- Bericht
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- Artur Mittring
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- 06.05.2021
Famulatur General Surgery in Ghana am Presbyterian Hospital Donkorkrom
Artur hat einen Monat in Ghana in der überschaubaren Kleinstadt Donkorkrom famuliert. Hier berichtet er über seine Erfahrungen im Krankenhaus, Land und Leute und warum er die westliche Medizin in Deutschland nun noch viel mehr wertschätzt.
Motivation
Mehrere Gründe haben mich dazu bewegt, nach Ghana zu gehen. Einerseits bin ich noch nie in Afrika gewesen und war neugierig. Andererseits bestand mein Ziel darin, den größtmöglichen Kontrast zu den hochtechnologisierten Krankenhäusern der westlichen Welt und meinen Erfahrungen während der letzten Famulaturen zu erleben. Es ist verführerisch, die ärztliche Behandlung und medizinische Verfügbarkeit in Deutschland als selbstverständlich zu betrachten und war daher sehr gespannt, wie die tropische Medizin andersartig und geprägt vom einschneidenden Mangel an Ressourcen abläuft.
Um den Kontrast zu verschärfen, habe ich mich für das ländlichste Krankenhaus entschieden, das für mich zur Auswahl stand. Ich war mir sicher, dass ich es bereuen würde, wenn ich diese Art von Auslandsaufenthalt im Rahmen einer Famulatur nicht machen würde: Ein Monat ist ein geeigneter Zeitraum, um in ein anderes Land einzutauchen. Die Entscheidung für Ghana wurde dadurch bestärkt, dass es ein englischsprachiges Land ist und ich somit medizinisches Englisch lernen, anwenden und insgesamt gut zurechtkommen würde.
Vorbereitung
Bewerbung: mehr als 6 Monate vorher über Elective Ghana
Email: info@electiveghana.org
Krankenhaus: Presbyterian Hospital Donkorkrom, P.O. Box 19, Donkorkrom, Afram Plains, Eastern Region, Ghana, Tel.: +233209007918/+233503965133
Email: kwahupresbyhealthservices@yahoo.com
Kliniksprache: Englisch und Twi
Visum: innerhalb von 2 Wochen erhalten, einfach bei der Botschaft in Berlin online beantragen
Impfungen: Gelbfieberimpfung ist Pflicht für die Einreise, darüber hinaus war ich gegen Hepatitis A, Hepatitis B, Cholera, Meningokokken, Typhus und Tollwut frisch geimpft
Kosten: Gesamtkosten ca. 2200 €
- Gebühr Elective Ghana: 150 €
- Teaching und Unterkunft: 400 €
- Flug: 600 €
- Coronatests bei Einreise, Ausreise: 250 €
- Lebensunterhalt und Inlandsreise: 800 €
Eingang des Presbyterian Hospital Donkorkrom © Artur Mittring
Arbeit vor Ort
Während des Medical Electives habe ich die meiste Zeit in der General Surgery verbracht. Dr. Brown, der medizinische Leiter und einer der beiden Ärzte des Presbyterian Hospitals Donkorkrom, ist ein spezialisierter Gynäkologe. Ihn habe ich bei den morgendlichen Visiten auf den 5 Stationen (Casualty-, Male-, Female-, Maternity-, Children’s Unit) des Krankenhauses begleitet. Wir haben interessante Fälle wie Verkehrsunfälle, offene Brüche, Tuberkulosepatienten und täglich die weitere Behandlung aller Patienten (max. 117 Betten) besprochen. Seine Spezialisierung in Gynäkologie schließt nicht aus, dass er trotzdem auch für alle anderen Bereiche zuständig ist und zusätzlich operiert. Unterstützt werden die Ärzte von spezialisierten Assistenten. Ein Anästhesist beispielsweise hat - nicht wie in Deutschland - ein abgeschlossenes Medizinstudium hinter sich, sondern stattdessen einen Bachelor in Anästhesie.
Mein persönliches Highlight während des Electives war, im OP assistieren zu dürfen. Ich habe sowohl bei Herniotomien als auch bei Kaiserschnitten, die nahezu jeden Tag bis zu sechsmal stattfanden, die erste Assistenz übernommen. Da ich im siebten Semester noch nicht viel im OP gestanden habe, war das eine erstmalige und besondere Erfahrung. Ich habe viel über den Operationsablauf gelernt und hatte auch das „Wunder der Geburt" vorher noch nie miterlebt. Das "operation theatre" war eines meiner Lieblingsorte, nicht nur wegen des netten Teams und den zuvorkommenden Anästhesisten, sondern auch, weil es einer der wenigen klimatisierten Räume des Krankenhauses war. Klimatisiert, solange nicht der Strom ausfällt (was sehr regelmäßig vorkam und zur Folge hatte, dass wir mit unseren Handytaschenlampen versucht haben, den OP-Bereich zu beleuchten). Mit Dr. Brown war ich auch viel auf der Maternity Ward und mir wurde dort von einer Hebamme beigebracht, wie ich ein Kind durch Vaginalgeburt auf die Welt bringe. So kam es, dass ich auch dort Hand anlegen durfte und für die Geburt eines Kindes verantwortlich war.
