- Bericht
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- Helen Paape
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- 04.02.2009
Famulatur in der Gynäkologie und Geburtshilfe in Kumasi, Ghana
Für die Medizinstudentin Helen Paape passt das nicht zusammen: Die Medien berichten regelmäßig von unfassbarer Armut und Elend auf dem afrikanischen Kontinent, und dennoch kennt sie selbst eine Reihe Afrikaner, genauer gesagt Ghanaer, die eine extrem positive Lebenseinstellung haben. Dass dies sehr wohl zusammenpasst und mit der besonderen Lebenseinstellung der Einwohner zu tun hat, konnte Helen 2008 bei ein Famulatur vor Ort erfahren.
Motivation
Es gibt viele gute Gründe eine Famulatur im Ausland anzustreben, auch wenn man später nicht unbedingt im Ausland arbeiten will. Ich denke, dass man von den Erfahrungen, die man im Ausland macht, auch später im deutschen Klinikalltag profitieren kann, vor allem im Umgang mit ausländischen Kollegen und Patienten.
Mir war daran gelegen, meinen persönlichen aber auch medizinischen Horizont zu erweitern, andere Krankheiten und Behandlungsmethoden kennenzulernen, und mein medizinisches Englisch zu verbessern. Nebenbei habe ich auch eine völlig andere Mentalität im Umgang mit Patienten erlebt.
Ich wollte gern nach Afrika, weil ich es mir sehr spannend und fremd vorgestellt habe. Ich habe viel über den Kontinent gehört, darüber wie schlecht es den Menschen dort geht, und wie miserabel die medizinische Versorgung angeblich sei. Ich wollte verstehen lernen, wie das zusammen passt mit der positiven Lebenseinstellung, die ich von ghanaischen Bekannten her kenne. Ist die Situation wirklich so aussichtslos? Wie kann man helfen und welche Hilfe kommt tatsächlich bei den Menschen an? Diese und ähnliche Fragen haben mich schon seit Längerem beschäftigt.
Meine Wahl fiel auf Ghana, weil meine Stiefmutter Ghanaerin ist und meine Familie zur selben Zeit dort im Urlaub war. Für Gynäkologie entschied ich mich, weil ich mir erhofft habe, in der Geburtshilfe in Ghana mehr Geburten mitverfolgen zu können, als dies auf den meisten gynäkologischen Stationen in Deutschland möglich wäre.
Vorbereitung
Ich hatte bereits in der Vorklinik die Veranstaltung "Famulatur und PJ im Ausland" besucht, die von der Allianz-Versicherung an der Uni veranstaltet wurde.
susanne.stoiber-fuchs@allianz.de
Dort gab es gute Tipps und auch Kontaktadressen für all diejenigen, die ihren Auslandsaufenthalt privat organisieren wollten.
Später, im klinischen Studienabschnitt bin ich bei einer Infoveranstaltung vom "Austausch-AK" meiner Uni auf die bvmd (Bundesvertretung der Medizinstudenten Deutschland) aufmerksam geworden, wo ich mich dann auch um einen Famulaturplatz mit Wunschland Ghana beworben habe. Für eine Bewerbung bei der bvmd ins außereuropäische Ausland müsst Ihr mindestens im dritten klinischen Semester sein, Ihr müsst einen Sprachtest absolvieren, ein Motivationsschreiben an das Gastland verfassen und eine Bearbeitungsgebühr von 100 Euro entrichten, wovon Ihr jedoch einen Teil zurückbekommt, wenn Ihr nach Beendigung der Famulatur einen Bericht einreicht.
Sämtliche Formalitäten findet ihr hier:
Parallel zu meiner bvmd-Bewerbung habe ich mich bemüht, auch privat Kontakt mit Ghana herzustellen, da ich sehr auf Ghana fixiert war und wollte, dass das auf jeden Fall klappt.
