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  • Helena Kemper
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  • 14.11.2011

Famulatur-Bericht aus Namibia

Helena Kemper hat Ihre Famulatur in Namibia verbracht. Dort konnte sie sich ihr eigenes Bild von den Hygienebedingungen, dem afrikanischen Gesundheitssystem und den Patientenleiden mitten in Südwest-Afrika machen. Dabei erfuhr sie auch, welche Nachwehen die Apartheid bei der Bevölkerung hinterlassen haben und war trotz der relativ sicheren Lage froh, ein eigenes Auto für die abendliche Heimfahrt gehabt zu haben.

Ich möchte mit diesem Bericht einen kleinen Einblick in meine letzten 5 Monate in Namibia ermöglichen. Überwiegend habe ich im Katatura State Hospital gearbeitet, aber auch für ein paar Wochen im privaten Krankenhaus in Swakopmund sowie in einer privaten hausärztlichen Praxis.

Die Kommunikation mit den staatlichen Krankenhaus im Vorfeld von Deutschland aus war so beschwerlich, das ich über entfernte Bekannte Kontakt zu einem niedergelassenem Allgemeinmediziner in Swakopmund aufbaute, um überhaupt einen Praktikumsvertrag in den Händen halten zu können, ehe ich mich auf den Weg gen Süden machte.

Die Praxis-Famulatur absolvierte ich in einer privaten hausärztlichen Praxis bei Dr. Tietz. Dort hat es mir leider gar nicht gefallen. Der deutschsprachige Arzt setzte mich wie eine weitere Schwester zum Blut abnehmen, Blutdruckmessen, EKG schreiben etc. ein. Nur ganz selten durfte ich mit in das Behandlungszimmer. Er begründete dies damit, dass dies eine private Praxis sei und die Patienten keine Fremden wünschten.

 

Alle Fotos von Helena Kemper

 

Das Patientenklientel in Dr. Tietz' Praxis war überwiegend weiß und oft sogar deutschsprachig. Auch das Spektrum der Krankheiten lässt sich mit vielen mitteleuropäischen Zivilisationskrankheiten vergleichen. Das Aufgabenfeld eines namibischen Allgemeinmediziners ist jedoch wesentlich größer als das eines deutschen Allgemeinmediziners, weil Fachärzte in Namibia rar sind.

So führte z. B. Dr. Tietz viele Operationen selbst durch: Dazu zählten auch Tonsillektomien, Hysterektomien, kleine chirurgische und dermatologische Operationen, Geburten, Kaiserschnitte etc.

Über die Operationen, die Herr Dr. Tietz im 100m entfernten privaten Krankenhaus Cottage Clinic durchführte, lernte ich Dr. Brandt (Anästhesist) kennen. Da ich in der Praxis nicht sonderlich viel lernen konnte, beschloss ich, mich an Dr. Brandt zu halten. Dr Brandt arbeitet für die Fachärzte und übernimmt die schwierigen anästhesiologischen Fälle. Für mich war es sehr lehrreich, da Dr. Brandt mich viel machen ließ und mir alles sehr geduldig erklärte.

Trotzdem war ich mit der Situation, in der Privatpraxis nur der Oberklasse Namibias zu begegnen, nicht zufrieden. Auch Swakopmund, die deutscheste Stadt Namibias mit Leuchtturm und Schwarzwälderkirschtorte an jeder Ecke, entsprach nicht meinen Vorstellungen von Afrika.

Suche nach einer neuen Arbeitsstelle

Deshalb beschloss ich, mich parallel schon an staatlichen Krankenhäusern zu bewerben. Ich bewarb mich in Oshakati und in Windhoek am Katatura Hospital und bekam in beiden Häusern innerhalb einer Woche eine Zusage.

Katutura State Hospital
Private Bag 13215
9000 Windhoek
Tel.: 00264/612033004
Fax : 00264/6122288

In der Hauptstadt Windhoek gibt es zwei staatliche Krankenhäuser, welche die medizinische Versorgung für einen Großteil der Bevölkerung Namibias gewährleisten. Das Katutura State Hospital (KSH) und das Windhoek Central Hospital (WCH) liegen nur etwa 2km auseinander und gehören im Grunde zusammen. In der Zeit der Apartheid wurde das WCH für die weiße Bevölkerung und das KSH für die Schwarze erbaut. Heute gilt das Central Hospital eher als das "Facharzt-Krankenhaus" in dem auch elektive Operationen durchgeführt werden.

