• Bericht
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  • Greta Burmeister
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  • 14.10.2013

PJ in der Kinderorthopädie in Basel

Greta Burmeister berichtet über ihre Erfahrungen in der Kinderorthopädie in Basel. Zwei Monate ihres Praktischen Jahres hat sie dort verbracht.

 

Persönliche Motivation für den Auslandsaufenthalt

Ich bin nicht vorrangig in die Schweiz gegangen, weil ich unbedingt mein PJ in der Schweiz machen wollte. Hauptsächlich wollte ich die Kinderorthopädie kennenlernen. Das Universitäts-Kinderspital beider Basel (UKBB) hat eine bekannte und gute kinderorthopädische Abteilung. Solche Vielfalt in einem so spezialisierten Fach findet man sehr schwer. Faktoren wie das schweizer Gesundheitssystem, der Lebensstandard und die Kultur waren ebenfalls entscheidend bei meinem Interesse an dem PJ-Aufenthalt in der Schweiz.

 

Bewerbung

Die Kenntnis über die kinderorthopädischeAbteilung und die entsprechende Email-Adresse hab ich über Google erhalten. Ich habe mich über das Unterrichtssekretariat des Universitätsspitals konkret für Kinderorthopädie beworben. Dabei musste ich jedoch sehr hartnäckig auf meinen Wunsch bestehen, da die meisten Studenten in die Erwachsenenorthopädie geschickt werden.

Einfacher geht es, wenn man sich direkt an das Sekretariat von Dr. Erich Rutz wendet. Er ist der Betreuer der Unterassistenten in der Kinderorthopädie. Im Normalfall sollte man sich etwa zwei Jahre im Voraus bewerben, besonders wenn man einen Wunsch für einen bestimmten Zeitraum hat. Oft sind aber auch kurzfristig Stellen für zwei bis vier Monate frei, da einige Studenten absagen.

 

Formalitäten

Versicherungen und Weiteres wir alles vom Sekretariat für dich organisiert. Beachte bitte, dass du nur volle Kalendermonate im UKBB bleiben kannst. Deine Planung sollte stimmen, denn der Beginn bzw das Ende eines anderen Tertials kann dadurch beeinflusst werden. Außerdem konnte ich auch nur ein halbes Tertial Kinderorthopädie machen. Die restliche Zeit habe ich in der Erwachsenenorthopädie in Deutschland verbracht. Sonst hätte es Probleme mit der Anerkennung beim LPA Niedersachsen gegeben.

An meinem ersten Tag wurde ich vom Sekretariat erwartet und habe sofort Namensschild, Telefon, Diktiergerät und Zugangsdaten für die EDV erhalten. Studiengebühren gibt es keine. Als Vergütung bekommt man 900 CHF, das sind etwa 750 Euro.

 

Anreise und Wohnen

Ich bin mit dem ICE angereist. Wenn man exakt neunzig Tage im Voraus bucht, erhält man eigentlich immer Spartickets. Von Hannover aus war ich innerhalb von fünf Stunden für nur 39 Euro in der Baseler Innenstadt. Auch Easyjet fliegt von Hamburg aus nach Basel. Der Flughafen Basel Mulhouse ist gut und schnell angebunden.

Leider gibt es vom UKBB keine Plätze im Personalwohnheim für Studenten, das ist ein echter Nachteil. Ich habe mich also mit der Zusage vom Spital bei allen umliegenden Studentenwohnheimen und ähnlichem beworben. Zum Glück hab ich ein Zimmer im Studentenheim in der Mittleren Strasse erhalten. Das ist nur zehn Minuten Fußweg vom Spital und der Innenstadt entfernt. Kleidung, wie Hosen, Poloshirts und Kittel werden problemlos und schnell vom Spital gestellt.

 

Größe und Abteilungen des Krankenhauses

Das UKBB ist ein eigenständiges Zentrum für pädiatrische Universitätsmedizin. Es gibt etwa 800 Mitarbeiter, 6.400 stationäre und 80.000 ambulante Behandlungen.

In der Kinderorthopädie arbeiten ein Chefarzt, ein Konisiliararzt, bzw. ein ehemaliger Chef, fünf Ober- und vier Assistenzärzte. Die Assistenzärzte sind alle am Ende ihrer Facharztausbildung und sind für etwa sechs bis zwölf Monate bei den Kindern eingeteilt.

