- Bericht
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- Kristina Weber
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- 26.03.2010
Famulatur Pädiatrie in Bulgarien
Ich hatte schon lange vor meine Famulatur im Ausland zu absolvieren und kam dann über Umwege schließlich zu meinem Ziel Bulgarien. Die Famulatur selbst organisierte ich über den bvmd, und so landete ich in der Universitätskinderklinik für Pulmologie in Sofia. Zwischen Plattenbau, Verkehrschaos und Geldmangel im bulgarischen Gesundheitssystem entdeckte ich eine pulsierende Studentenstadt und liebevolle Ärztinnen, die sich mit vollen Einsatz um ihre Patienten kümmern.
Motivation
Bereits in der Vorklinik hatte ich den Plan eine Famulatur im Ausland zu absolvieren, ich wusste nur noch nicht, für welches Land ich mich bewerben sollte. Dann lernte ich einen Studenten aus Bulgarien kennen, der mir seine Heimat natürlich aufs Wärmste empfahl. Hinzu kam, dass ich noch nie in Bulgarien war, mir aber andere Länder in dieser Ecke, wie Kroatien und Griechenland, sehr gut gefallen.
Weiter wollte ich erfahren wie es um das Gesundheitssystem eines etwas ärmeres Land bestellt ist. Den letzten Ausschlag gaben dann die hilfreichen Erfahrungsberichte bei Via medici, durch die ich mir ein gutes Bild vom Studentenleben in Sofia machen konnte.
Bewerbung
Diese Famulatur habe ich über den bvmd (Bundesvertretung der Medizinstudierenden in Deutschland e.V.) abgeleistet, was ich sehr empfehlen kann, da einem bezüglich der Organisation sehr viel Arbeit erspart bleibt. Die Bewerbung beim bvmd fand ich recht einfach, natürlich kostet es eine gewisse Zeit alle Unterlagen zusammen zu suchen, aber letztlich war alles kein Problem.
Beim Füttern einer kleinen Patientin - alle Fotos: Kristina Weber
Vorbereitung
Sprache
Ich hatte im Wintersemester zuvor einen Kurs für Medical English besucht, wo ich mir auch ein Sprachzeugnis ausstellen lassen konnte. Die Kenntnisse aus diesem Kurs waren in der Klinik in Sofia sehr hilfreich, da die meisten Ärzte dort recht gut Englisch sprachen und ich die Fachausdrücke ohne diesen Kurs wohl nicht gewusst hätte.
Für ein paar Brocken Bulgarisch habe ich mir einen Kauderwelsch-Sprachführer gekauft, mehr als ein paar Sätze hatte ich mir jedoch vor Beginn der Famulatur nicht angeeignet. Das Kyrillische Alphabet beherrschte ich bereits, was manche Dinge vereinfachte.
Gesundheit
Eine Auslandskrankenversicherung hatte ich bereits über die Universitätsklinik Regensburg abgeschlossen, so dass auch hier kein zusätzlicher Aufwand mehr nötig war.
Ich habe natürlich alle erforderlichen Impfungen, die in der Card of Acceptance erwähnt waren, kontrollieren lassen, wobei man als Medizinstudent normalerweise gegen alles geimpft ist, was dort gefordert wird. Vorlegen musste ich den Impfpass nie, als es allerdings in der Kinderklinik drei Pertussis-Fälle in einer Woche gab, war ich schon froh über meine Impfung.
Sonst habe ich nur die üblichen Reisemedikamente mitgenommen - Schmerzmittel, Hustensaft, Fiebermedikament, Immodium akut, Vomex und Fenistil-Gel.
Visum
Zur Einreise in Bulgarien brauchte ich kein Visum. Interessant war allerdings, dass ich am Flughafen in München meinen Reisepass benötigte, der Personalausweis wurde hier - aus welchen Gründen auch immer - nicht akzeptiert. Beim Rückflug reichte in Sofia dann wieder der Personalausweis.
Sicherheit
Entgegen aller Voraussagen aus dem Bekanntenkreis, habe ich mich nie unsicher oder bedroht in Bulgarien gefühlt, selbst nachts allein als Mädchen besteht in dieser Studenten-Stadt kein Grund für Ängste. Selbstverständlich sollte man schon gut auf seine Wertsachen aufpassen, wie in jeder anderen europäischen Großstadt eben auch.
Überrascht war ich, dass ich ohne Probleme für sehr wenig Geld Taxis benutzen konnte: Mit der richtigen Gesellschaft, OK Supertrans, ist die Gefahr sehr gering als Tourist abgezockt zu werden. Auch in den Zügen fühlte ich mich sehr sicher: Zweimal benutzte ich den Nachtzug und alle paar Stunden kam ein Kontrolleur, um sich zu vergewissern, dass auch alles in Ordnung ist.
