• Bericht
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  • Thomas Rielage
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  • 23.06.2006

Famulatur in Helsinki, Finnland

Da Thomas bereits eine Famulatur in Helsinki in der Orthopädie und Unfallchirurgie gemacht und bisher nur gute Erfahrungen gesammelt hatte, entschloss er sich noch eine weitere Famulatur dort zu absolvieren. Wie sich herausstellen sollte, würde sich das leider als nicht allzu glückliche Entscheidung herausstellen ...

 

Bewerbung und Formalitäten

Um an meinen Platz zu gelangen ging ich so vor: ich mailte zu erst den "clinical teacher" für die Innere Medizin und die jeweiligen Chefärzte an und fragte, ob ich ein "training" in ihrem Bereich machen könne. Als hierauf von allen die Zusagen kam, wandte ich mich an die Koordinatorin für internaionale Studienangelegenheiten, um das ganze noch einmal den offiziellen Gang gehen zu lassen (man braucht in Helsinki eine Zusage des Dekans, dass man für einen definierten Zeitraum dort studieren darf und das geht dann eben über die Koordinatorin). Natürlich kam noch einmal der dezente Hinweis meinerseits, dass bereits alle zugestimmt hätten, so dass alles reibungslos zu meinen Gunsten verlief. Da auch in Finnland viele Menschen in der Verwaltung ein zu Hause gefunden haben, musste ich noch einige Papiere ausfüllen und verschicken (Leistungsübersicht über meine Kurse, Empfehlungsschreiben, ein "letter of motivation", Bewerbungsformular, ein Nachweis über meine Englischkünste...) bevor es endlich losgehen konnte. Da die Studenten in Finnland über das Krankenhaus versichert sind, brauchte ich keine Haftpflicht- oder Zusatzversicherung abschließen. Insgesamt benötigte der ganze Aufenthalt eine Vorbereitungszeit von ein bis zwei Monaten, so dass alles recht schnell organisierbar ist.

 

Sprachkenntnisse

Da Finnisch leider eine unsagbar schwer zu erlernende Sprache für mich ist, musste ich mich mit Deutsch und Englisch durchschlagen. Dies gelingt aber sehr gut, weil viele Finnen Deutsch als dritte Fremdsprache in der Schule lernen und Englisch sowieso von fast allen beherrscht wird. Wer Schwedisch kann, ist sicherlich im Vorteil, weil Schwedisch die zweite Amtssprache ist (wobei viele Finnen es aber aus historischen Gründen kategorisch ablehnen schwedisch zu sprechen, wenn es sich vermeiden lässt). Trotzdem sollte man auf jeden Fall einige Höflichkeitsfloskeln vor der Abreise pauken!

 

Anreise

Da von Köln nach Vantaa bei Helsinki relativ günstige Flugverbindungen mit "germanwings" bestehen, ging meine Anreise recht unkompliziert und günstig von statten. Vom internationalen Flughafen in Vantaa bestehen sehr gute und regelmäßige Busverbindungen ins Zentrum von Helsinki, so dass die Anreise keine Probleme bereitet. Ein Busticket kostet knapp drei Euro und die Fahrt nimmt ungefähr 30 Minuten in Anspruch (Stand 2006).

 

Finnische Menatlität

An meinem ersten Famulaturtag ging ich also guter Dinge in das Hauptkrankenhaus (Meilahti) und wurde dort gehetzt aber freundlichst vom "clinical teacher" empfangen, bevor eine Überraschung auf mich zukam: In der Kardiologie wurde mir ein netter deutscher Internist zugeteilt. Auf der Station selbst wurde ich sachlich-freundlich empfangen seitens der Pfleger und Schwestern und leicht distanziert seitens des zweiten Stationsarztes. Ich erinnerte mich jedoch an die finnische Mentalität und war somit erst einmal glücklich.