Ganz besonders überrascht haben mich im Krankenhaus zahlreiche Hühner (Dr. Chicken), Ziegen (Dr. Goat) und Schafe (Dr. Sheep), die mir zum Teil auch im Gang begegnet sind. Alle haben zwar einen Besitzer, aber laufen dennoch frei herum und ernähren sich von Überresten und Müll auf der Straße. Besonders einprägsam war der Moment, als das Ziegenmeckern direkt vor dem ebenerdigen Fenster des OP zu hören war, während wir einen Kaiserschnitt vollzogen haben.
Staubstraße in Donkorkrom mit typischen Verkaufsbuden © Artur Mittring
Tagesablauf
Der Tagesablauf im Krankenhaus ist nicht an Zeiten gebunden. An einem Tag gab es anlässlich einer Trauerfeier ein Fußballspiel auf dem Krankenhausgelände, das bis zum frühen Abend ging. Aufgrund dessen wurde der Arbeitsbeginn am kommenden Tag einfach nach hinten verschoben. Man war ja schließlich durch das Fußballspiel bis spät abends am Arbeitsplatz zugange ... Diese zeitliche Flexibilität ist angenehm und stressfreier, geht aber auch mit einem Verlust an Effizienz einher. Ich hatte den Eindruck, dass sowohl Patienten als auch Mitarbeiter sich nicht stressen ließen. Stattdessen wurde auch am Arbeitsplatz gelacht, getanzt und viel geschnackt. Auffallend war, dass Ärzte an oberster Stelle der männlich dominierten Krankenhaushierarchie stehen und es sich völlig ungerechtfertigt leisten konnten, wider Erwarten auch erst mittags in der Klinik zu erscheinen und dadurch zum Beispiel den OP-Betrieb für einen Vormittag komplett aufzuhalten. Erschreckend fand ich, dass die Kommunikation mit weiblichen Patientinnen nur über deren Ehemann oder Verwandte stattfand, auch dann, wenn die Patientin direkt daneben saß.
Mein Alltag in Donkorkrom begann früh, denn meine Unterkunft war unweit der Moschee gelegen, sodass ich zu Sonnenaufgang, also gegen 5.30 Uhr, mehr oder weniger freiwillig durch den Muezzinruf geweckt wurde. Nach einem schnellen, typisch europäischen Porridge-Frühstück bin ich meist gegen 8 Uhr in ca. 5 min Fußweg zum Krankenhaus gelaufen. Meine Arbeitszeiten begannen zwischen 8 und 9 Uhr und endeten zwischen 14 und 17 Uhr. Morgens habe ich auf der Maternity Ward oder den Anästhesisten mit der Vorbereitung des Tages ausgeholfen. Gegen 9 Uhr kam Dr. Brown dazu und wir haben unsere morgendliche Runde gedreht, bevor wir die anstehenden Operationen begannen. Nach jedem der drei Todesfälle, die ich miterlebt hatte, gab es eine Versammlung aller Mitarbeiter der entsprechenden Station, um den Fall zu besprechen und ohne Schuldzuweisungen Verbesserungsvorschläge in der Behandlung für die Zukunft zu klären.
Dieses agile Arbeiten ist lobenswert, die Änderungsmöglichkeiten in der Patientenbehandlung und -überwachung werden allerdings durch die Knappheit oder gar Abwesenheit von notwendigen Geräten und Material erschwert. Das Krankenhaus hat einen einzigen Defibrillator, der allerdings ungenutzt in der Ecke steht. Darüber hinaus setzt sich das technische Inventar vorrangig aus veralteten europäischen oder nordamerikanischen Spenden zusammen. Das hausinterne Röntgengerät ist analog und es dauert ca. 20 Minuten, bis ein Bild entwickelt ist. Tagtägliches Material wie Verbände, Kanülen und Infusionen sind weitestgehend vorhanden, jedoch werden gerade im OP alle Geräte und Kleidung so oft wiederverwendet und sterilisiert wie nötig bzw. möglich. Das einzige technische Gerät mit Akku ist das Anästhesiegerät.
