
Famulatur im Kreißsaal in Ambato, Ecuador
Schon mal von einem Arzt im blauen Schutzanzug, mit OP-Haube, OP-Maske und Schutzbrille geweckt worden, der komplett von Vulkanstaub bedeckt ist? So erging es Kati, nachdem während ihrer Famulatur in Ambato der Vulkan Tungurahua nachts ausgebrochen war. Danach lag die Stadt mehr als eine Woche unter einer dicken Ascheschicht, ständig hatte man Körnchen in Mund, Nase, Augen und Ohren.
Die Ambateños waren erstaunlich unbeeindruckt; alle sind daran gewöhnt, dass der Vulkan immer mal grummelt, ein bisschen Asche speit. In Ambato ging auch der Krankenhausbetrieb völlig ungestört weiter, man ging eben nicht auf die Strasse. Ich erfuhr allerdings später über das Internet, wie groß die Katastrophe wirklich gewesen war, mit etlichen Toten und komplett zerstörten Dörfern.
Formalitäten und Anreise
Für Ecuador muss zur Zeit kein Visum beantragt werden, sondern man erhält an der Grenze automatisch ein Touristenvisum für 60 oder 90 Tage. Wenn man länger bleiben möchte, oder im PJ offiziell arbeiten will, sollte man sich vorher an die ecuadorianische Botschaft wenden. Ich hatte die Reisekranken- und Haftpflichtversicherung der Deutschen Ärzteversicherung, es gibt einen Rahmenvertrag mit dem DFA, den man nutzen kann. Das war für mich sehr günstig und ist sicher eine wertvolle Investition.
Ihr solltet außerdem einen Blick auf Euren Impfpass werfen, ob alle gängigen Impfungen noch frisch sind. Ich habe mich zusätzlich noch gegen Tollwut, Typhus, Hepatitis A und Gelbfieber impfen lassen und hatte Malariaprophylaxe für einen Besuch im Amazonas dabei.
Weiterhin ist zu beachten, dass Quito und Ambato in relativ großer Höhe (ca. 2500m) liegen und dass es schon etwas Zeit kostet, bis man sich akklimatisiert hat und nicht mehr bei jedem Spaziergang zu keuchen beginnt.
Der Flug nach Quito ist ziemlich teuer, es gibt ein paar Studentenrabatte über STA-TRAVEL, die aber meiner Meinung nach nicht wirklich viel ausmachen. Im Land selbst kann man sehr günstig reisen, eine Stunde Bus fahren kostet 0,5 -1,5$, je nach Komfort und Verhandlungsgeschick; die Strecke von Quito nach Ambato meist 2$. Taxis findet man überall und sie sind recht billig - mit Gepäck sollte man sich auf jeden Fall eins leisten.
Bewerbung
Ich habe mich schon fast ein Jahr vorher beworben, da ich relativ genaue Vorstellungen hatte, was ich mir von meiner ersten Famulatur wünsche. Ich denke aber, dass es in Ambato auch wesentlich kurzfristiger kein Problem wäre, eine Stelle zu bekommen.
Für die Gynäkologie/ Geburtshilfe geht die Bewerbung an
Hospital Regional Docente de Ambato
-Remite: Dr. Octavio Miranda-
Hospital Regional Docente de Ambato
-Remite: Dr. Octavio Miranda-
Av. Pasteur
Ambato, Ecuador
Die Adresse kam von Via Medici, aus einem älteren Auslandsbericht.
Für andere Fachrichtungen kann Dr. Miranda bestimmt weitervermitteln, oder Ihr könnt Euch einfach so an das Krankenhaus wenden, ohne einen direkten Ansprechpartner zu kennen. Ich denke, dass Ihr überall mit offenen Armen empfangen werdet, denn die Leute dort sind sehr stolz, wenn man von so weit her kommt, um in ihrem Krankenhaus zu famulieren.
Unterbringung, Verpflegung, Kosten
Ambato ist wenig touristisch, bekannt nur für seine wunderbaren Früchte und Blumen. Ein Tagesgericht mit Getränk und Suppe konnte man für 1,50$ - 2,00$ essen und es gibt einen grandiosen Markt, mit allem nur vorstellbaren Essen und den unglaublichsten Früchten. Beinahe täglich durfte ich dort Köstlichkeiten wie frischen Mangosaft, Ananassaft und Kokusnussmilch genießen.
