• Bericht
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  • Béatrice Cannard
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  • 06.06.2007

Anästhesie-Famulatur in Reykjavik, Island

Nachdem ich schon drei Famulaturen in Deutschland absolviert hatte, wollte ich endlich im Ausland ein neues Gesundheitssystem und dazu noch ein neues Land kennenlernen. Da erzählte mir eine Freundin von Island, wo angeblich „die Welt noch in Ordnung sei“. Nur ein paar Bilder von Vulkanen, Geysiren und Eis, und ich hatte eine Entscheidung getroffen: Auf nach Reykjavik, die nördlichste Hauptstadt der Welt!

 

Hier wird der Fisch noch an der frischen Luft getrocknet.
Alle Fotos: Béatrice Cannard

 

Bewerbung

Wie bewirbt man sich in einem Land, dessen Sprache man überhaupt nicht lesen kann? Erstmal hieß es, sich nicht entmutigen lassen durch die extrem komplizierten Schriftzeichen! Und möglichst rasch die englische Version der Homepage öffnen! Unter der Internetseite des Krankenhauses findet man gleich ein vorgefertigtes Formular für ausländische Studenten, die gerne im Landspitali Hringbraut arbeiten möchten. Mit dem Wunsch in die Anästhesie zu gehen und mit der Frage nach einer Unterkunft schickte ich schließlich das Formular ab. Da eine Freundin selbst ein Jahr zuvor in Reykjavik famuliert hatte, ahnte ich schon, dass ich wahrscheinlich länger auf eine Antwort warten müsste …

Zum Formular

Erstaunlicherweise kam bereits 3 Wochen später eine Email von der Sekretärin der Anästhesie, die mir die Famulatur vom 1.März bis 1. April 2007 bestätigte. Eine Unterkunft konnte mir das Krankenhaus zwar nicht anbieten, aber dafür gab mir die Sekretärin der Anästhesie noch zwei Adressen, die mir dabei behilflich sein könnten.

Ich rate Euch, falls ihr länger als 6 Monate auf eine Antwort wartet - was anscheinend besonders für Bewerbungen in der Chirurgie der Fall ist - einfach beim Sekretariat eures Wahlfachs anzurufen!

 

Reykjavik

 

Unterkunft

Jetzt fehlte aber noch ein gemütliches Zimmer. Was am Anfang einfach erschien, erwies sich als echtes Problem, weil weder das Krankenhaus noch die Universität für einen Monat Zimmer vergibt. Auch die Kontaktadressen, die mir von der Anästhesie gegeben worden sind, konnten mir nicht weiterhelfen:

Unter island.is wurde ich ebenfalls nicht fündig. Aber es lohnt sich auf jeden Fall dort nachzufragen! (Anm. d. Red.: Link geändert, da veraltet.)

Schließlich erkundigte ich mich in einigen Guesthouses in Reykjavik, ob sie ein billiges Zimmer vermieten. Leider wurden mir keine Vergünstigungen angeboten, sodass ich 1500 Euro für ein Zimmer hätte bezahlen müssen - die preisgünstigsten Zimmer in den sogenannten Guesthouses kosten tatsächlich 50Euro/Tag. Und das waren auch noch Winterpreise!

 

Die bekannten Island-Ponys

 

Übrigens, eine gute Übersicht über die verschiedenen Unterkunftsmöglichkeiten findet ihr hierSomit war ich ca. 1½ Monate vor Famulaturbeginn ohne Zimmer. Meine Verzweiflung war dann so groß, dass ich der Sekretärin der Anästhesie schrieb, ich würde wohl oder übel nicht kommen können. Sie schrieb aber innerhalb von ein paar Tagen zurück, mit zwei Adressen von Damen die bereit wären mich aufzunehmen! Nach nicht mal 2 Tagen hatte ich die Bestätigung für ein kleines Zimmer bei einer Frau und ihrer 17-jährigen Tochter, nur 20 Minuten Fußweg vom Krankenhaus entfernt!

Voller Vorfreude buchte ich noch meinen Flug mit Icelandair (in den Sommermonaten fliegt übrigens auch Icelandexpress) und kaufte mir noch warme Wanderschuhe und eine gute Regenjacke! Und nachdem mein MRSA-Test negativ ausfiel, konnte es endlich losgehen!

 

Sprachkenntnisse

Obwohl sehr viele Isländer perfekt Englisch sprechen, konnte ich mir überhaupt nicht vorstellen, vier Wochen lang in einem Land zu leben ohne auch nur die Basics der Sprache zu beherrschen. Also nahm ich im Wintersemester an einem Sprachkurs meiner Uni teil.

