• Bericht
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  • Vera H.
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  • 20.12.2017

PJ am Kantonsspital St. Gallen

Vera war für ein PJ-Tertial am Kantonsspital St. Gallen, Standort Flawil. Hier berichtet sie, wie es sich vor Ort lebt und arbeitet und gibt dir Insider-Tipps für die Freizeitgestaltung.

Skigebiet Pizol © Vera H.

Motivation

Da ich mein PJ unbedingt im Ausland verbringen wollte und ein paar Schwierigkeiten mit der Anerkennung eines Auslandstertials hatte, bewarb ich mich relativ spontan in St. Gallen. Die Schweiz hatte mich immer gereizt hinsichtlich späterer Optionen für Assistenzärzte.

Bewerbung

Vor Ort direkt am Kantonsspital gab es leider keine freien PJ-Plätze mehr, aber bei genauerem Nachfragen bei Tatjana Djakovic stellte sich heraus, dass sie für den Zeitraum von März bis Mai 2017 noch Unterassistenten für den Standort Flawil in der Inneren Medizin suchten. Aufgrund der exzellenten Bewertungen auf PJ-Ranking schickte ich all meine Bewerbungsunterlagen hin. Dies ging recht einfach: Man benötigt eine Immatrikulationsbestätigung, Lebenslauf, Zeugnisse und Empfehlungsschreiben. Später musste man ein paar Personalbögen ausfüllen.

Unterkunft

Das Sekretariat kümmerte sich um mein Unterkommen im Wohnheim. Durch ein Missverständnis wurde ich im Wohnheim in St. Gallen und nicht in Flawil untergebracht, was mir bis zu meiner Ankunft gar nicht bewusst war. Vor meiner Ankunft war bereits alles sehr gut organisiert, ich erhielt Auskunft, wo ich am Tag meiner Ankunft erscheinen sollte (es war ein Sonntag), um beim Hauptgebäude die Schlüssel für das Wohnheim zu erhalten. Weiterhin erhielt ich viele Infos zum Wohnheim an sich, der Arbeit, Lagepläne etc.

Ich bezog mein wirklich schönes 12 qm Zimmer mit neuem Mobiliar, großem Fenster und Waschbecken im Zimmer. Für 12 Zimmer gab es eine Küche, die geteilt und täglich gereinigt wurde. Am Montag morgen musste ich dann erst einmal zur Wohnheimverwaltung, die mir alles bezüglich des Wohnheims erklärte und dass ich auch nach Flawil umziehen könne, da die Monatskarte 150 CHF kostet. Ich entschied mich allerdings dagegen, da ich mich bereits ganz gut in meinem Zimmer akklimatisiert hatte.

Blick von den Drei Weieren auf St. Gallen. © Vera H.

Im Krankenhaus

Danach ging ich zur Hauptverwaltung und erhielt meinen Personalbadge und später ging es dann nach Flawil. Man merkte, dass man im Gegensatz zu Deutschland viel mehr richtig „Personal“ mit allen Rechten und Pflichten ist, als nur Pjler. Dort wurde ich erstmal freundlich von der Sekretärin Rita empfangen,die mir alles wichtige zeigte. Ich bekam einen Platz im Assistentenzimmer und wurde auch hier sehr herzlich willkommen geheißen. 

Dann war es auch schon Mittagszeit und wir gingen gemeinsam Mittag essen. Mir fiel auf, wie modern das Krankenhaus ist. Die Kantine war eingerichtet wie ein Restaurant mit Essen zu Restaurant-Qualität. Ein Hauptgericht kostete um die 8,80 CHF, ich nahm aber in der Regel später mein Essen selber mit, da man dabei wesentlich günstiger wegkam. Nach dem Mittag bekam man immer einen Kaffee von den Assistenten spendiert, was mir zuvor auch nie passiert war. Wie mir bereits aus den Erfahrungsberichten bekannt war, ist die Hierarchie in der Schweiz generell eher flach, die Oberärzte und sogar der Chef essen mit den Assistenten und Unterassistenten am Tisch und alle unterhalten sich ungezwungen. Ich habe mich direkt sehr wohlgefühlt.

Ich wurde erst einmal auf der Palliativ-/Schmerzstation eingeteilt, was für mich eine sehr interessante Zeit war. Darüber hinaus gab es noch zwei normale internistische Stationen und die Notaufnahme. Auf der Palliativstation ging es morgens um 7.30 Uhr los. Meist fingen der Assistent und ich erst einmal damit an, Daten über Neuaufnahmen oder Entlassungen zu sammeln, ich teilte noch die Post an die Assistenten aus (typische UHU-Aufgabe) und um 8 Uhr ging es dann los mit der Visite, die meist bis Mittags dauerte. Sie erfolgte entweder alleine mit dem Assistenten oder mit der Oberärztin und dem Chef der Abteilung, einer echten Koryphäe auf dem Gebiet der Palliativ- und Schmerzmedizin. 

Meist hielten sich Palliativ- und Schmerzpatienten die Waage. Falls es Neuaufnahmen gab, übernahm ich diese meist. Die Arbeit auf der Palliativstation war etwas aufwändiger als auf den anderen Stationen, da die Anamnesen inklusive Schmerzmedizin und Gespräche sehr lange dauerten. In die Behandlung waren mehrere Teams mit einbezogen (Psychologie, Physiotherapie, Ergotherapie, Maltherapie (Integrative Medizin), Pflege, Sozialdienst) und oft gab es Diskussions- und Reflexionsrunden, wo jeder Patient aufgegriffen wurde und die ich als sehr hilfreich empfunden habe. Besonders auf diesem Gebiet, in dem es um schwer kranke oder sehr schwierig zu behandelnde Menschen ging, ist es sehr wichtig, dass nichts untergeht und der gegenseitige Austausch hat sehr dem interdisziplinären Fortkommen gedient. 