Ich war direkt im Krankenhaus untergebracht, in einem leeren Patientenzimmer und hatte sogar ein eigenes Bad, dessen Dusche allerdings nicht funktionierte. Ich war aber ohnehin beinahe täglich bei der Familie Miranda zu Gast und durfte dann ihr Bad benutzen. Für das Zimmer habe ich nichts bezahlt und wenn ich Nachtdienst hatte konnte ich im Krankenhaus auch essen. Es entstanden mir also für die Zeit meiner Famulatur recht wenige Kosten. Ich musste mir allerdings ein spanisches Geburtshilfebuch kaufen, ein Standardwerk in zwei riesigen Bänden, welches mir anschließend glücklicherweise auch wieder abgekauft wurde.
Besonders dankbar bin ich der Familie von Dr. Miranda, dem Chefarzt der Gynäkologie. Sie war mir zu allen Zeiten Anlaufstelle und Ruhepol nach hektischen Krankenhaustagen. Außerdem haben sie mich gleich zu Anfang in ihr Wochenendhaus eingeladen und sich alle Mühe gegeben, mich mit der ecuadorianischen Esskultur bekannt zu machen. Gleich am ersten Wochenende durfte ich probieren: frittierte Bananen, Zuckerrohr zum Kauen, Zuckerrohrsaft, Limas (eine besondere Zitrusfrucht), Chirimoya (die beste Frucht auf Erden), Grenadillas, Guanábana-Eis, Spanferkel, geröstete Schweineschwarte, Oritos (Minibananen), Llapingacho (Kartoffel-Käse-Puffer mit Avocado), Mote, Tostado, Choclo (alles Mais, verschieden zubereitet), eine Art Zuckerstangen, Linsen mit Tomatensalat... Es gab unglaublich viele gute Dinge, die ich mich sonst vielleicht nie zu probieren getraut hätte.
Aufgaben im Krankenhaus
Da ich ja gerade erst mein erstes klinisches Semester hinter mir hatte, mein praktisches Wissen also sehr begrenzt war, war es mir wichtig, nicht in einem Hilfsprojekt am Ende der Welt Famulatur zu machen. Ich fühlte mich im Hospital Docente de Ambato gut aufgehoben, da es ein Lehrkrankenhaus für die Universität Cuenca ist, es also viele weitere Studenten gibt. Außerdem war zumindest eine basale Ausstattung vorhanden und ich war nicht gezwungen, gleich mehr Verantwortung zu übernehmen als mir lieb war, wie es in vielen Projekten wohl der Fall ist.
Das Hospital Docente ist ein staatliches Krankenhaus, das heißt, dass die Behandlung für die Patienten weitgehend kostenlos ist. Besonders stolz ist Ecuador auf das Programm "Maternidad Gratuita", welches auch den Ärmsten der Armen eine Geburt im Krankenhaus und im Notfall sogar einen Kaiserschnitt ermöglicht. Im Vergleich zur Situation in z.B. Peru ist das ein riesiger Fortschritt, dort kostet ein Kaiserschnitt mindestens 800$ und kommt daher für den größten Teil der Bevölkerung überhaupt nicht in Frage. Trotzdem lässt auch in Ecuador die Ausstattung oft zu wünschen übrig und einige Dinge liegen einfach nicht im Bereich des Möglichen. Es gibt z.B. im ganzen Kreißsaal kein Ultraschallgerät, geschweige denn ein CTG. Man behilft sich also mit dem Hörrohr, dem Stethoskop und vor allem den eigenen Händen.
Das Hospital Regional Docente de Ambato
Da Ambato eine ganz normale Stadt ist, nahezu unbekannt außerhalb des Landes, gibt es dort ziemlich selten "Ausländer". Alle sind stolz, dass man ihr Krankenhaus gewählt hat, sehr neugierig auf Deutschland und unser Gesundheitssystem und ich wurde oft eingeladen, doch auch noch hier- oder dorthin zu kommen, um interessante Aufnahmen zu übernehmen. (Zitat: Ach, du hast noch nie genäht? Dann komm' doch vielleicht heute Nachmittag in die Ambulanz und näh' ein paar Platzwunden, das ist für den Anfang einfacher als ein Dammschnitt!")
Die Arbeitsbedingungen für Ärzte sind auch in Ecuador nicht glänzend, dort kommen alle Ärzte und Studenten jeden Tag von 8-12 Uhr. Jeden dritten Tag hat man dann "turno", also Nachmittags- und Nachtdienst. Eine solche Schicht ist mit nur einem Arzt und sechs PJlern ("Internos") besetzt - so bleibt der Großteil der Arbeit für die PJler. Da auch ich "Interno" war, verbrachte ich also im Durchschnitt mehr als 70h pro Woche im Kreißsaal. Als Gast hätte ich mich wohl drücken können, aber ich mochte die Leute, mit denen ich Dienst hatte und außerdem konnte ich sehr viel und intensiv lernen.