Nach dem Tag im operation theatre bin ich meist am Labor vorbeigegangen, um mir dort nach Absprache im Mikroskop typisch tropische Erreger wie Schistosoma haematobium zeigen zu lassen. Im Anschluss bin ich meist auf der Dorfstraße auf der Suche nach einem schnellen Mittagessen fündig geworden, denn es gab keine krankenhausinterne Verpflegung, sodass auch Patienten und Angehörige in der Stadt ihre Mahlzeiten besorgen mussten. Zur Abwechslung bin ich gelegentlich mit den Anästhesisten die Nationalspeise Fufu mit Grasscutter - eine Rattensorte aus dem Busch - oder auch Python essen gewesen. Besonders Letzteres war ein Highlight, weil selbst viele Afrikaner vor dem Gedanken zauderten, eine Schlange zu essen. Ich kann es aber empfehlen.
Den Nachmittag und Abend habe ich mit meinen beiden ghanaischen Mitbewohnern im Guesthouse verbracht und auch die Nachbarswaisenkinder waren begeistert, wenn wir zusammen Fußball gespielt haben. Bei über 30° kommt man auch bei einem kleinen Feld sehr schnell an seine Grenzen. Kwasi, dessen Idol Messi vom FCB ist, spielte uns alle in den Boden und sogar der selbsternannte Ronaldo hatte dagegen kaum etwas zur Wehr zu setzen. Mit den Kids zu spielen war ein schöner Ausgleich zum Alltag in der Klinik und sie freuten sich über die Abwechslung mit dem 'oburoni', dem 'weißen Mann'. Besonders angenehm war es, wenn es abends regnete. Nicht nur, weil dann die Flora anfing zu grünen, sondern vor allem, weil ich bei „kühlen 27°C“ besser als bei 35-38°C, die tagsüber immer erreicht wurden, schlafen konnte. Da mein Tag immer früh begann, ist er meist auch gegen 22 Uhr zu Ende gewesen.
Auf dem Weg zur Grenze zu Togo © Artur Mittring
Leben, Kultur und Inlandsreise
Ich hatte das große Glück, dass ich mit zwei Ghanaern in Donkorkrom unter einem Dach gelebt habe. Die beiden waren waschechte Profis im Zubereiten von traditionellen afrikanischen Gerichten - Kochbananen, Yam, Snails und diverse Stews. Ich habe nach und nach nicht nur die Schärfe und den Pfeffer hochdosiert, sondern mich sogar auch an das Essen per manum gewöhnt. Das waren kulinarische und interkulturelle Highlights und wir haben uns prächtig verstanden. Während meines Aufenthaltes habe ich auch einige Gottesdienste in der Kirche miterlebt, die ganz andersartig waren: musikalisch schrill, von Tanz dominiert, und offensiv spendeneintreibend. Nahezu alle Einwohner zählen sich einer der christlichen Kirchen oder der Moschee zugehörig.
Verglichen mit dem europäischen Standard, leben nahezu alle Menschen in Donkorkrom von weniger als 2 € am Tag und ihr Hab und Gut präsentiert sich meist auf wenigen Quadratmetern ebenerdiger Wohnfläche. Dennoch oder vielleicht gerade deswegen wirken die Menschen glücklich und zufrieden. Nahezu alles funktioniert über Bargeld oder Mobile Money eines Telefonanbieters, nirgendwo wird eine Rechnung geschrieben und die Preise sind verhandelbar.
Nach meinem Aufenthalt in Donkorkrom habe ich mich dazu entschlossen, den östlichen Teil des Landes, die Voltaregion zu bereisen. Ich bin mit einer Fähre nach Kpando über den Volta-See übergesetzt und nach Wli, in das Agumatsa Naturreservat gefahren. In einer herausfordernden, fünfstündigen Wanderung mit ca. 500 Höhenmetern und samt Bergführer habe ich mich der Grenze zu Togo und den Wli-Wasserfällen genähert. Das war ein großartiges, unberührtes Panorama und eine lohnenswerte Möglichkeit zu schwimmen. Auch habe ich den höchsten Berg Ghanas - Afadjato - bestiegen, sowie Affen in der freien Wildbahn gefüttert. Während die Eastern Region und auch die Afram Plains um Donkorkrom von der Hitze geprägt und deswegen sehr dürr sind, war Wli durch immergrüne Naturfülle gekennzeichnet. Zum Ende meines Aufenthaltes bin ich in einem vollgepackten Trotro - umgebaute VW-Busse, die als öffentliche Verkehrsmittel dienen - für ein paar Tage an die Küste nach Keta gefahren.