 

 

Motivation

Die Überlegung, eine Famulatur in Afrika zu machen, stand bei mir schon seit dem Physikum fest. Namibia hingegen war eher eine spontane Entscheidung. Ich suchte nach einem afrikanischen Land, das politisch wie sozial stabil und sicher ist. Da ich als Frau alleine unterwegs war, legte ich darauf meinen Schwerpunkt bei der Auswahl des Landes.

 

Arbeitsalltag

Im Katatura Hospital ist das Klientel ein ganz anderes, nicht nur in Bezug auf die Hautfarbe, die gesprochenen Sprachen, die Krankheiten und der Hygienestandards, sondern auch hinsichtlich der Patientenansprüche.
Im Allgemeinen bin ich aber positiv überrascht von der staatlichen Gesundheitspolitik Namibias. Jeder Patient wird für einen Unkostenaufwand von ca. 15 N$ (ca. 1,50€) oder sogar kostenlos therapiert, ganz gleich, ob es eine akute Entzündung, eine chronische Krankheit (hier v. a. HIV und TB) oder ein Knochenbruch ist.

Auch spielt es keine Rolle, ob der Patient nur ambulant bleibt oder mehrere Monate stationär aufgenommen wird. Die gesundheitliche Versorgung ist häufig eine Basisversorgung: Die Medikamentenauswahl ist begrenzt, z.B. werden hier keine Protonenpumpeninhibitoren, sondern nur H2 Antagonisten verabreicht. Als Schmerzmittel stehen Ibuprofen, Diclofenac, Paracetamol und Tramadol zur Verfügung. Auch die Zahl der elektiven Operationen ist stark limitiert: Pro Jahr werden hier im ganzen Land nur etwa 20 Hüft-TEPs und 20 Knie TEPs durchgeführt.

 

 

Alles in allem habe ich das Gefühl, dass die Menschen hier in Namibia eine ausreichend bis gute, den staatlichen Mitteln entsprechende medizinische Versorgung bekommen. Immerhin zahlt nur 35% der Bevölkerung Steuern!

Während der 14 Wochen die ich in Katatura gearbeitet habe, habe ich folgende Stationen durchlaufen: Ambulanz (8 Wochen), Pädiatrie (2 Wochen), Orthopädie (4 Wochen) famuliert. Am meisten gesehen und gelernt habe ich wohl in der Ambulanz, in der ich sehr selbstständig arbeiten konnte und komplett eigenständig entscheiden durfte, jedoch bei Bedarf immer ein Back-up hatte. Die Kollegen waren spitze.

Die Arbeitszeit ging anfangs von 8-20 Uhr, wurde dann aber im Verlauf auf 8-14 Uhr umgestellt. Auch auf den beiden anderen Stationen haben die Ärzte mich voll integriert und mir Aufgaben übertragen. Schließt man sich einer Stationen an, ist es möglich, mit Hilfe des Interns oder des Medical Officers eigene Patienten zu betreuen.

Das bedeutet, bei diesen täglich Visite zu gehen und dabei die Diagnosen sowie Therapieschemata zu überprüfen, spezielle Diagnostik oder ein Konsil durch einen anderen Fachbereich anzumelden. Die Arbeitskleidung ist frei wählbar, jedoch fällt man mit Kittel eher als Fremder auf.

Das Patientengut ist vom Alter her recht jung: Die durchschnittliche Lebenserwartung beträgt hier nur 44 Jahre! Und das dominierende Krankheitsbild ist ganz klar HIV oder Tuberkulose oder beides zusammen. Selbstverständlich begegnet man auch den "übrigen" internistischen und chirurgischen Krankheitsbildern. Darüber hinaus habe ich zum Beispiel auch Malaria, fortgeschrittene Syphilis und Lepra gesehen.

Das Krankenhaus ist in einem recht schmuddeligen Zustand, der Putz kommt von den Decken und in vielen Patientenzimmern gibt es Schimmel. Daher habe ich mir immer große Mühe gegeben, vorsichtig beim Patientenumgang zu sein und mir so oft es geht die Hände zu waschen, um hygienisch zu bleiben.

Offizielle Landessprache ist Englisch. Damit kommt man als deutscher Student meist auch gut zurecht, da viele Ärzte selbst nicht aus Namibia kommen und somit auch auf die englische Sprache angewiesen sind. Von Vorteil wäre es sicher, wenn man Afrikaans beherrschen würde. Nötig ist es aber nicht, denn wie auch für andere lokale Sprachen kann man sich problemlos eine Schwester hinzuholen, die übersetzt, was ein Patient spricht.