Ich durfte sehr schnell alleine Patienten aufnehmen und untersuchen, und eigentlich ist es üblich, auch gleich selbstständig Geburten zu leiten, was ich mir allerdings erst am Ende meiner Zeit dort zugetraut habe. Während ich dort war, wurden mehr als 400 Kinder geboren, teilweise 15 an einem Tag! Ich konnte daher sehr viele Geburten sehen und habe dann nach und nach die einzelnen Schritte gelernt: Mutter anfeuern, Plazenta entwickeln, Dammschnitt nähen und schließlich die eigentliche Geburt des Kindes. Auch danach war ich nie wirklich alleine, es waren immer andere PJler oder Ärzte in Reichweite, die ich fragen konnte und die sich dann im Zweifelsfall selbst noch gewaschen haben, um mir zu helfen. Im Allgemeinen wurde aber erwartet, dass ich Bescheid sagte, wenn ich Hilfe brauchte; es ist dort normal, Studenten sehr selbstständig arbeiten zu lassen und wenig zu kontrollieren.
Dinge, die man mitbringen sollte
Es wird erwartet, dass man eigene OP-Kleidung mitbringt, die man dann den ganzen Tag trägt. Die meisten tragen grün oder blau, aber es ist durchaus nicht unüblich, OP-Kleidung in himmelblau, rostrot oder rosa (!) zu haben. Was man drunter trägt ist ziemlich egal, geschlossene Schuhe sind von Vorteil. Wenn Ihr Platz im Rucksack habt könntet Ihr Masken, Hauben und Handschuhe mitbringen, da solche Dinge zwar vorhanden, aber sehr streng rationiert sind. Das gleiche gilt für ein Stethoskop und eventuell ein Hörrohr. Es gibt kein Desinfektionsmittel, nur eine Art Seife, es wäre also nett, sich auch so etwas mitzunehmen.
In Ambato ist tagsüber meist schönes Wetter, aber auf jeden Fall solltet ihr wärmere Kleidung zum drunter ziehen dabei haben, da es nachts ganz schön frisch werden kann. Das gilt natürlich für die gesamte Sierra.
Sprachkenntnisse
Ohne Spanischkenntnisse hat eine Famulatur in diesem Land sehr wenig Sinn, die Patienten sprechen auf keinen Fall englisch, die Ärzte eigentlich auch nicht. Mein Spanisch war vorher sehr wenig flüssig. Zum Üben durfte ich in meiner ersten Woche ganz viele Patienten aufnehmen, danach waren meine Kenntnisse schon sehr viel besser. Im Laufe der Zeit lernte ich dann auch alle wichtigen Ausdrücke für die eigentliche Geburt ("Puje, puje puje, sigue!!!!"), außerdem lernte ich einen Anamnese- und Untersuchungsbericht auf Spanisch zu schreiben und am Ende hatte ich gar keine Sprachprobleme mehr.
Wenn man irgendwann mal Spanisch gelernt hatte, wird man keine größeren Schwierigkeiten haben, das ecuadorianische Spanisch ist sehr langsam und deutlich, und im Krankenhaus haben sich vor allem die anderen Studenten wirklich bemüht, mir bei der Anamnese zur Seite zu stehen, mir mit den korrekten Formulierungen für den Untersuchungsbericht zu helfen etc. Zumindest Basiskenntnisse sind aber unbedingt vonnöten, selbst dann verzweifelt man noch genug an undurchsichtigen Abkürzungen und Patienten, die nur Quechua oder Aymara sprechen.
Außerdem freuen sich die Ecuadorianer sehr, wenn jemand ihre Sprache spricht, sodass mir auch nachher beim Reisen immer sehr viel Sympathie entgegenkam.
Geld, Telefonieren, Internet
Die Währung ist in Ecuador der amerikanische Dollar - man kann in Deutschland 1$-Scheine bestellen, das ist sehr praktisch, weil der Durchschnittsecuadorianer NIEMALS Wechselgeld hat, und größere Scheine als 10 $ mit Misstrauen betrachtet werden. Geld ist aber nahezu überall mit einer EC oder Kreditkarte gut zugänglich. Telefonieren kann man auch an jeder Ecke, nach Deutschland allerdings oft nicht gerade preiswert. Auch die Verbindung ließ aus kleineren Orten oft zu wünschen übrig. Am besten fährt man nach Quito, Cuenca oder in eine ähnliche Stadt, dort gibt es gute Verbindungen für 8ct pro Minute, also supergünstig.