Ich habe per Email ghanaische Krankenhäuser kontaktiert. Die Kontaktinformationen hatte ich von der Allianz-Veranstaltung. Auf diesem Wege habe ich auch Anmeldungsformulare von den zwei Unikliniken in Ghana erhalten. Jedoch hätte bei einer direkten Bewerbung Studiengebühren von 100 bzw. 150 Dollar sowie Kost und Logis zahlen müssen. All diese Kosten entfallen im Austausch-Programm der bvmd/ifmsa.
Durch die Austauschorganisation war bereits der Kontakt mit dem Austausch-Komitee vor Ort hergestellt, und ich musste mich nicht mehr um eine Wohnmöglichkeit kümmern.
Zu guter Letzt war ich noch auf dem Trikont-Seminar in Heidelberg. Von dieser Veranstaltung hatte ich auch durch die bvmd erfahren. Leider lauteten die Themen Asien und Süd-Amerika, aber ich konnte dennoch viele hilfreiche Anregungen mitnehmen und habe nette Bekanntschaften gemacht.
Bei der MLP habe ich vor der Abreise, nachdem ich eine feste Zusage hatte, eine kostenlose Reisekrankenversicherung und eine Haftpflichtversicherung abgeschlossen. Hierbei handelt es sich um ein Paket, das sich speziell an Medizinstudenten richtet, die für Famulaturen oder PJ-Tertiale ins Ausland gehen.
Außerdem habe ich mich im Vorfeld natürlich ausgiebig impfen lassen. Eine Gelbfieber-Impfung ist Voraussetzung für die Einreise. Von der STIKO empfohlen sind weiterhin zusätzlich zu den allgemein geltenden Empfehlungen Typhus, Polio, Hepatitis A und B, Meningokokken und ggf. Tollwut (für den Fall, dass man auch ländliche Gebiete bereist). Nicht unbedingt von der STIKO, aber von zahlreichen Tropenmedizinern empfohlen ist eine Cholera-Impfung, die auch gegen diverse andere Erreger von Magen-Darm-Infektionen wirksam ist.
Unabdingbar ist eine Malaria-Prophylaxe, da Ghana zu den Malaria-Hochrisikogebieten zählt. Am besten lasst Ihr Euch am nächsten Tropeninstitut beraten. Ich nahm ein Moskito-Netz zum Schlafen und DEET (Moskitorepellent) mit auf die Reise.
Wichtiger Tipp
Unbedingt bei der Krankenversicherung nachfragen, ob diese die Impfkosten übernimmt. Meine Versicherung (nicht privat!) hat 80 % der von der STIKO empfohlenen Impfungen übernommen. Ihr könnt also mit einer kleinen Frage viel Geld sparen.
Visum
Das Formular für den Visumsantrag kann man im Internet auf der Seite der ghanaischen Botschaft in Berlin downloaden.
Das ausgefüllte Formular sendet Ihr dann in vierfacher Form und mit vier Passfotos per Post nach Berlin. Ich habe meinen Reisepass, eine Kopie der "Card of Acceptance" aus Ghana und das Rückporto mitgesendet. Der Preis für das Visum hängt von der Dauer des Aufenthaltes und der Anzahl der Einreisen in weitere Länder Afrikas ab. Ich musste das Geld etwa eine Woche zuvor auf das Konto der ghanaischen Botschaft überweisen. Die Kontoverbindung sowie alle weiteren wichtigen Infos stehen auf deren Website.
Es ist wichtig, sich rechtzeitig einen gültigen Reisepass ausstellen zu lassen. Das kann schon mal einige Wochen dauern. Ihr benötigt dafür auch ein biometrisches Passbild. Ich empfehle jedem, dieses von einem Fotografen machen zu lassen, der für die biometrische Gültigkeit garantiert und im Falle von Problemen beim Amt auch ein weiteres, korrektes Passbild anfertigt.
Anreise
Ich bin mit der Fluglinie KLM nach Accra geflogen. Accra ist die Hauptstadt Ghanas, liegt ganz im Süden des Landes an der Atlantik-Küste und hat den einzigen internationalen Flughafen. Ich habe insgesamt für den Hin- und Rückflug (Hamburg) zirka 1.300 Euro bezahlt. Mit KLM war ich sehr zufrieden: gutes Essen, guter Service, man kann sehr viel Gepäck mitnehmen und 30 Stunden vor Abflug online einchecken und einen Sitzplatz reservieren.