Geld
Die Landeswährung in Bulgarien sind Leva und Stotinki - 1 Euro sind etwa 1,95 Leva. Ich habe ungefähr 300 Euro Bargeld mitgenommen und gleich nach meiner Ankunft in einer Bank in Sofia getauscht, was problemlos möglich war und auch weniger kostet, als in Deutschland zu wechseln. Die Kurse waren in Sofia überall gleich.
- Aufpassen solltet ihr in Varna: dort war ein Euro auf einmal nur noch 1,85 Leva wert. In der letzten Woche habe ich noch einmal mit der Visa Card Geld abgehoben. Die meisten Banken akzeptieren aber auch die normalen EC-Karten.
Die Lebenshaltungskosten sind in Bulgarien immer noch geringer als in Deutschland, wobei allerdings in den Supermärkten die Preise ähnlich oder teilweise sogar höher waren. Sehr günstig ist es in Restaurants zu essen, dort haben wir für große Portionen Vor-, Haupt- und Nachspeise mit Getränk nie mehr als 10 Leva bezahlt. Erfreulich sind auch die Preise für die öffentlichen Verkehrsmittel und Züge: Es ist schon toll, für 40 Leva eine Strecke von 450 km zu fahren - einmal Varna und zurück.
Sprache
Sehr viele Bulgaren sprechen überraschend gut Englisch, dass Ihr auf der auf der Straße fast jeden nach dem Weg fragen könnt. Zur Not könnt ihr ja auf die Zeichensprache zurückgreifen, obwohl für "Ja" und "Nein" die Gesten besser mit den bulgarischen Worten "Da" und "Ne" begleiten werden sollten, da die Bulgaren diese Gesten genau umgekehrt einsetzen, was anfangs recht verwirrend sein kann.
Das Kyrillische Alphabet zu beherrschen ist hilfreich, um zumindest den Namen der Bushaltestelle im Plan wieder zu finden - gerade bei dem Massenverkehrsaufkommen in Sofia. Einmal bin ich eine Haltestelle zu spät ausgestiegen, was mich ungefähr eine halbe Stunde Zeit gekostet hat, um wieder an diesen Punkt zurück zu kommen. Generell ist es besser auch ein paar Sätze in der Landessprache zu können, was aber nach ein paar Tagen im Krankenhaus automatisch möglich ist.
Auch in der Klinik kam ich mit Englisch gut durch, sehr viele junge Eltern können diese Sprache und auch die Kinder lernen sie ab der 1. Klasse. Ab und zu konnte ich sogar deutsch sprechen.
Anreise/Transport
Ich bin mit der Lufthansa direkt von München nach Sofia geflogen. Es lohnte sich für mich einen Tag früher hinzufliegen und einen Tag länger zu bleiben, dadurch kostete der Flug insgesamt 250 Euro anstatt 300 Euro. Am Flughafen wurde ich dann schon von Darja erwartet, einer bulgarischen Studentin.
Wir sind dann per Taxi (5 Euro) in die Innenstadt gefahren, da ich die erste Nacht noch in einem Hostel untergebracht war. Am nächsten Tag haben wir uns dann eine Monatskarte (25 Euro) für die öffentlichen Verkehrsmittel in Sofia und Umgebung gekauft. Wie schon erwähnt sind Fahrpreise für Busse und Züge viel niedriger als in Deutschland, wobei die Transportkosten im Rahmen des Social Programs stets von der IFMSA übernommen wurden.
Sehr interessant ist das tägliche Verkehrsaufkommen in Sofia: morgens solltet ihr eine gute Stunde einplanen, um von Studentski Grad (Studenten-Stadt) ins Krankenhaus zu kommen, da ohne Grund immer mal wieder der Verkehr für zehn Minuten stoppt und nichts voran geht. Nachmittags ist es möglich dieselbe Strecke in der Hälfte der Zeit zu schaffen. Erfreulich war, dass Mitte September zwei neue Metro-Stationen eröffnet wurde, dadurch sparte ich wirklich sehr viel Zeit.
Nevski-Kathedrale in Sofia
Kommunikation
Eigentlich sollte unsere Unterkunft Internet haben, was wohl auch stimmte - leider wusste aber am Anfang niemand wie das funktioniert. Deswegen sind wir dann ins Internet-Café gegangen, welches direkt gegenüber von unserem Wohnblock lag. Eine Stunde hat dort 1,5 Leva gekostet, dafür waren die PCs mit Kameras ausgestattet, so dass ich immer über Skype telefoniert habe. Für mein Handy habe ich mir eine bulgarische Prepaid-Karte gekauft, um mit meiner Zimmerkollegin Annie, und auch mit den bulgarischen Studenten in verbunden zu sein.