 

Gesundheitsversorgung und medizinische Ausbildung im Land

Das Gesundheitssystem in Namibia hat zwei Hauptkomponenten - ein Puplic Health System und einen Private Sector. Den Private Sector kann sich natürlich nur eine kleine Oberschicht leisten. Das finanziell von der Regierung getragene öffentliche Gesundheitssystem bietet nur in Rundu, Oshakati und Windhoek Kliniken der Tertiärversorgung.

In allen kleinen Dörfern gibt es Health Centers, in denen Krankenschwestern eine Primärversorgung leisten und gegebenenfalls einen Krankentransport. Das ist ein Bus, der einmal die Woche in den Provinzen die Kranken einsammelt und nach Windhoek/Oshakati/Rundu fährt. Das Ministry of Health and Social Service (MOHSS) organisiert zusätzlich mehrere Programme zu HIV/AIDS, das immerhin ~ 21% der Bevölkerung betrifft, Tuberkulose und Malaria.

 

Art und Kosten der Unterkunft

Normalerweise stellt das Krankenhaus Zimmer in den Doctors Quarters zur Verfügung. Dieses Wohnheim liegt direkt am Windhoek Central Hospital und wird vor allem von den Interns bewohnt. Pro Monat und Zimmer muss man dafür eine Miete von ca. 250N$ bezahlen. Der Transport per Auto zum Katutura Hospital und wieder zurück wird vom Krankenhaus organisiert.

Allerdings waren alle Doktors Quarters belegt, so dass ich mir eine Alternative suchen musste. Einige Studenten sind in einem Hostal in der Nähe des Krankenhauses untergekommen. Ich persönlich bin privat untergekommen und hatte ein Auto, mit dem ich jeden Tag zur Arbeit fahren konnte. Ich habe mir für die Zeit, in der ich in Namibia war, ein Auto gekauft und dann nach den 5 Monaten mit geringem Verlust wieder verkauft. Das würde ich auch immer wieder so machen

 

Lebenshaltungskosten

Der Namibische Dollar (N$) ist an den südafrikanischen Rand gekoppelt. N$1 = 1 Südafrikanischer Rand = ca. 10 Euro Cent. Ich empfand Namibia als ein relativ teures Land. Lebensmittelkosten waren vergleichbar mit deutschen Einkaufspreisen, da in Namibia aufgrund des trockenen Klimas nur bedingt landwirtschaftlicher Anbau von Lebensmittel möglich ist. Namibia ist somit von Lebensmittelimporten aus den Nachbarländern v. a. aus Südafrika abhängig.

Essen gehen ist jedoch wesentlich günstiger als bei uns, da die Arbeitskräfte schlechter bezahlt werden. Ein Liter Benzin gibt es für knapp 9 N$.

 

Geld

Ich habe eine DKB Kreditkarte gehabt und konnte damit überall an allen Automaten umsonst Geld abheben. Wenn ich die Kreditkarte als EC Karte benutzt habe, musste ich dagegen Gebühren zahlen.

 

Kommunikation

Internet in Namibia gibt es hier und dort, ist aber alles andere als flott oder gar zuverlässig. Es ist daher sinnvoll, sich einen Internetstick zu besorgen, den man dann via Prepaid je nach Bedarf aufladen kann. Abgerechnet wird hierbei nicht nach Zeit, sondern nach herunter- und hochgeladenen MB.

Nach Deutschland zu telefonieren ist ziemlich teuer: Knapp über einen Euro pro Minute muss man zahlen. Deshalb habe ich immer über Skype telefoniert. Absolut lohnenswert ist es, sich eine namibische Simkarte zuzulegen. Hierbei gibt es auch eine Prepaid Variante, welche sich Special Europa nennt und mit der man für 9 Cent SMS nach Deutschland schicken kann, welche aber im Land die gleichen Konditionen hat.

 

Verkehrsverbindungen

Der Windhoek International Airport liegt ca. 50 km außerhalb, aber es fahren Shuttel-Busse, die ca. 280 N$ kosten. Windhoek wird von Air Berlin (aus München) und von Air Namibia (aus FRA) direkt angeflogen. Der Flug dauert ca. 10 Stunden und ich habe hin und zurück 650Euro mit Air Namibia bezahlt.

 

Sicherheit

Tagsüber war das Leben in Namibia nicht gefährlich. Selbstverständlich muss man sich in einem Land wie Namibia an gewisse Spielregeln halten. Als Weißer fällt man zwar nicht so auf wie in anderen afrikanischen Ländern, aber die Geschichte Namibias ist sehr durch die Apartheitszeit geprägt und Weiße werden immer noch mit Reichtum gleichgesetzt.