Nach Kumasi bin ich weiter mit einem Bus gefahren. Es gibt wohl auch die Möglichkeit zu fliegen, da Kumasi einen kleinen Flughafen hat, aber ich habe mich darüber nicht weiter informiert.
Das staatliche Busunternehmen heißt STC, und die Fahrt beträgt zwischen viereinhalb und zehn Stunden, je nach Verkehrsaufkommen und möglichen Unfällen - und in Abhängigkeit davon, ob der Bus überhaupt heil bleibt. Die Busse sind für die Verhältnisse sehr gut ausgestattet mit Klimaanlage und Fernseher, in denen während der gesamten Fahrt amüsante, emotional überladene nigerianische Filmproduktionen bei übersteuerter Lautstärke flimmern.
Unterkunft
Ich habe im Medizinerstudentenwohnheim neben dem Krankenhaus gewohnt. Dort habe ich mir ein Zimmer mit einer Ghanaerin geteilt, Aku. Sie war sehr nett und hat mir viel geholfen. So kam ich auch viel leichter mit den ghanaischen Studenten in Kontakt.
Für die Unterkunft musste ich aufgrund des Austausch-Status nicht zahlen. Wir hatten ein gemeinsames Zimmer mit zwei Betten, zwei kleinen Schreibtischen und einer kleinen Küche ohne Spüle. Das Zimmer war darüber hinaus von meiner Mitbewohnerin eingerichtet mit Fernseher - wir konnten hier zwei Sender empfangen - Mikrowelle, Herdplatte (Gas), Wasserkocher, Reiskocher, Kühlschrank und Geschirr. Sie hat großzügig alles mit mir geteilt und mir sogar ihren Laptop gegeben, damit ich Filme schauen konnte. Für den gesamten Flur gab es ein Bad mit WC, zwei Waschbecken und zwei Duschen. Außerdem war ein kleiner Bereich zum Geschirr spülen und Wäsche waschen. Dies geschah aber nicht in entsprechenden Maschinen, sondern in Eimern.
Freien Platz im Schrank hatte ich nicht, da meine Mitbewohnerin eigentlich eine andere Zimmergenossin hat, die gerade für sechs Wochen in Finnland auf Austausch war. Aku selbst ist nicht im Austauschkomitee, hat sich aber bereit erklärt, mich bei ihr wohnen zu lassen. Wir haben uns ausgezeichnet verstanden und halten weiterhin den Kontakt.
Komfo Anokye Teaching Hospital (KATH)
Das Krankenhaus fällt sofort allein schon wegen seiner Größe auf. Obwohl Kumasi die zweitgrößte Stadt Ghanas ist, gibt es nicht viele wirklich große Gebäude. Außerhalb der Städte gibt es kaum Gebäude, die mehr als ein bis zwei Stockwerke aufweisen.
Die Klinik ist in den 50er Jahren gebaut worden, wobei zur Zeit meines Aufenthalts ein moderner Anbau stattfindet. Es handelt sich um das zweitgrößte Krankenhaus des Landes. Es ist eins der zwei Lehrkrankenhäuser mit etwa 1000 Betten und 2500 Angestellten. Ein Aufkommen von 42.000 stationären und 450.000 ambulanten Patienten ist jährlich zu bewältigen.
Das KATH erhebt den Anspruch, entsprechend internationalen Standards zu behandeln und lehrt dementsprechend auch nach diesen Standards. Außerdem ist ein ehrgeiziges Fünf-Jahres-Ziel 2003 formuliert worden, bis im Jahr 2008 internationale Exzellenz zu erreichen. Bereits seit 2000 betreibt das Haus Qualitätssicherung, die unter anderem eine nosokomiale Infektionskontrolle zum Ziel hat.