Corona
"Is Corona real?" fragte mich mein Bergführer in der Voltaregion, in der ich auch die Jagd auf Fledermäuse verfolgen konnte. Dieses Statement bringt die derzeitige Einstellung der Ghanaer zum Coronavirus optimal zum Ausdruck. Ausgehbeschränkungen? Fehlanzeige. Social Distancing? Fehlanzeige. Maskentragen? Fehlanzeige. Das Leben im Ghana findet nach wir vor statt wie zuvor. Die Märkte haben offen. Erstaunlicherweise gibt die Inzidenz den Afrikanern Recht, wobei sicherlich nicht annähernd so viel getestet wird wie in Europa (deswegen gibt es auch nur eine geringe Zahl an nachgewiesenen Positivfällen).
Vielleicht sind die Gründe für weniger Ansteckungen die durchschnittlich deutlich jüngere Bevölkerung, die Hitze, das Klima, oder dass sich das Leben vorrangig auf der Straße abspielt. Von offizieller Seite hat der Staat Maskenauflagen ausgesprochen und auch die Einreise ins Land ist nicht ohne einen vor Ort gemachten Coronatest möglich. Ab und zu trägt jemand eine Maske, aber dieser Eine ist auch nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Ich war scheinbar der Einzige, der konsequent eine FFP2 Maske getragen hat, im Krankenhaus und auch im Alltag. Besonders erfreulich hingegen ist, dass während meines Aufenthalts in Donkorkrom am Ostersamstag auch bereits mit den Impfungen (AstraZeneca oder Sputnik) begonnen wurde. Nachdem der medical staff geimpft ist, wird die Vakzine vorrangig an die ältere Bevölkerung verteilt werden.
Together for Ghana e.V.
Sowohl die Klinik Donkorkrom, meine Unterkunft, das Guesthouse, als auch ein benachbartes Waisenhaus werden unter Schirmherrschaft der Presbyterian Church geführt. Von deutscher Seite gibt es einen von Medizinstudierenden gegründeten Verein, - Together for Ghana e.V. - der den Aus- und Weiterbau des Guesthouses (dessen Erlös dem Waisenhaus zugute kommt) und des Waisenhauses mit finanziellen Spenden und das Krankenhaus mit medizinischen Sachspenden unterstützt. Den Leiter des Vereins hatte ich im Voraus getroffen und für den Verein habe ich auch ein zusätzliches Gepäckstück mit medizinischen Spenden wie Kitteln und OP Besteck für das Krankenhaus mit nach Donkorkrom gebracht.
Als ich an meiner Unterkunft ankam, war ich aus Mangel an Küchenutensilien vor einige Herausforderungen gestellt und zusätzlich ist der Strom auch noch ausgefallen, sodass die Deckenventilatoren in meinem Zimmer über Nacht leider nicht funktionierten. Das Guesthouse war spartanisch eingerichtet, aber durch die Hilfe von Together for Ghana e.V. und Elective Ghana hatte ich bis zum Ende meines Aufenthaltes sogar Kühlschrank und Mikrowelle zur Verfügung. Während ich in der zuvor ausgebauten Hälfte des Hauses gewohnt habe, ist die andere unter Aufsicht meiner beiden ghanaischen Mitbewohner in vier Wochen von einem fledermausbewohnten, fensterlosen Rohbau zu einem einladenden, sauberen und gutaussehenden Wohnhaus umgebaut worden, das für zukünftige Studenten und Gäste einen perfekten und modernen Ort zum Wohnen bietet.
Im Nachbarhaus leben fünf Waisenkinder im Alter von drei bis 18 Jahren mit einer Waisenmutter unter bemitleidenswerten Umständen. Schulsachen, Anziehsachen und gutes Essen sind rar, abschließbare Zimmertüren, ein funktionierender Kühlschrank oder auch nur ein Fußball sind nicht vorhanden. Das Haus samt Inneneinrichtung ist in einem renovierungsbedürftigen Zustand. Ich habe mich mit den Kindern sehr gut verstanden und ihnen diverse Utensilien besorgt, aber um eine langfristige Besserung der Zustände für die Waisen zu verbessern, ist die Arbeit von Together for Ghana e.V. großartig.
Fazit
Zusammenfassend habe ich aufregende, klinisch interessante, persönlich berührende und interkulturell horizonterweiternde fünf Wochen in Ghana erlebt. Es gab keinen Zeitpunkt, an dem ich mich nicht sicher fühlte und möchte die unkomplizierte Organisation des Medical Electives über Elective Ghana (einschließlich Abholung vom Flughafen, sowie Freizeitprogramm in Accra) ausdrücklich an zukünftige Famulanten empfehlen. Die Entscheidung, in Ghana zu famulieren, war genau richtig und ich würde es nochmal ganz genauso machen. In der überschaubaren Kleinstadt Donkorkrom fühlte ich mich wohl und war angetan von der ländlichen ghanaischen Lebensweise und den offenherzlichen Menschen. Die Missstände im Presbyterian Hospital lassen mich in der Folge nun die westliche Medizin in Deutschland viel besser wertschätzen.