 

 

Es herrscht eine klare Distanz zwischen Weißen und Schwarzen die von beiden Seiten aufrecht erhalten wird. Ich habe mich nie bedroht gefühlt, aber man sollte schon im Hinterkopf behalten, dass Armut und Perspektivlosigkeit die Bereitschaft zu Übergriffen und Diebstählen erhöht.

 

Sightseeing und Fortbewegung

Windhoek lässt sich bei Tage gut zu Fuß erobern, aber auch da ist man am besten nicht alleine unterwegs, sondern in einer Gruppe. Nachts sollte man in jedem Fall auf ein eigenes Auto oder Taxis zurückgreifen. Die Taxis funktionieren als Sammeltaxis und können jederzeit anhalten und noch jemanden unterwegs mitnehmen.

Kostenpunkt je nach Fahrtstrecke ab 6,50 N$/Person. Es gibt aber auch ein privates Taxiunternehmen, welches wesentlich teurer ist, aber euch sicher von A nach B bringt. Ich selbst habe diese Sammeltaxis nie benutzt, da ich ein eigenes Auto hatte.

Von den Taxis würde ich auch wenn möglich abraten. Auf den Straßen kann man den riskanten Fahrstil der Taxifahrer beobachten und 80% der Verkehrsunfälle die in die Notaufnahme kamen, waren durch Taxis verursacht…

Katatura selbst ist ein Township und zur Selbstexploration eher ungeeignet, aber haltet euch einfach an die Ärzte/Interns die sollen euch mal mit zum Essen nach Katatura nehmen oder euch eine kleine Führung geben.

Reisen innerhalb Namibias ist am besten mit dem eigenen Auto oder einem Mietwagen möglich, da es keine gut funktionierende, sichere und verlässliche Infrastruktur im öffentlichen Verkehrssektor gibt.

 

Bevölkerung

Mit einer Gesamtfläche von rund 824.000 qkm ist Namibia mehr als doppelt so groß wie Deutschland, hat aber nur 2,2 Mio Einwohner. Die Bevölkerung Namibias hat viele Gesichter und spricht viele Sprachen. Es leben hier 13 unterschiedliche Volksgruppen, jede mit ihrer eigenen Geschichte, Sprache und Kultur und als Folge der südafrikanischen Apartheid-Politik auch mit zugewiesenem Homeland.

Rechtlich darf heute jeder leben, wo er mag, und in Städten wie Windhoek trifft man auch auf Menschen aller Völkergruppen. In ländlichen Regionen lebt die Bevölkerung jedoch noch auf traditionelle Weise in Dorfgemeinschaften im Stammes- und Sippenverband. Dank meiner Arbeit im Krankenhaus und der Reise durch den Norden des Landes durfte ich Menschen aus fast allen Bevölkerungsgruppen kennenlernen. Es fasziniert mich, dass die Gruppen alle friedlich nebeneinander leben, ohne sich dabei groß zu vermischen.

 

Organisatorisches

Die Einreise nach Namibia, bzw. das Arbeiten als Student im einem namibischen Krankenhaus erfordert ein "(A) STUDY PERMIT (Studienerlaubnis)". Das finden Interessenten auf der

Homepage der namibischen Botschaft

unter Service/Anträge und Formulare. Diese Unterlagen müssen bei der Botschaft der Republik Namibia in Berlin zur Bearbeitung inklusive einer Bearbeitungsgebühr eingereicht werden. Bei mir war der Antrag nach 1 Monat durch.

Außerdem ist für die Vollständigkeit des Antrages eine Zusage über den PJ-Platz am Krankenhaus nötig, diese kann allerdings auch nachgereicht werden. Die Kosten belaufen sich insgesamt auf etwa 100 Euro.

Botschaft der Republik Namibia
Wichmannstraße 5
10787 Berlin
Tel.: 030/254095

Bewerbungen für einen Famulatur/PJ Platz richten Interessierte an Herrn Judmann, den Medical Superintendent. Herr Judmann ist Deutscher, aber ihr solltet Bewerbung und Lebenslauf trotzdem besser auf Englisch formulieren. Offiziell fallen für eine Famulatur Studiengebühren in Höhe von 2000 N$/Monat an.

Und nun viel Erfolg bei der Bewerbung! Bei Rückfragen könnt ihr euch gerne an mich wenden:

helenakemper@yahoo.de

 

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