Die Fachbereiche am KATH umfassen Innere Medizin inklusive Onkologie, Allgemeine Chirurgie, Gynäkologie/Geburtshilfe, Pädiatrie, Anästhesie, HNO, Zahnmedizin und Ophtalmologie.
Trotz des fortschrittlichen Eindrucks, den diese Schilderungen hinterlassen könnten, solltet Ihr nicht vergessen, dass Ghana ein sogenanntes Entwicklungsland ist, und die Verhältnisse im Krankenhaus völlig andere sind, als man es aus Deutschland kennt: Die Wartebereiche und Flure sind überfüllt. An den Treppenaufgängen steht Wachpersonal um Besucher außerhalb der Besuchszeiten am Eintreten zu hindern, weil die Stationen meist überfüllt sind. Zum Teil liegen Matratzen mit Patienten auf den Fußböden, weil keine Betten mehr frei sind. Es gibt keine 2- oder 3-Bett-Zimmer, sondern große Säle, wo 40 Patienten zusammen liegen.
Generell werden die Patienten weniger respektiert, was für diese jedoch scheinbar in Ordnung ist; es entspricht nicht der Mentalität der Ghanaer sich zu beschweren, zum Beispiel über den zum Teil doch sehr rabiaten Umgang. Ich glaube, dort würde niemand je auf die Idee kommen, einen Arzt wegen eines Behandlungsfehlers zu verklagen.
Es gibt keine Blutbanken, daher müssen Angehörige zum Blut spenden gefunden werden, wenn jemand eine Bluttransfusion benötigt. Schwangeren wird geraten, schon während der Schwangerschaft einen Verwandten ausfindig zu machen, dessen Blut kompatibel ist - für den Fall eines starken Blutverlusts während der Geburt.
Des Weiteren gibt es keine Notfallversorgung außerhalb der Klinik, keine Notärzte, keine Krankenwagen und keine Sanitäter. Der Grund dafür ist unter anderem, dass die meisten Straßen keine Namen haben, es kaum Adressen gibt, und man die Verunglückten deshalb wohl gar nicht finden würde. Zudem sind die Straßenverhältnisse teilweise katastrophal.
Das Schöne an Ghana ist jedoch, dass es den Namen "Entwicklungsland" redlich verdient hat - im positiven Sinne - denn jeder kann sehen, dass es sich weiter entwickelt. Der Straßenbau geht voran und auch die medizinische Versorgung wird stetig verbessert. So soll im neuen Anbau der Klinik auch eine moderne Abteilung für Unfälle und Notfälle aufgebaut werden.
Sprache
Die Amtssprache in Ghana ist Englisch und wird von jedem, der eine weiterführende Schule besucht hat mehr oder weniger gut gesprochen. Die Ärzte und Medizinstudenten sprechen durchweg gutes Englisch, bei den Patienten wird es da schon schwieriger. Anamnesen werden in der Regel in Twi erhoben. Das ist eine von vielen der dort gesprochenen Sprachen, aber neben Englisch die am weitesten verbreitete. Es lohnt sich vor einem Aufenthalt oder auch vor Ort einige Worte Twi zu lernen, weil sich die Einheimischen dann verständlicherweise sehr freuen. Von nigerianischen Studenten, die länger in Ghana bleiben, wird erwartet, dass sie Twi lernen um Anamnesen durchzuführen. Zur Eingewöhnung bekommen sie anfangs wohl Dolmetscher zur Seite gestellt.
Wir Auslands-Famulanten waren auf die Übersetzungen durch unsere ghanaischen Mitstudenten angewiesen. Im Großen und Ganzen kamen wir mit Englisch aber sehr gut zurecht. Ich selbst habe zur Vorbereitung einen Twi-Sprachkurs auf fünf Audiokassetten absolviert. Es hat mir geholfen einige Floskeln zu verstehen und einfache Sätze zu sprechen.
Es gibt aber auch Regionen, in denen kein Twi gesprochen wird. Twi ist die Sprache der Ashanti und wird in der Ashanti-Region, in der auch Kumasi liegt, gesprochen. Die Ashanti bilden die größte Bevölkerungsgruppe. Außerdem gibt es aber zahlreiche Dialekte des Twi, z.B. Fanti, ein weiterer Stamm aus der Western Region. Angaben über die Zahl der Sprachen Ghanas schwanken je nach Quelle von 46 bis mehr als 100.