Da ich leider nur acht Wochen in Flawil bleiben konnte, entschied ich mich relativ schnell, vier davon auf dieser Station zu verbringen, da ich nicht nur fachlich hinsichtlich der vielen unterschiedlichen Krankheitsbilder (verschiedene Krebserkrankungen aber auch Schmerzpatienten mit diversen organischen sowie psychosomatischen Problemen) unglaublich viel lernte, sondern auch pharmakologisch (Schmerzeinstellung) und hinsichtlich Gesprächsführung sowie Umgang mit Patienten unterschiedlichster Art. 

Gegen Ende meiner Zeit konnte ich vereinzelt Patienten selber betreuen und Verordnungen vorschlagen. Ich hatte eine sehr interessante, teilweise traurige, aber auch sehr lehrreiche und positive Zeit mit einer großen Lernkurve – ich kann nur jedem empfehlen, dort einige Zeit zu verbringen!

An den Nachmittagen standen dann jeweils die (Medikamenten-)Verordnungen an, Übertragung der Aufnahmen ins System bzw. Diktieren dessen oder ich übernahm typische UHU-Aufgaben wie Polyneuropathie-Screenings, Schellong-Tests oder MMST für andere Assistenten. Nachdem man alles im System dokumentiert hatte, konnte man meist zwischen 17.00 und 17.30 nachhause gehen. Das System ist innerhalb weniger Tage und recht intuitiv zu nutzen. Generell war das Krankenhaus insgesamt sehr modern und extrem sauber. Auf den Stationen wurden überall Stationswagen mit Monitor genutzt und alles sofort in das System übertragen.

Die restlichen vier Wochen verbrachte ich dann auf „dem Notfall“. Dort ging es um 10 Uhr los und meist bis 20 Uhr oder später. Meist war viel los und der zuständige Assistent war sehr ausgelastet, sodass man recht viel selber übernehmen konnte (Patienten untersuchen, aufnehmen, direkt mit dem Oberarzt besprechen, mögliches Vorgehen präsentieren). Auch hier waren einige Untersuchungen durch den UHU durchzuführen: Restharnsono, Nystagmustest etc. Hier lernte man auch extrem viel und ich war froh, meine restlichen vier Wochen auf dem Notfall verbringen zu können.

Im Unterschied zu Deutschland werden selbst kleine Vorgehen vom Assistenten immer direkt mit dem Oberarzt besprochen, was sehr viel Zeit in Anspruch nimmt. Letztendlich ist die Patientenversorgung wesentlich gründlicher, jedoch hat es den Nachteil, dass es sich in der Notaufnahme dann erst recht staut. Ich habe es allerdings als primär positiv empfunden.

Einmal die Woche fand auch der „Journal Club“ statt, in der jeder einmal eine neue Studie vorstellte, die dann im Team diskutiert wurde. Da es ansonsten keine PJ-Seminare gab, war dies eine tolle Alternative! Ansonsten gab es auch Konferenzen gemeinsam mit dem Kantonsspital per Videoübertragung, was auch sehr spannend war. Absolut empfehlenswert ist der EKG-Kurs donnerstagnachmittags am Kantonsspital in St. Gallen!

Wanderung auf den Kronsberg. © Vera H.

Freizeit 

Die Wochenenden hatte man frei, aber man konnte auch mal am Wochenende arbeiten und dann ein paar mehr Tage freinehmen, wenn man das wollte. Ich habe sie meistens genutzt, um die Gegend zu erkunden, da es in und um St. Gallen einiges zu sehen gibt: Ich war in St. Gallen oft bei den Drei Weieren (was besonders im Sommer sehr schön sein muss) laufen oder beim Bauern direkt vom Automaten Rohmilch abzapfen – das gibt es nur in der Schweiz, beim Wildpark in St. Gallen, von Teufen nach St. Gallen wandern, in Appenzell in der Käserei und der Appenzeller-Schnapsbrennerei (absolutes Muss!!), bin auf den Kronsberg gewandert, habe die Drei Seen-Wanderung im Alpstein gemacht (absolut empfehlenswert), bin von St. Gallen bis zum Bodensee gewandert, was auch sehr schön war und war in Konstanz. 

Weiterhin habe ich von Flawil aus die Wissbachschluchtwanderung gemacht, die beeindruckend war und war in Flawil in der Schoggifabrik (auch absolutes Muss)!:) Sehr empfehlenswert ist auch der St. Galler Brückenweg. Letztendlich war ich noch einmal in Pizol zum Skifahren und mehrfach feiern am Wochenende, was in der Schweiz wirklich gut – wenn auch teuer ist – in St. Gallen! Die großen Städten habe ich nicht besucht, da es erstens in St. Gallen selbst so viel zu tun gibt, ich einige bereits gesehen hatte und Bahn fahren in der Schweiz auch sehr teuer ist – da ist es günstiger, von Deutschland aus mal nach Bern oder Zürich zu fahren.

Man verdient zwar in der Schweiz netto ca. 900-1000 CHF, aber abzüglich Miete, Monatsticket, Essen und Unternehmungen bleibt eigentlich nichts übrig. Letztendlich war ich froh, in St. Gallen im Wohnheim gelandet zu sein, da man dort noch mehr Leute kennengelernt hat und am Wochenende immer etwas los war. Auch die Assistenten waren sehr liebenswürdig: Wir waren zweimal unterwegs und am Ende haben sie noch eine kleine Abschiedsparty für mich veranstaltet – so nett! 

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