 

 Kindeorthopädie Basel- Foto: Geta Burmeister

Kinderorthopädie in Basel - Foto: Greta Burmeister

Inhalt der Famulatur

Tagesablauf, praktische Anleitungen, eigenständiges Arbeiten, Unterricht, Kontakt zu Kollegen und anderen Studenten...

Der Tag beginnt etwa um 7:45 Uhr. Montags ab 8 Uhr ist Chef-Rapport. Jeden Donnerstag um 7:45 Uhr ist Traumarapport. Auch das Lagern im OP beginnt etwa zu dieser Zeit. Eine Kollegin und Ich waren zu zweit als Unterassistenten auf Station eingetielt. Wir haben uns jeden Tag mit unseren zwei Pflichtaufgaben, OP und Eintritte auf Station, abgewechselt. Somit kannten wir immer die Patienten die operiert wurden, da sie in der Regel am Tag vorher ihre Statusuntersuchung durch uns hatten.

Eine feste Visitenzeit gibt es leider nicht. Die Pädiaterin der Station macht ab 8 Uhr Kurvenvisite und schaut dann zu den Patienten. Das ist auch sehr interessant, jedoch sind dabei die orthopädischen Belange außen vor. Der Assistenzarzt des jeweiligen Teams geht zu seinen Patienten wenn es ihm am Besten passt und das bekommt man meistens nicht mit.

An den Tagen an denen ich auf Station war, hab ich morgens im Büro zunächst die Vorberichte der Patienten gelesen und schon ein paar Sachen in den Computer eingegeben. Ab 10 Uhr sind die Patienten dann meistens auf Station gewesen und die Pflege hat einen angerufen. Bei der Anamnese und körperlichen Untersuchung waren pädiatrische und orthopädische Gesichtspunkte zu beachten. Zudem hat man die Aufklärung durch einen Assistenzarzt und evtl. Röntgen oder Labor organisiert. Danach muss man alles natürlich dokumentieren.

Zwischendurch oder nach getaner Arbeit war ich meistens in der Sprechstunde. Hier hat man oft die Möglichkeit Patienten ganz in Ruhe zu untersuchen und im Anschluss zu besprechen. Dabei sieht man schon sehr interessante und komplexe Krankheitsbilder mit kongenitalen Fehlbildungen oder Grunderkrankungen. Einige Beispiele: Neurofibromatose mit kongenitaler Tibiapseudarthrose, Marfansyndrom mit ausgeprägter Skoliose, Osteosarkome, das Jeune-Syndrom mit Fusion der Rippen und somit Kompression des Thoraxraums, Cerebralparesen in den unterschiedlichsten Ausprägungen, Kleinwüchsige die eine Verlängerung der Extremitäten erhalten, und vieles mehr. Die Standards der Kinderorthopädie waren: Hüftdysplasie, Klumpfuss, M. Scheuermann, Spondylolyse, Adoleszenten Skoliosen, Achsfehlstellungen der Extremitäten, oder Epiphysiolysis capitis femoris.

Im OP durfte man bei komplexen Eingriffen Haken halten und die Blutstillung übernehmen. Kleinere Eingriffe, wie Metallentfernungen, hab ich oft selber machen dürfen. Nie wurde dabei jemand ungeduldig, falls es etwas länger dauerte. Den Wundverschluss konnte ich auch selber erledigen. Danach hat man natürlich auch mit der Anästhesie zusammen umgelagert.

Im OP-Saal bleiben die standardmäßigen Anatomiefragen nicht aus, also lohnt es sich, wenn man das Buch noch einmal vorher aufschlägt. Wenn man Fragen gut beantworten kann, freuen sich alle und man erspart sich peinliche Situationen. Zu den kinderorthopädischen Erkrankungen erwartet keiner eine aussergewöhnliche Vorbildung, hierbei wird bereitwillig und gerne erzählt, wenn man fragt. Dabei ist es wie überall: Der Eine erklärt besser als der Andere.
Bei einigen OPs wurde es am Tisch ziemlich voll um den pädiatrischen Patienten - Maximal sechs Ärzte und Pflegepersonal. An solchen Tagen bekommt man leider auch unliebsame Aufgaben wie Statistiken oder Ähnliches.