Ein Wort, auf das man als Weißer auf jeden Fall stoßen wird, ist "Obruni" und heißt soviel wie "Weißer" oder "Fremder" - und ist positiv zu verstehen. Vor allem in den Dörfern, aber zm Teil auch in den Städten kommen die Kinder angelaufen und rufen "Obruni", lachen und freuen sich, einen hier sehr exotisch wirkenden Weißen zu sehen.
Tätigkeitsbeschreibung und fachliche Eindrücke
An meinem ersten Tag, Montag, den 1. Oktober 2008, wurde ich von Charles aus dem Austauschkomittee um 10 Uhr abgeholt. Er hat mich und eine Austauschstudentin aus der Tschechischen Republik, die ebenfalls ihren ersten Tag hatte, zum Krankenhaus gebracht, uns in die jeweiligen Bereiche begleitet und den zuständigen Ärzten vorgestellt. Mein Arbeitsplatz war die Gynäkologie.
Nun müsst Ihr Euch den Uni-Alltag in Ghana so verstellen, dass die Studenten morgens ein bis zwei Vorlesungen haben und den Rest des Tages auf Station verbringen. Auf den geburtshilflichen und gynäkologischen Stationen verbringen sie insgesamt sechs Monate.
Austauschfamulanten verbringen die Zeit mit den anderen Studenten, geht mit in die Vorlesungen und nachher dann auf Station. In meiner ersten Woche hatten die Studenten aber noch nicht mit Gynäkologie begonnen, deshalb war ich auf Station mit den Ärzten "allein". Die Organisatoren hatten mir geraten, ich solle mich an Dr. Ocran halten. Er würde sich in der ersten Woche um mich kümmern. Dr. Ocran (oder Edward, oder Ebo) war House Officer. Das heißt, dass er sein Studium absolviert hat und nun zwei Jahre durch unterschiedliche Bereiche des Krankenhauses rotiert. Die House Officers machen je sechs Monate Innere Medizin, Allgemeine Chirurgie, Pädiatrie und Geburtshilfe/Gynäkologie.
Die Ärzte sind wie die Studenten auch verschiedenen Teams zugeteilt. In jedem Team gibt es mehrere House Officers, Fachärzte und Chiefs. Ich war in Team E. Das Team war montags "on duty", das bedeutet: 24 Stunden Bereitschaftsdienst.
Zunächst bin ich am Morgen des ersten Arbeitstages in den OP gegangen und habe bei einer Not-Sectio zugeschaut. Da ich an dem Tag keine eigene OP-Kleidung dabeihatte - also dran denken - habe ich ein sackgroßes Kasack, eine viel zu große Hose und riesige Schuhe bekommen. In dem Moment hätte ich mir so gewünscht, zumindest Socken angehabt zu haben. Nun stand ich barfuß in Plastikschuhen da, die wahrscheinlich schon von hunderten Menschen zuvor getragen worden sind.
Nach dem Kaiserschnitt bin ich dann mehrere Stunden in den Kreißsaal gegangen, und habe dort bei vier Geburten zugeschaut. Selbst anpacken durfte ich leider nicht. Bei den Geburten sind nur die Hebammen und Krankenschwestern anwesend. Auch die Ehemänner und andere Angehörige dürfen wegen Platzmangels nicht mit in den Saal. Die Ärzte haben lediglich die Voruntersuchungen durchgeführt, wie Puls und Blutdruck messen, zeitlichen Wehenabstand und Cervixweite bestimmen und Ähnliches.
Monitore, CTG und Schmerzbehandlung gibt es in der Regel nicht. Gelegentlich führen die Geburtshelfer eine Spinalanästhesie durch, wie auch bei Kaiserschnitten. Epiduralanästhesien hingegen machen sie in der Klinik gar nicht.