Unterkunft
Nach der Nacht im Hostel holte mich Kamelia ab, auch eine Studentin, die sich während des ganzen Aufenthalts permanent um mich gekümmert und alles organisiert hat - ohne sie hätte ich wohl nicht eine so tolle Zeit verbracht!
Kami brachte mich in das Zimmer in der Studenten-Stadt. Wie die meisten bulgarischen Studenten habe ich in Studentski Grad (Studenten-Stadt) gewohnt. Das ist eine typische Plattenbausiedlung, die von außen nicht wirklich schön aussieht - ziemlich viel Müll und streunende Hunde prägen das Bild.
Die meisten Studenten wohnen hier während ihres Studiums, daher gibt es in der Nähe zahlreiche schöne und günstige Kneipen, die mit fröhlicher und ungezwungener Atmosphäre aufwarten. Alles andere wie eine Wäscherei und einen kleinen Supermarkt findet ihr direkt um die Ecke, ebenso eine Studenten-Kantine, die wir leider erst am letzten Tag entdeckt haben.
Die Wohnung selbst war relativ groß und mit Betten, Schreibtischen und Schränken ausgestattet. Es gab allerdings keinen Kühlschrank und auch keine Kochgelegenheit. Das Bad war auch in Ordnung, manchmal roch die Toilette ein bisschen, aber bei einem Austausch erwartet ja keiner ein 5-Sterne-Hotel. Meinen Ansprüchen hat die Unterkunft jedenfalls vollständig genügt, ich habe mich nach ein paar Tagen richtig heimisch gefühlt, und Annie ist es ähnlich gegangen.
Mitzunehmen
Da keine Kochnische vorhanden ist, empfehle ich einen Wasserkocher mitzunehmen - wir hatten gleich zwei - die wir aber sehr häufig benutzt haben, um Kaffee, Tee oder auch harte Eier, warme Wiener oder Nudelsuppe zu machen. Zusätzlich solltet ihr einen Teller, eine Tasse und Besteck einpacken, da sich Frühstück oder Abendbrot eher zu Hause abspielt.
Im Laden um die Ecke haben wir noch eine Wäscheleine gekauft, da wir keinen Balkon hatten und die Wäsche im Zimmer trocknen mussten.
Sonst habe ich eigentlich nichts Besonderes mitgenommen: Stethoskop, Reflexhammer und weißen Kittel hatte ich sowieso dabei. Einen kleinen Rucksack für Wochenendausflüge dabei zu haben, ist auch von Vorteil.
Tätigkeitsbeschreibung und fachliche Eindrücke
Kami brachte mich an meinem ersten Tag zum Krankenhaus, wo sie mich allen vorstellte.
Meine Famulaturstelle war an der Universitätskinderklinik für Pulmologie, so sah ich vor allem Patienten mit Asthma, Pneumonie, Bronchiolitis und Mukoviszidose. Ich habe einen sehr interessanten Unterricht bekommen - abhängig von den Ärzten auf den Stationen - alle waren sehr um mich bemüht, auch wenn nicht alle Ärzte Englisch sprachen.
Ich durfte Kinder selbst untersuchen und konnte jede Menge Fragen stellen. Eine Ärztin war besonders nett und auch unglaublich kompetent, sie hat häufig für mich englische Power Point-Präsentationen erstellt und mir ein bestimmtes Krankheitsbild ganz genau erklärt.
Viel Praktisches habe ich jedoch nicht gemacht, was aber auch ganz einfach am Fach selbst liegt. Es war aber auch sehr interessant, die Methoden, Arbeitsumstände und materiellen Unterschiede im Vergleich zu Deutschland zu beobachten.
- Ich habe Kinder mit Pertussis und Tbc gesehen - vor allem Zigeunerkinder, die nicht geimpft sind. Diese Kinder zeigten oft auch sehr schlimme Formen von Asthma, da ihre Eltern nicht in die Apotheke gehen können.
Der Geldmangel des bulgarischen Gesundheitssystem fiel mir an allen Ecken und Enden auf. Die Zimmer sind uralt, es schlafen bis zu sechs Kinder mit ihren Müttern in einem Zimmer und oft liegt ein Asthma-Patient mit einem Kind, welches an Pneumonie erkrankt ist im selben Raum, weil einfach der Platz fehlt. Auch an einer Universitätsklinik entsprechen viele Dinge nicht dem Standard, den ich von deutschen Kliniken gewohnt bin.
