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  • Felix Hutmacher
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  • 06.09.2022

Ist das noch Umziehen oder schon Auswandern? – Teil II: Die Schweizer Bundesbahn, eine Modell-Eisenbahn?

Zieht man als Deutscher in die Schweiz um? Oder wandert man in die Schweiz aus? In dieser Artikelserie erzählt unser Autor, wie es ist, in der Schweiz zu leben und zu arbeiten.

 

 

Rote Züge mit Panoramafenstern vor beeindruckender Bergkulisse: Der Glacier-Express ist sogar Menschen ein Begriff, die nicht eisenbahn-affin sind. Natürlich hat man, wenn man in der Schweiz mit der Bahn unterwegs ist, auch nicht immer so gute Aussicht wie in diesem Panoramazug. Aber wie nah dran ist der öffentliche Verkehr in der Schweiz an diesem schöngefärbten Bild, das wir von ihm haben?


Als Kind habe ich manchmal meinen Papa in der Arbeit besucht, wenn er Schicht gearbeitet hat. Meistens lief dann in seinem Dienstzimmer der Fernseher – und je später der Abend, desto öfter ruckelten damals Züge über den körnigen Röhrenfernseher. Diese Sendungen, früher dazu gedacht, Lücken im Programm zu füllen, zeigten oft Eisenbahnfahrten durch die Schweiz. Es sah wild-romantisch aus, was in diesen Dokumentationen gezeigt wurde: Dampfzüge, die an blaugrünen Bergseen entlangschnaubten. Bergbahnen, die sich zwischen Kühen auf saftig grünen Almen einen Berg hinaufquälen. Triebwagen, die durch Städte surren, die aussehen wie auf einer Modelleisenbahn: Eisenbahnromantik vom feinsten.


Wie aber sieht die Realität auf der Schweizer Schiene aus? Das Schweizer Bahnsystem und der Öffentliche Verkehr oder ÖV, wie der ÖPNV in der Schweiz genannt wird, wird einem schließlich oft als Erfolg und Vorbild verkauft. Pünktlich sei er und zuverlässig und der Service gut.


Das mit der Pünktlichkeit immerhin stimmt. Die SBB wertet Züge als pünktlich, die nicht mehr als drei Minuten zu spät am Zielort eintreffen (zur Erinnerung: Die Deutsche Bahn genehmigt sich ganze sechs Minuten). Das war 2021 bei 91,9 Prozent der Züge der Fall. Noch beeindruckender: Ganze 98,9 Prozent der Reisenden erreichten ihren Anschlusszug. Und selbst, wenn man seinen Anschluss je verpasst: Der nächste Zug lässt nicht lange auf sich warten. Die Schweiz hat seit Jahrzenten auf einen Taktfahrplan hingearbeitet, bei dem sich Züge zu bestimmten Zeiten in Knotenbahnhöfen treffen und so regelmäßige und einfache Umsteigeverbindungen möglich machen.


Das Netz ist zudem darauf abgestimmt, dass Orte ohne Bahnstation über ein System von Überlandbussen – Postbus genannt – per Direktumstieg aus dem Zug erreicht werden können. Und wer dennoch nicht weiterkommt, der kann über das Carsharing der SBB auch an kleinen Bahnhöfen jederzeit ein Auto buchen. Auch das Fahrrad – oder schweizerdeutsch Velo - ist jederzeit eine Option, um zum Bahnhof zu kommen: Nach einem überdachten Fahrradstellplatz muss man auch an kleinen Bahnhöfen nicht lange suchen. Nicht umsonst also gilt das Schweizer Nahverkehrssystem als eines der besten der Welt.


Und auch nicht ganz umsonst pendeln viele Schweizer:innen jeden Morgen mit dem Zug zur Arbeit: Bahnfahren in der Schweiz ist ganz schön teuer. Das Bundesamt für Statistik rechnet im Schnitt mit 51 Rappen pro Kilometer – ein Ticket im Normalpreis der zweiten Klasse etwa, kostet für die Strecke von Bern nach Zürich, die etwas mehr als 100 Kilometer beträgt, über 50 Franken, und das, obwohl etwa die Hälfte der Kosten des Eisenbahnverkehrs ohnehin durch Subventionen übernommen werden. Auch besonders schnell ist der Zug nicht: Schnellfahrstrecken sucht man in der Schweiz vergebens, ganze drei Streckenabschnitte können mit 200 Kilometern pro Stunde befahren werden. Das sorgt dafür, dass man sich als Deutscher im Schweizer Intercity fühlt wie im deutschen Regionalexpress: Viele Halte, gemächliches Tempo. Vielleicht sorgt das auch dafür, dass nach wie vor nur 12 Prozent der Personenkilometer in 2020 auf der Schiene erbracht wurden, was weit unter den Zielvorgaben der Regierung liegt.


Aber die Schweiz ist auch ein flächenmäßig kleines Land, man kommt also trotzdem schnell an sein Ziel. Und man kann mit der Bahn nicht nur in die Arbeit pendeln und sich so seinen Wohnort unabhängig von seinem Arbeitsort wählen: Man kommt auch zu tollen Ausflugszielen. Zum höchstgelegenen Bahnhof der Welt zum Beispiel, ans Jungfraujoch. Von dort blickt man dann auf einige der berühmtesten Berge der Schweiz: Eiger, Mönch und Jungfrau. Alles nur eine Bahnfahrt entfernt.

In diesem Sinne – Adieu und bis zum nächsten Mal!

 

Hier geht's zum ersten Teil der Serie

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