Als eine Zeit lang keine Geburten mehr anfielen, bin ich mit Edward auf die gynäkologische Station gegangen. Er war sehr nett und locker und erzählte mir, dass er vor einigen Jahren als Austausch-Student in Deutschland war. Famulaturen wie bei uns sind im Ghanaischen Medizinstudium nicht vorgesehen.
Wir haben dann gemeinsam nach mehreren Patientinnen geschaut und bei zwei Patienten Blut abgenommen. Eine Patientin war anämisch und brauchte Blutkonserven. Da es, wie dort leider üblich, keine Konserven auf Reserve gab, musste ein Angehöriger gefunden werden, der Blut spenden konnte.
Die Arbeitszeiten waren gut, wenn ich auch zum Beispiel am ersten Tag erst um 18:30 gehen konnte. Doch den 24-Stunden-Dienst musste ich zum Beispiel (und zum Glück) nicht voll aussitzen. Zwischendurch hatte ich auch mal Zeit, Mittag zu essen. Das Essen gibt es für Austausch-Studenten kostenlos im Wohnheim.
Im Laufe der ersten Woche habe ich die vier Stationen des gynäkologischen Bereichs kennengelernt, zu 75% handelt es sich um geburtshilfliche Fälle. Die Bereiche im Einzelnen:
- A1 Präeklampsie, Eklampsie und Schwangerschaftsinduzierter Hypertonus,
- A2 Wochenbett,
- A3 gynäkologische Fälle,
- A4 Pränatale Station.
Richtig viel arbeiten musste ich eigentlich nicht. In der ersten Woche bin ich bei Visiten mitgelaufen, wo die House Officers ihren Chefs die Patienten vorstellen. Außerdem habe ich Blutdruck gemessen (mit echter Quecksilbersäule), Patientinnen nach ihrer Befindlichkeit gefragt und geschaut, ob OP-Wunden nach Kaiserschnitten gut verheilen. Meistens war ich bis zur Mittagszeit durch und brauchte nachmittags nicht mehr wieder auf Station zu kommen.
Außerdem verbrachte ich einige Zeit in der Ambulanz (Consulting room), wo vor allem Schwangere kostenlos zur Vorsorge, und junge Mütter zur Schwangerschaftsnachsorge kommen. Hier durfte ich die Bäuche von Schwangeren palpieren, nach dem Kindskopf tasten und embryonale Herztöne erhorchen.
Ab der zweiten Woche war ich dann mit den ghanaischen Studenten unterwegs, die gerade mit Gynäkologie begannen.
Vom weiteren Ablauf der Famulatur war ich übrigens ziemlich enttäuscht, da mir alles extrem ungeregelt erschien. Vielleicht lag es daran, dass das Personal gerade neu in dem Bereich begonnen hatten, aber oftmals wusste keiner wann wir wo sein sollten, oder warum der für uns zuständige Arzt nicht aufgetaucht ist. Nicht selten wurden wir nach vier Stunden Warten nach Hause geschickt.
Die Studenten haben selbst praktisch wenig gemacht, zumeist schauten sie nur zu. Das Wochenprogramm sah so aus, dass wir montags den 24-Stunden-Bereitschaftsdienst hatten, dienstags mit auf Oberarztvisite gegangen sind, mittwochs im großen OP waren, wo elektive Eingriffe wie Myomektomien und Hysterektomien durchgeführt wurden, donnerstags im Zentrum für "Family planning" und freitags dann im Consulting room, also in der Ambulanz. Beim Zentrum für Familienplanung ist die für uns zuständige Person leider nie erschienen und wir mussten uns mehrere wirklich schlechte Filme über Verhütungsmethoden angucken. Die Filme waren zumeist in sehr schlechter Bild- und Tonqualität und teilweise auch inhaltlich recht fragwürdig.
Die Freitage in der Ambulanz waren auch nicht so toll wie in der ersten Woche, da der Raum nun einfach überfüllt war mit sechs Studenten, einem Arzt, einer Schwester, einer Patientin und evtl. einem Angehörigen. Die ersten paar Stunden haben wir auch nur gucken und zuhören dürfen. Erst als es auf die Mittagszeit zuging, durften auch wir Studenten mal den Uterusstand abmessen und die fetalen Herztöne abhören.