Nachdem ich schon vorgewarnt wurde, musste ich nun selbst feststellen, dass Isländisch eine verdammt schwierige Sprache ist! In den 3 Monaten kämpfte ich mit der Grammatik - insbesondere Deklinationen - mit Vokabeln und der Aussprache. Ich ahnte schon, dass nur ein Semester Isländisch nicht ausreichen würde um sich mit den Isländern zu verständigen.

Das bestätigte sich dann auch in Island: Die Menschen dort sprechen sehr schnell und denken oft auch nicht daran langsamer zu reden. Irgendwann gab ich es auf und blieb beim guten alten Englisch, was aber nie ein Problem war. Doch mir ista aufgefallen, dass die kläglichen Versuche mich in Isländisch auszudrücken wurde von den Isländern sehr geschätzt wurden! Sie freuen sich sehr, wenn sie merken, dass man sich für ihre Sprache interessiert! Aber insgesamt war ich doch sehr enttäuscht nicht mitreden zu können, wenn die Isländer sich in ihrer Sprache unterhielten.

 

Das Landspitali Hringbraut

 

Famulatur in der Anästhesie

Um 7:30 Uhr begann in der Anästhesie die Frühbesprechung, in der die Dienstärzte die Vorfälle der Nacht besprachen. Zudem wurden im Anschluss, bis zu vier mal in der Woche, kurze Fortbildungen gehalten. Leider waren diese Besprechungen immer auf Isländisch, was bei so früher Stunde bei mir schon mal den Gedanken aufkommen ließ, weshalb ich eigentlich so früh aufgestanden bin. Da am Freitag die OPs erst um 9 Uhr anfingen, wurde dann zusammen „intensiv“ gefrühstückt, was sehr angenehm war!

Ab 8 Uhr bin ich - außer freitags - gleich in den OP gegangen und konnte mir die Operationen auswählen, die mich besonders interessierten. Somit konnte ich zwischen kinderchirurgischen, urologischen, viszeralen oder gynäkologischen Eingriffe wählen. Auch größere Herzoperationen waren täglich auf dem OP-Plan.

Da mir kein Tutor zugewiesen wurde, fühlten sich die Ärzte teilweise gar nicht für mich zuständig. Somit verbrachte ich den recth eintönigen Tag im OP und schaute bei den verschiedenen OPs zu. Aber obwohl die Anästhesisten recht schnell nach der Einleitung den OP-Saal verließen, konnte ich immer Fragen stellen, die auch geduldig beantwortet wurden.

Die Anästhesieschwestern haben in Island einen besonderen Status und kümmern sich während der ganzen OP um den Patienten. Auch sie waren immer sehr aufgeschlossen und konnten mir so einige Rätsel der Anästhesie erklären. Dank ihnen wurde es im OP nie langweilig!

Die Ärzte waren alle sehr freundlich und aufgeschlossen. Ob Student oder Chefarzt, jeder duzt jeden und man redet sich nur mit dem Vornamen an. Trotz ihrer offenen und hilfsbereiten Art, wurden sie nach 3 Wochen erst richtig „warm“ und trauten mir dann auch deutlich mehr zu. Ich durfte zunächst Maskenbeatmen, dann Larynxmasken einsetzen und schließlich intubieren. Da aber insbesondere das Intubieren sowohl unter Ärzten als auch unter Anästhesieschwestern und Schwesternschülerinnen sehr beliebt war, musste man teilweise schon penetrant nachfragen. Aber die meisten Ärzte waren sehr bemüht, die Arbeiten untereinander "gerecht aufzuteilen". Ich durfte nach einer gewissen Zeit die medikamentöse Einleitung übernehmen und durfte Spinale legen, was aber eher selten vorkam. Nadel legen gehörte genauso zu meinen Aufgaben wie extubieren.

Wenn man sich etwas zutraut oder etwas gerne machen möchte, sollte man sich nicht scheuen es zu sagen! Die Ärzte freuen sich über so viel Engagement, und das nicht nur, weil die isländischen Studenten oft gelangweilt neben den OP-Tischen stehen. Leider konnte ich wegen der mangelnden Sprachkenntnis nicht die Anästhesie dokumentieren. Und auch das Aktenlesen erwies sich als äußerst anstrengend.

 

Man hat das Gefühl, auf dem Mond gelandet zu sein.

 

In den OP-Sälen herrschte aber immer eine angenehme Stimmung und auch das Verhältnis zwischen Ärzten und Schwestern war ausgezeichnet. Somit wurde im, übrigens hoch-technisch ausgerüsteten OP viel gelacht. Einige Ärzte bemühten sich dann auch noch mit mir in Deutsch zu reden und versuchten krampfhaft ihre Deutschkenntnisse von vor dreißig, vierzig Jahren vorzutragen!