Im Laufe der nächsten Tage lernte ich die Oberärzte und Chefärzte kennen und sollte dann herbe enttäuscht werden. Das Kennenlernen einer Oberärztin war recht bezeichnend für das, was mir die nächsten Tage widerfahren sollte: ich stellte mich als Austauschstudent mit Namen bei ihr vor und sie machte erst einmal Visite. Während der Visite - zwischen Kurve und dem x-ten Patient - reichte sie mir gequält ihre Hand und sagte recht emotionslos ohne mich anzuschauen ihren Namen, dass sie Oberärztin sei und hauchte gleichzeitig ein unnatürliches "sorry for the delay" hervor. Auch das Kennenlernen mit weiteren Oberärzten und dem Chefarzt lief später in der gleichen frostigen Atmosphäre ab, während die anderen Konsilarärzte der Station mir immer sehr freundlich-interessiert gegenüber traten.

Prinzipiell lief alles in Finnisch ab (was ich ja auch nicht anders erwartet hatte). Allerdings gab es auch nie irgendwelche Erklärungen oder Fragen (geschweige denn die Frage, wie es mir gefallen würde oder ob ich etwas lerne) auf Englisch, was den Lerneffekt u.a. der Visite immer sehr stark schmälerte. Generell schienen die Ärzte keine Lust zu haben Studenten etwas beizubringen - mein Eindruck wurde später noch von einheimischen Studenten und regulären Austauschstudenten bestätigt. Ich verstand auf einmal wieso alle finnischen Studenten in Helsinki eine Antipathie gegen die innere Medizin hegten.

 

Kardiologie in Helsinki!

Meinen persönlichen Tiefpunkt hatte ich jedoch, als einen Tag im PTCA/ Ultraschallbereich verbringen wollte. Bei einer Untersuchung durfte ich minutenlang beim Schallen des Herzens zuschauen, während ich keine Erläuterungen bekam und im Anschluss daran durfte ich eine PTCA sehen. Auf meine Frage hin an einen beobachtenden Arzt, ob er mir etwas zu dem Eingriff und Patienten sagen könne, lief der Dialog so ab:"Can you please tell me somthing about the patient? Will he get a PTCA?" Dr.: "Yes, you can see it on the monitor". Danach folgte ein gelangweiltes Gestarre auf einen Monitor für 15 Minuten... Nachdem auch sonst kaum jemand mit mir während des Tages gesprochen hatte bis auf einzelne Schwestern und einem Arzt, der mit sehr guten Deutsch erklärte, weil er mehrfach in Deutschland famuliert hatte, und weil der Lerneffekt gleich Null war, entschloss ich mich die Station zu verlassen. Dieser Tag war bezeichnend und ich würde diese Hälfte meiner Famulatur als nutzlosesten Teil meiner gesammelten Krankenhauserfahrungen bezeichnen! Bis auf eben jenen deutschen Internisten, der sich immer Zeit nahm mir dieses und jenes beizubringen und dem ich unendlich dankbar bin.

Da ich gehört habe, dass die Kardiologie in Oulu super sein soll, lautet meine persönliche Theorie, dass die Leute in Helsinki einfach zu satt sind. An der hohen Arbeitsbelastung kann es meines Erachtens nicht liegen, da pünktlich um 15:00 der Hammer fiel. Ich kann jedem nur raten: macht keine Kardiologie in Helsinki!!

 

Pulmologie, Poliklinik, Bronchoskopie ...

Nachdem ich also völlig demotiviert war, sollte mich auf der Pulmologie wieder eine bessere Atmosphäre empfangen. Hier war irgendwie niemand so richtig für mich zuständig, aber irgendwann erklärte sich jemand doch noch für zuständig. Der Haken an der Sache war jedoch, dass diese Person mehrere Tage einen Vortrag vorbereiten musste und mich dann immer von Station zu Station schickte damit ich sinnvoll beschäftigt war (es gab neben der Poliklinik noch die Bronchoskopie und drei andere Stationen). So kam man sich dann doch abgeschoben vor, auch wenn das durchaus Sinn machte ... Wo ich auch war: Hier bemühte man sich immer mit mir zu sprechen und man war für alle Fragen offen. Jedoch kam es auch hier vor, wie in der Kardiologie, dass man morgens oder nach dem Mittagessen zwei Stunden ganz alleine und ohne Angesprochen zu werden in der Ecke saß/sitzen musste, weil einem keiner erklärte, was Sache war. Besonders nett und aufmerksam war der Chefarzt und der Oberarzt der Pulmologie: Sie sorgten dafür, dass Besprechungen kurz und knackig von Mitarbeitern auf englisch für mich zusammengefasst wurden oder das auch mal eine Röntgenbesprechung auf deutsch-englisch ablief. Auch persönlich bekam ich einen super Draht zu den beiden und zu anderen Ärzten.