Meine dritte Woche verlief ziemlich desorganisiert, und in der letzten Woche nahm ich an der "Health Week" teil: Einmal im Jahr haben die Studenten eine Woche frei, in der sie in Gruppen von zwei bis vier Leuten in die verschiedenen Distrikte des Landes fahren um vor allem in entlegenen Gebieten Gesundheitsaufklärung zu betreiben. Passend zu meiner Famulatur in der Gynäkologie war das diesjährige Thema Mutter- und Kindsgesundheit. Wir klärten die Bevölkerung auf über korrektes Stillen, Schwangerschaftsvorsorge, Impfschutz, Lippen-Kiefer-Gaumenspalte, Malaria bei Kindern und Malariaprophylaxe bei Schwangeren - und über das modernisierte Gesundheitssystem. Dieses umfasst eine Krankenversicherung ab 20 Cedis im Jahr, kostenlose Angebote für Mutter und Kind auch ohne Versicherung und kostenlose LKGS-Ops am Krankenhaus in Kumasi, Angebote, die durch ein kanadisches Hilfsprojekt finanziert werden.
Für die Kosten und die Organisation der Fahrt, das Essen und die Unterkunft sind übrigens die Distrikte zuständig. Das Projekt wird jedes Jahr von zahlreichen Sponsoren unterstützt. Neben dem Nutzen für die Bevölkerung bietet das Projekt den ghanaischen Studenten die Möglichkeit etwas rumzukommen und ihr eigenes Land besser kennenzulernen. Manchmal bleibt sogar Zeit für kleinere Ausflüge. So haben wir zum Beispiel die Kläranlage für die Ashanti-Region besichtigt, wo das sauberste Trinkwasser in ganz Afrika durch die Leitungen fließt.
Im Großen und Ganzen war ich erstaunt über die fortschrittlichen Maßnahmen im Gesundheitssystem. Seit nunmehr acht Jahren ist eine Regierung an der Macht, die wirklich viel fürs Land und die Leute tut. Seit 2002 gibt es eine Krankenversicherung für alle. In der Schwangerschaftsvorsorge arbeiten die Ghanaer seit 2007 nach ähnlichen Protokollen wie wir in Deutschland, und auch die Hygienemaßnahmen, die bei uns herrschen, sind zumindest bekannt, auch wenn es auch manchmal an der Durchführung hapert.
Noch nutzen nicht alle die ihnen zur Verfügung stehenden Angebote, vermutlich weil viele noch nichts davon wissen. Die Analphabetenrate ist hoch, und bei den Frauen noch höher als in der männlichen Bevölkerung. Mündliche Aufklärungsmaßnahmen wie sie im Rahmen der "Health Week" betrieben werden, sind in diesem Zusammenhang zu sehen.
Insgesamt hätte ich gerne die Zeit im Krankenhaus effektiver genutzt, noch mal das Zentrum für Family Planning besucht und dort den normalen Tagesablauf miterlebt.
Land und Leute
Außerhalb des Krankenhauses wurde sich gut um uns Austauschfamulanten gekümmert. So haben die Studenten aus dem Austausch-Komitee viele Freizeitaktivitäten organisiert. Wir waren ein Wochenende in Cape Coast und haben dort ein traditionelles Fest mit Straßenumzug und Party am Abend miterlebt, besuchten den Kakum-Nationalpark und an einem Traumstrand mit Wellen, Palmen und Sandstrand. Geschlafen haben wir in einem Wohnheim einer lokalen Universität, sodass wir nicht für die Übernachtung zahlen mussten. Darüber hinaus waren wir viel abends unterwegs, mal was trinken, auch mal tanzen, Billard spielen oder singen in der Karaoke-Bar.