Allerdings ist mir positiv aufgefallen, wie liebevoll die Ärztinnen mit ihren Patienten umgehen, und dass die Hektik nicht so groß scheint, wie ich es aus deutschen Krankenhäusern kenne. Der Schreibkram - im wahrsten Sinne des Wortes, da alles mit der Hand geschrieben und Laborbefunde mit Kleber auf das Krankenblatt geklebt werden - war noch aufwendiger als in Deutschland.
Ich habe bulgarische Studenten auf den Stationen getroffen und mit ihnen über ihre und unsere Ausbildung, Träume und Studentenleben geredet, wobei wir natürlich viele Unterschiede bemerkt haben, aber es gab auch Dinge, die wohl für Medizinstudenten in allen Ländern gelten:
- die praxisferne Ausbildung
- die enorme Menge an Lehrstoff zum Auswendiglernen
- die Überforderung kurz nach dem Studium
Als Assistenzarzt verdient man in Bulgarien etwa 200 Euro im Monat, so dass viele dort zwei Jobs gleichzeitig haben. Zusätzlich herrscht in Bulgarien Ärzteüberschuss, was es schwierig gestaltet, eine Stelle als Arzt nach dem Studium zu bekommen.
Land und Leute
Bulgarien ist ein unglaublich schönes Land, das bei uns völlig zu Unrecht einen eher schlechten Ruf hat. Die Menschen sind äußerst nett und hilfsbereit, sehr häufig bekamen wir in Museen etwas persönlich erklärt, sobald die Bulgaren merkten, dass wir Englisch sprachen. Auch am Abreisetag, als der Aufzug im Wohnheim kaputt war, fand sich sofort jemand, der mir half, mein Gepäck acht Stockwerke nach unten zu tragen. Allgemein ist die Bevölkerung sehr westlich eingestellt.
Sofia selbst ist eine aufregende Hauptstadt mit tollen Sehenswürdigkeiten und einem großen Angebot an Restaurants, Bars und Discos. Ich habe es sehr genossen, nachmittags durch die Straßen zu bummeln und dabei an jeder Ecke auf Kulturstätten und Monumente aus verschiedenen Jahrhunderten zu treffen. Auch Shoppen lässt sich recht gut.
An den Wochenenden hatten die bulgarischen Kontaktpersonen stets einen Ausflug für uns organisiert und gaben sich dabei sehr viel Mühe uns möglichst viel von Bulgarien zu zeigen. Im September waren ich und meine Freundin die einzigen Austauschstudenten und konnten deshalb entscheiden, was wir sehen wollten.
Am Goldstrand
Besondere Erlebnisse
Lohnenswert ist auf jeden Fall ein Wochenende in Plovdiv, der angeblich schönsten Stadt Bulgariens, was unserer Meinung nach auch zutreffend ist. Sehr schön war auch der Ausflug zum Rila Kloster, sowie im Vitosha Nationalpark zu wandern, wo wir einen atemberaubenden Blick auf ganz Sofia genießen konnten.
Am 22. September ist in Bulgarien der Nationalfeiertag: wir haben dieses lange Wochenende dazu genutzt, um nach Varna ans Schwarze Meer zu fahren, wo wir wirklich traumhafte Tage am Goldstrand verbrachten.
Das letzte Wochenende verbrachten wir in Devin, einem abgelegenen Bergdorf in den Rhodopen, wo wir das traditionelle Bulgarien mit seinen ganz besonderen Speisen - sehr lecker und riesige Portionen - und die ursprüngliche Volksmusik kennen lernten.
Fazit
Alles in Allem wurden meine Erwartungen an diese Famulatur mehr als erfüllt. Ich habe viele nette Leute kennen gelernt und wir hatten zusammen immer jede Menge Spaß. Bei allen Problemen oder Wünschen waren die bulgarischen Studenten - vor allem Kamelia - immer sehr hilfsbereit.
Neben medizinischen Erfahrungen konnte ich auch viele persönliche Erfahrungen sammeln, habe viel gesehen und eine tolle Zeit in Sofia verbracht. Ich kann jedem nur empfehlen, seinen eigenen Horizont mit einem Auslandsaufenthalt zu erweitern und das am Besten in Bulgarien zu tun. Auch für mich wird es sicher nicht das letzte Mal gewesen sein, dass ich in dieser Gegend unterwegs war, da mich die Menschen und die wunderschöne Natur ebenso wie die Bauwerke dort wirklich begeistert haben.
Linktipps
Besonders geholfen haben mir bei der Vorbereitung der Lonely Planet Reiseführer, den ich jederzeit wieder kaufen würde, der Bulgarisch-Sprachführer, sowie die Erfahrungsberichte von Via medici online. Außerdem fand ich noch ein Fachbuch für Pädiatrie, mein Arzneimittelpocket sowie das Medical English-Wörterbuch sehr hilfreich.