 

Fazit

Ich würde jedem dringend abraten hier in der Kardiologie zu famulieren! Es gab viele Dinge, die ich absichtlich nicht erwähne, da ich viele (in meinen Augen heftige) Faux pas einfach auf die Tatsache zurückführen möchte, dass man in Helsinki keine Erfahrung mit Famulanten hat und einige Dinge sicher auch kulturelle Gründe haben. So gibt es eben die Stationsärzte und die "clinical teacher", die eine super Ausbildung machen sollen, der Famulus allerdings diese nie zu Gesicht bekommt. Eine praktische sowie theoretische Ausbildung fand definitiv seitens der finnischen Stationsärzte überhaupt nicht statt. Ich fühlte mich jederzeit vollkommen desintegriert und unerwünscht (nachdem die Stationsärzte wechselten, erwiderte man morgens nicht einmal ein "huomenta" =guten morgen, geschweige denn, dass man sich vom Schreibtisch umdrehte zu mir). Dieses ist mir vorher in keinem Krankenhaus im In- oder Ausland passiert. Die Pulmologie kann ich auch nur eingeschränkt empfehlen, da auch hier alles sehr stark vom Arzt abhing, den man begleitete und die praktische Ausbildung stark eingeschränkt war.

 

Kurzum

... man arbeitete um mich herum statt mit mir und man merkt ganz deutlich, dass sich die finnische Facharztausbildung von der Deutschen unterscheidet: nach dem Medizinstudium spezialisiert man sich für drei Jahre z.B. auf die Pulmologie und man sieht keine anderen internistischen Stationen. Dies macht sich Wissenslücken bemerkbar, die man in Deutschland schon als Student in der Regel nicht mehr hat (so komisch sich das anhört). Mein Hauptziel für diese (Zusatz-)Famulatur war eigentlich mehr Sicherheit und praktische Erfahrung zu bekommen nach zwei vorhergehenden Monaten Innere und ich habe trotz Nachfragen max. zwei Herzen und drei Lungen in vier Wochen (!!!) hören dürfen. Für alle, die nicht so gerne mit Menschen zu tun haben oder gerne den Herold in dieser Zeit auswendig lernen möchten, wäre dieses eine optimale Famulatur. Sollte man sich für eine Famulatur entscheiden, darf man seitens der (Fach-)Ärzte keine tief greifenden internistischen Diagnosen abseits des Fachgebietes erwarten, da es sich nicht um Internisten wie bei uns handelt, sondern um praktische Ärzte, die eine Weiterbildung in ihrem Gebiet machen und dann sicher super auftrumpfen können in ihrem Weiterbildungsgebiet. Jedoch haben diese sonst genauso wenig (vielleicht sogar etwas weniger) Wissen wie ein deutscher Student, da das finnische Studiensystem ganz anders konzipiert ist (weniger Theorie und mehr Praxis). Wäre ich nur aus studientechnischen Gründen in der Stadt gewesen, hätte ich mich sicher heftig geärgert, da das Leben in Finnland nicht sehr günstig ist und kaum jemand bedachte, dass man die Kosten und Anstrengung unternommen hat, um in Helsinki zu lernen. Danken möchte ich an dieser Stelle noch einmal Bernd Günther, der sich als Einziger in der Kardiologie sehr nett um mich gekümmert hat.

 

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