Mein Tag endete meist zwischen 14 und 15 Uhr, weil nur selten OPs am späten Nachmittag anstanden. Zeitweise waren am Freitag gar keine OPs, womit ich mir dann ein verlängertes Wochenende gönnen konnte. Es gab sicherlich noch die Möglichkeit auf der Intensivstation vorbeizuschauen, aber da die Ärzte dort ziemlich im Stress waren und keiner Zeit hatte mir die Patientenakten zu übersetzen, machte ich mich lieber auf den Weg in die Stadt!

Isländische Kultur und Landschaft… und natürlich das Wetter!

Da ich immer recht früh gehen konnte, hatte ich viel Zeit die Stadt kennenzulernen. Reykjavik ist zwar mit seinen 200.000 Einwohnern eine eher kleine Hauptstadt, aber sie bietet einiges: Sei es der Hafen, die Hauptstraße Laugavegur, das Nationalmuseum, Perlan oder das intensive Nachtleben, Reykjavik ist mit keiner anderen Metropole vergleichbar!

Aber auch außerhalb der Hauptstadt gibt es einiges zu erkunden: den Golden Circle, die zweitgrößte Stadt Islands im Norden, Akureyri, die Halbinsel Snæfellsnes, Richtung Süden die größten und atemberaubendsten Gletscher (u.a der Vatnajökull, der "Gewässergletscher"). Und dabei trifft man immer auf Wasserfälle, Vulkane, oder Lavagestein!

Zwischen Amerika und Europa gelegen, bietet die Insel eine angenehme Mischung aus beiden Kulturen, kämpft dabei aber ständig um das Überleben ihrer eigenen altnordischen Traditionen. Man sollte sich nicht wundern, wenn man von Isländern etwas "auf Distanz" gehalten wird. Isländer bleiben gerne unter sich. Trotzdem habe ich in Island gute Freunde gefunden, mit denen ich immer noch regelmäßigen Kontakt habe.

Zwar sind die Monate Mai bis August sicherlich am angenehmsten, aber auch im Winter kann man einiges unternehmen. Aber nur wenn man sich an den Satz "es gibt kein schlechtes Wetter, nur schlechte Kleidung" hält. Tatsächlich ist das isländische Wetter unberechenbar. Innerhalb von 2 Minuten kann ein wolkenloser Himmel in einen Schneesturm entarten. Isländer gehen auch nie ohne warme Jacke aus dem Haus, auch wenn die Temperatur gerade 20°C beträgt.

 

Die Lava-Küsten am Snæfellsnes

 

Kosten

Die Kosten sind das wohl Unangenehmste auf Island. Was wir als teuer empfinden ist in Island normal. Am Ende des Monats steht man unter Umständen ziemlich ratlos vor einem großen Loch im Geldbeutel und fragt sich, wo das ganze Geld geblieben ist. Ich hatte noch einen ganz günstigen Flug mit knapp 250 Euro, die Unterkunft war aber mit 700 Euro für 1½ Monate ziemlich teuer. Im Krankenhaus bekommt man jedoch bereits für 3 Euro ein günstiges Mittag- und sogar Abendessen.

Aber an einem Punkt sollte man sicherlich nicht sparen: Ausflüge ausserhalb von Reykjavik, sei es mit organisierten Führungen, wie es Reykjavik Excursions oder Iceland Excursionsa anbieten oder mit dem Mietauto. Den Golden Circle oder die Halbinsel Snæfellsnes muss man gesehen haben!

 

Fazit

Trotz aller Schwierigkeiten vor der Abreise, insbesondere bei der Wohnungssuche, und trotz der enormen Kosten, die in den 6 Wochen angefallen sind, war die Famulatur auf Island ein Erlebnis das ich nicht hätte missen wollen! Wer einmal auf der Insel war, den lässt das Island-Virus nicht mehr los! Die wilde Natur mit ihren Vulkanen, Geysire und Gletschern, das Meer mit seinen Buchten, die Hauptstadt Reykjavik mit ihrer Mischung aus Kleinstadt-Idylle und Trendy-Hauptstadt und die isländische Bevölkerung mit ihrer Freundlichkeit und ihren teilweise merkwürdig anmutenden Traditionen.

Wenn ich eins aus Island mitgenommen habe, dann das Gefühl, dass "in Island die Welt noch in Ordnung ist".

 

"Strokkur" spuckt im 5-Minutentakt brühendheißes Wasser …

 

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