Man hat jeden Tag eine Mittagspause. Nur selten wurde sie durch sehr lange OPs nach hinten verschoben. Das Mittagessen wird nicht vom Haus gestellt. In der UKBB-Cafeteria kostet eine Suppe mit Brot rund sieben Schweizer Franken. In der USB-Mensa kostet ein volles Gericht ab neun Schweizer Franken. Es gibt auf den Stationen Mikrowellen, die für die Benutzung durch das Personal bereitstehen. Meistens habe ich sie genutzt um mein mitgebrachtes Essen aufzuwärmen. Ich bin immer zusammen mit den Ärzten zum Essen gegangen. Es war sehr nett, denn dabei hat man sich auch oft privat unterhalten und viel gelacht. Das Team zeigte immer Interesse an einem und fragt ständig, welche Aufgaben heute erledigt wurden. Das Team gibt auch gerne Tipps wie man seinen Tagesablaufs optimieren kann. Zeit für einen Cappuccino war danach immer. Im Allgemeinen lies sich niemand gerne stressen. Am späten Nachmittag stand noch etwas Computerarbeit an und man hat geholfen Präsentationen zu erstellen. Die Zeit kann man auch für das Selbststudium nutzten.

Frühen Feierabend gibt es selten. Nicht, weil viel zu erledigen war, sondern weil die offizielle 50-Stunden-Arbeitswoche gilt und man manchmal auf Abruf war. Dies lag vor allem daran, weil wir zwei Unterassistenten auf Station waren. Allerdings gibt es zwei Urlaubstage pro Monat. An den Tagen an denen ich alleine war und meine Kollegin Urlaub hatte, gab es durchgängig Aufgaben für mich mit denen sich der gesamten Arbeitstag bis etwa 18:30 Uhr zubringen lässt.

 

Land, Kultur und Freizeit

Basel ist eine schöne heimelige Großstadt am Rhein. Im Sommer kann man das Leben hier sehr genießen, z.B. mit täglichen Konzerten auf dem Rhein, Open-Air Kino und vielen sonstigen Veranstaltungen. Durch die Lage im Dreiländereck kann man Deutschland und Frankreich teilweise zu Fuß erreichen. Ausflüge ins Jura-Gebirge oder nach Zürich sind problemlos und schnell möglich.

Im Nachhinein habe ich mich geärgert, dass ich kein Fahrrad mithatte- die Umgebung ist nämlich wirklich sehr schön. Die warmen (Spät-) Sommerabende verbringt man am Besten am Rhein. Dort ist immer viel Trubel und eine tolle Stimmung.

Ab Ende September machen auch die Studentenbars wieder auf. Es ist recht teuer an den Wochenende in Basel richtig feiern zu gehen. Als günstige Alternativen sind Partys im Wohnheim oder am Rhein doch sehr viel verlockender.

Das Schwimmen im Rhein ist hier im Sommer Pflicht. Man geht einfach flussaufwärts, verpackt seine Klamotten wasserdicht und lässt sich flussabwärts treiben. Das ist in Basel offiziell erlaubt und ein echter Volkssport. Die Schweizer Landsleute habe ich als sehr freundlich empfunden. Mit der Sprache hatte ich die ersten Wochen schon etwas zu kämpfen, aber der Eingewöhnungszeit habe ich eigentlich alles gut verstanden.

 

Beeindruckende Ereignisse und Gegebenheiten, Besonderheiten und Kurioses

Beeindruckend war vor allem, dass man schnell gespürt hat, dass die Ober- und Chefärztedes UKBB DIE Spezialisten auf ihrem Gebiet sind. Die Patienten kommen häufig aus den umliegenden Ländern. Das ärztliche Personal spricht auch mindestens vier Sprachen mit Deutsch, Englisch, Französisch und Italienisch.

Der ehemalige Chef Prof. Hefti hat bereits die dritte Auflage seines eigenen Buches - das sehr ausführliche Standardwerk der Kinderorthopädie mit über 700 Seiten- veröffentlicht. Er und sein ehemaliges Team sind führend, was Erfahrung und Wissen im speziellen Gebiet der Orthopädie betrifft. Wenn Prof. Hefti zum operieren mit seinem Elektrofahrrad angefahren kommt, sind oft Patienten aus Saudi-Arabien mit Privatjets und einer kompletten Gefolgschaft eingeflogen. Das war sehr beeindruckend. Einige Male durfte ich auch mit ihm in den OP und dabei hat er ziemlich viele witzige Geschichten erzählt und die Stimmung war mit seiner erfahrenen entspannten Art sehr aufgelockert.

Meiner Meinung nach sind die Hierarchien hier sowieso sehr flach. Der derzeitige Chefarzt hat mir aus Spaß gedroht mich aus dem OP zu schmeissen, wenn ich ihn noch einmal siezen würde!

 

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