Internet gibt es noch im kleinsten Kaff und an jeder Ecke, der Preis variiert zwischen 50ct und 2$ pro Stunde, die Verbindung ist meist echt schnell.
Sicherheit und Hygiene
Lasst Euch nicht verschrecken von den Reisewarnungen des Auswärtigen Amts! Die hören sich immer wesentlich schlimmer an, als es dann wirklich ist. Vor den ecuadorianischen Vulkanen braucht man meiner Meinung nach keine Angst haben, eure Kollegen im Krankenhaus werden euch schon warnen, falls es wirklich mal gefährlich sein sollte. Natürlich solltet Ihr darauf verzichten, zu gerade ausbrechenden Vulkanen zu fahren und darauf herum zu klettern, aber das versteht sich wohl von selbst, oder?!
Nach ein paar anfänglichen Unsicherheiten habe ich mich auch in größeren Städten nie gefährdet gefühlt. Ich denke, wenn man sich an ein paar eigentlich offensichtliche Regeln hält, wird einem nichts passieren. Man sollte immer im Hinterkopf behalten, dass jeder Rucksacktourist für die meisten Leute dort unglaublich reich erscheint und sich nicht zu sehr ärgern, wenn dann doch ein bisschen Geld aus der Hosentasche fehlt.
Nach den Empfehlungen des Reiseführers hätte ich sehr viele Sachen nicht essen dürfen, vor allem die wunderbaren Früchte und Säfte wären mir alle entgangen. Ich habe, Gott sei Dank, alles gut vertragen, und bin während der ganzen Zeit nur zwei Tage krank gewesen, aber da müsst Ihr selbst entscheiden, welche Risiken Ihr eingehen wollt.
Ambato und Umgebung
Ambato ist keine besonders schöne Stadt, aber es gibt in der Umgebung relativ viel zu sehen. Man kann ohne weiteres in die Hauptstadt Quito fahren oder von Riobamba aus mit dem berühmten Zug "Nariz del Diabolo" durch die beeindruckenden Anden fahren. Gleich in der Nähe liegen Salasaca, das für seine noch recht ursprünglichen Indigenas bekannt ist und die Touristenhochburg Baños. Ein Ausflug dorthin lohnt sich auf jeden Fall, man kann in den heißen Quellen relaxen, die Anden zu Fahrrad oder Pferd entdecken und sehr international feiern.
Ich würde aber jedem empfehlen, gleich die ganzen Semesterferien zu bleiben, denn auch das restlichen Land hat viel zu bieten. Auf engstem Raum drängen sich die verschiedensten Landschaften, grob eingeteilt in Costa, Sierra und Oriente (Regenwald) und jede hat ihre eigenen Reize.
Eine besondere Erfahrung war für mich die Woche im Cuyabeno Reservat, im ecuadorianischen Regenwald. Wir sahen viele Affen, Schlangen, Frösche, Flussdelphine und Faultiere und ich war sehr beeindruckt von der Unzugänglichkeit und dem unglaublichen Grün des Dschungels. Auch die Nordküste mit ihren karibischen Badewassertemperaturen, weißen Stränden mit Kokospalmen und umwerfend freundlichen Menschen hat mir sehr gefallen und ist von Touristen noch nahezu unentdeckt. In der Sierra fand ich den ebenfalls eher unbekannten Nationalpark "El Cajas", in der Nähe von Cuenca, ganz im Süden besonders imposant, riesige schroffe Berge und kristallklare Seen, Flechten und kleine Wäldchen in fast 4000m Höhe. Dazwischen gibt es noch tausend weitere schöne Flecken Erde, die zu nennen hier aber wohl den Rahmen sprengen würden. Entdeckt sie selbst!
Fazit
Ich bin sehr zufrieden mit meiner Famulatur im Hospital Docente de Ambato, die Leute waren sehr hilfsbereit, neugierig und sympathisch, ich durfte viel lernen und hatte mehr Patientenkontakt, als in Deutschland je möglich wäre. Ihr solltet Euch allerdings bewusst sein, dass man dort wirklich viel Zeit im Krankenhaus verbringen wird, auch wenn man als Gast immer die Möglichkeit hat, um ein freies oder ein verlängertes Wochenende zu bitten. Ich denke, dass ich mit mehr Fachwissen noch stärker hätte profitieren können, aber auch so konnte ich sehr wertvolle Erfahrungen sammeln. Ich würde das Hospital Docente also jedem weiterempfehlen, der in angenehmem Arbeitsklima viel lernen will und Nachtdienste nicht scheut. Die Ecuadorianer habe ich als offenes, freundliches Volk erlebt und sie werden bestimmt dafür sorgen, dass Ihr Euren Aufenthalt genießt!