Ein Wochenende war ich mit einer Gruppe Austauschstudenten aus verschiedenen Herkunftsländern am See Bosumtwe, nicht allzu weit von Kumasi entfernt. Auch dort haben wir eine Nacht verbracht, haben uns ausgeruht und waren Schwimmen.
Dadurch, dass wir mit ghanaischen Studenten Zimmer geteilt haben, waren wir gleich viel besser integriert und konnte sehr authentisch das ghanaische Studentenleben miterleben.
Ghanaer habe ich als gastfreundlich, fröhlich, unkompliziert und sehr nett wahrgenommen. Insgesamt beschweren sich Ghanaer viel weniger als Deutsche. Dadurch ist das Miteinander einerseits deutlich harmonischer. Auf der anderen Seite bremst diese Hinnehm-Mentalität den Weg für Verbesserung und Effizienz.
Ich fand es ganz toll mal ein Land ohne deutsche Bürokratie zu erleben. Gleichzeitig wurde mir aber auch bewusst, wo der Sinn der vielen Bestimmungen, Regeln und Normen in Deutschland liegt. So mussten wir in Ghana einfach bei jedem Schritt, den wir machten, mehr aufpassen als in Deutschland, beispielsweise damit wir nicht in ein Loch in der Straße fallen. Durch ein enormes Schlagloch ist einmal unserem Taxi während der Fahrt die Vorderachse gebrochen.
Das tägliche Treiben auf dem Markt ist ein wahninniges Gewirr, das Spaß macht, aber auch sehr anstrengend ist. Die Verkäufer fassen die Kunden gerne an, halten diese zum Teil richtig fest, wollen natürlich Ihre Waren verkaufen. Das machten sie mit ihren Landsleuten genauso wie mit uns Ausländern. Wir haben auf dem Markt unter anderem traditionelle ghanaische Stoffe gekauft und beim Schneider Kleider maßanfertigen lassen. Das war sehr günstig, und ich empfand das als einen intimen Berührungspunkt mit der ghanaischen Kultur. Entsprechend empfehle ich das jedem, der mal nach Ghana kommt!
Fazit
Die Ghana-Reise war ein tolles Erlebnis, die Menschen waren extrem nett zu mir und die Landschaft mit Regenwald und Savanne zutiefst beeindruckend. Ich hoffe, dass ich noch einmal die Möglichkeit haben werde nach Ghana zu reisen.
Dennoch: Zwischendurch war ich immer wieder enttäuscht, wie ineffizient wir unsere Zeit oft mit Warten vertrödeln mussten. Im Großen und Ganzen habe ich aber medizinisch doch einiges, und über die Politik und das Gesundheitssystem in Ghana viel gelernt.
Absolut grandios waren die menschlichen Erfahrungen, die ich gesammelt habe. Es war großartig, eine derart andersartige Kultur direkt kennenzulernen und festzustellen, dass Medizinstudenten weltweit ihre Gemeinsamkeiten haben.
Auch unabhängig von Studium und Krankenhaus hatte ich viel Kontakt zu Land und Leuten; hierbei habe ich die ghanaische Mentalität ein wenig kennen und schätzen gelernt. Es war auf jeden Fall eine großartige Lebenserfahrung.
Die Famulatur ließ mich außerdem erst richtig erkennen, dass auch Deutschland seine Probleme hat. Nicht nur in Afrika gibt es Arme und Kranke, denen es schlecht geht. Auch in Deutschland leiden viele Menschen, können ihre Rechnungen nicht bezahlen und sich unter Umständen wünschenswerte Behandlungen nicht leisten.
Mediziner müssen nicht nach Afrika gehen, um Elend zu bekämpfen. Auch in Deutschland ist Hilfe möglich und nötig: Wer in Deutschland ohne Obdach ist, wird sicher schneller erfrieren als in Ghana.
Interessante Adressen
Bewerbung für KATH in Kumasi: Francis Bismarck
fbismarck2000@yahoo.co.ukFür eine (oder mehrere) Übernachtung in Accra bei der An-/Abreise:
Bewerbung für "University of Ghana Medical Schoolcollege of Health Science: Academic UGMS in Accra