- Bericht
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- Anna Maria Meyer
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- 14.08.2017
Famulatur am Eastbourne District General Hospital
Motivation
Schon immer wollte ich eine Zeit meiner Ausbildung im Ausland verbringen, und da es mir wichtig war, die Patienten vor Ort adäquat zu verstehen, blieben nahezu nur englischsprachige Länder. Meine Wahl fiel auf Großbritannien, da ich dieses Land durch frühere Besuche bereits etwas kannte und ich dort bisher nur positive Erfahrungen gemacht hatte. Ich habe mich bei famulaturranking.de im Internet informiert, welche Krankenhäuser in Großbritannien bereits von deutschen Medizinstudenten besucht wurden. Das Eastbourne District General Hospital (EDGH) wurde bereits von sehr vielen als äußerst positiv bewertet.
Bewerbung
Ungefähr ein Jahr vorher habe ich einfach eine E-Mail an Frau Tomasetti (luisa.tomasetti@nhs.net), Leiterin des Undergraduate Office des EDGH geschickt, meinen englischsprachigen Lebenslauf, eine Studienbescheinigung und meinen gewünschten Zeitraum angefügt und sie hat mir zeitnah geantwortet. Auch im Verlauf war sie eine sehr zuverlässige Ansprechpartnerin. Anschließend musste ich einige von ihr zugeschickte Dokumente ausfüllen, zurückschicken und fertig.
Vorbereitung
Ein großer Vorteil war, dass sie mir eine Unterkunft auf dem Krankenhausgelände angeboten hat, die man für 100 Pfund die Woche anmieten kann. So war die teils schwierige Suche nach einer Bleibe früh beendet. Zusätzlich zu den 100 Pfund musste man noch eine „Tution-Fee“ von 175 Pfund zahlen, sodass der Aufenthalt zwar nicht ganz billig, aber im Vorhinein gut geplant werden konnte.
Ein Impfnachweis wurde vom EDGH ebenfalls angefordert, hier reichte ein Scan des Impfausweises mit den normalen Standart-Impfungen aus. Ansonsten besaß ich noch eine Auslands-Krankenversicherung und meine normale Haftpflichtversicherung.
Meinen ursprünglicher Plan, mich im Rahmen des WPB Medical English vorzubereiten, konnte ich aus zeitlichen Gründen nicht halten und war daher nicht ganz sicher, ob das mit der Sprache gut klappen würde. Aber vor Ort hatte ich dann keinerlei Problem und relevante Wörter, die ich vorher nicht kannte, habe ich sehr schnell im Zusammenhang gelernt.
Anreise
Eastbourne an sich ist sehr gut zu erreichen. Man fliegt bis London und von dort aus, genauer von der Victoria Rail Station, fährt direkt ein Zug halbstündlich nach Eastbourne. Die reine Fahrtzeit beträgt etwa 1,5 Stunden, die aber schnell rumgehen, da es unterwegs wirklich viel zu sehen gibt. Von der Eastbourne Rail Station kann man entweder 10 Minuten mit dem Bus fahren oder man nimmt sich eines der Taxis zum Krankenhaus, was ca. 5 Pfund kostet.
Unterkunft
Die von Frau Tomasetti angebotene Unterkunft war sehr günstig, allerdings auch sehr einfach ausgestattet. Insgesamt hat das EDGH nebenan sehr viele verschiedene Häuser, die angemietet werden können und die unterschiedlich alt sind. Ich bin in eines der älteren Häuser gekommen. Eine Wohnung hatte hier 5 Einzelzimmer mit einer gemeinsamen Küche, einem Wohnzimmer, einer separaten Toilette und einem Badezimmer mit Dusche/Badewanne und Toilette. Die Einrichtung ist sehr alt und spartanisch, im gemieteten Zimmer steht ein Bett, ein Nachttisch, ein Schreibtisch, ein Regal und ein Schrank. Überraschenderweise war das Bett im Zimmer sehr bequem und auch ansonsten ist die Unterkunft für einen 4-wöchigen Aufenthalt mehr als in Ordnung.
Der große Vorteil ist, dass man zur Klinik nur eine Minute Fußweg hat und so auch während der Mittagspause rübergehen und etwas essen kann. Zudem kann man für 20 Pfund Kaution ein MIFI-Device mieten, sodass man während der Zeit eigenes, kostenloses WLAN hat, was ich sehr praktisch fand. Direkt in der Nähe, gut 5 Minuten Fußmarsch gab es auch einen kleinen Supermarkt. Wer etwas mehr einkaufen möchte, kann direkt von der Bushaltestelle vor der Tür in die Stadt fahren, die Fahrt dauert nur 10 Minuten und ein Dayrider Ticket, mit dem man den ganzen Tag fahren kann, kostet nur knapp 4 Pfund. Die Lebenshaltungskosten insgesamt in England sind natürlich schon höher als in Deutschland, allerdings war mein Aufenthalt unmittelbar nach dem Brexit, weshalb mir der Währungskurs etwas entgegenkam.
Die Famulatur
Ich hatte mich konkret für die Abteilung Accident & Emergency beworben und wurde dort eingesetzt. Zu Beginn bekommt man einen Plan, auf dem man zwischen verschiedenen Plätzen rotiert, um alles einmal kennen zu lernen. So rotiert man durch die Notaufnahme, in die Kurzlieger-Station, in die Review-Clinic und auch in die Fracture-Clinic. Außerdem besteht die Möglichkeit, ein paar Tage mit dem Krankenwagen mitzufahren. Hierfür muss man sich im Consultant-Büro noch einige Dokumente abholen und sich dann per E-Mail anmelden.
Ansonsten konnte man jederzeit an Teachings der jungen Ärzte teilnehmen. Diese sind entweder als eine Art Vorlesung aufgebaut oder, und das ist weitaus häufiger, in einer kleinen Runde wo man über gewisse Themen spricht. Hier kann man einiges dazu lernen, man sollte zumindest einmal reinschauen. Auch einige freie Tage sind eingeplant. Die Arbeitszeit war von Montag bis Freitag von 9 Uhr bis 17 Uhr, was ich von den Zeiten her sehr angenehm fand. Insgesamt ist es aber auch immer möglich, sich mal etwas freie Zeit zu nehmen um die Umgebung zu erkunden.
Im Krankenhausalltag habe ich hauptsächlich Patienten aufgenommen und voruntersucht um sie anschließend einem der Ärzte vorzustellen. Außerdem habe ich einem Plan und Differentialdiagnosen aufgestellt, worüber wir anschließend diskutiert haben. Ansonsten habe ich Röntgenbilder und EKGs befundet, Kanülen gelegt, arteriell und venös Blut abgenommen und Blasenscans gemacht. Ich habe eine Menge gelernt in der Zeit, aber es war auch nicht zu anstrengend.
Die Betreuung im Krankenhaus war durchweg sehr gut - vom Undergraduate Office über die Junior Doctors bis hin zu den Registers und Consultants. Man hatte nie das Gefühl zu stören und alle haben einem eine Menge erklärt oder einen bei interessanten Patienten dazu gerufen. Auch die Arbeitsatmosphäre war eine andere als bei uns. Da sich alle duzen und beim Vornamen ansprechen, war alles viel entspannter und ohne große Hierarchien. Zu mir waren alle stets sehr freundlich und herzlich, weshalb ich mich direkt willkommen gefühlt habe.
Das Krankenhaus
Das NHS ist ein grundsätzlich anderes Gesundheitssystem als bei uns. Und auch wenn man, wie ich, vor seinem Aufenthaltsbeginn nicht viel darüber weiß, wird man sehr schnell vor Ort darüber aufgeklärt. Bereits im Taxi hin zum Krankenhaus hat mich der Taxifahrer darauf hingewiesen, dass das NHS „a mess“ sei, aber „we love it as well“. Absolut jeder hat eine Meinung darüber.
Das NHS ist das einzige aus Steuergeldern bezahlte Gesundheitssystem. Somit ist es für alle britischen Bürgerinnen und Bürger kostenlos, und auch Gäste des Landes können die Notfallversorgung kostenlos nutzen. Ähnlich wie Hausärzte gibt es in Großbritannien GPs, diese behandeln allerdings Kinder und Erwachsene und sie können einen Schwerpunkt (special interest), wie beispielsweise Demenz oder Parkinson wählen. Fachärzte sind nur in den Kliniken zu finden, sie haben dort eine Art Praxis, die separat neben dem Krankenhausbetrieb läuft. Sehr lange Wartezeiten sind hier die Regel.
Die Krankenhausstruktur an sich ist ansonsten sehr ähnlich aufgebaut wie bei uns. Ein Unterschied sind die Betten auf den Stationen, hier sind 6-Bett-Zimmer die Regel. Außerdem erschien es mir während meines Aufenthaltes so, dass die Krankenschwestern hier etwas mehr Kompetenzen haben und auch mehr Verantwortung tragen. Je nach Arbeitserfahrung haben sie verschiedene Bezeichnungen und für nahezu jedes Krankheitsgebiet gibt es eine „Specialist nurse“, die bei solchen Patienten dazu gerufen wird. Ein großes Problem des NHS ist allerdings die Überinanspruchnahme, ähnlich wie bei uns. In meiner Zeit in der Notaufnahme haben sich dort sehr viele Patienten eingefunden, die mit ihren Problemen auch zum GP hätten gehen können - ein eingewachsener Zehennagel seit 3 Wochen ist nicht wirklich ein Notfall.
Anzumerken ist noch die unterschiedliche Kleiderordnung in Großbritannien. In diesem Krankenhaus dürfen keine Kittel getragen werden. Manche Ärzte in der A&E tragen Scrubs, die meisten Ärzte tragen aber gehobene Kleidung. Männer tragen ein Hemd und eine Stoffhose, falls Krawatte dann eingesteckt, die Frauen tragen ebenfalls Blusen und Stoffhosen oder Röcke. Die Ärmel müssen aus Gründen des Infektionsschutzes immer bis über den Ellbogen aufgerollt sein.
Freizeit
Eastbourne an sich bietet viele Freizeitmöglichkeiten. Es hat eine Innenstadt mit Geschäften, einen Kiesstrand mit Pier und in der Umgebung gibt es beispielsweise die Beachy heads und die South Downs zu entdecken. Brighton ist nur eine 30-minütige Bahnfahrt entfernt. Hier gibt es noch deutlich mehr Geschäfte, etwas mehr Nachtleben und auch einiges an Sehenswürdigkeiten. Ich bin auch einige Male nach London gefahren, durch die gute Anbindung war man in knapp 2 Stunden dort und konnte das Wochenende gut dort verbringen.
Die Briten habe ich während meines Aufenthaltes als sehr ausgeschlossen und gastfreundlich erlebt. Gerade hier im Süden Englands wird man gerne mal mit „My Love“ angesprochen und überhaupt ist alles hier sehr „lovely“.
Nach der Famulatur
Ich hatte die Praktikumsbescheinigung unserer Uni ausgedruckt und sie wurde mir vor Ort unterschrieben. Die Famulaturen habe ich noch nicht anerkennen lassen, weiß daher also nicht ob es Probleme geben könnte - aber ich kann es mir eigentlich nicht vorstellen.