- Bericht
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- Linda Lecker
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- 13.03.2015
Send to Coventry – Krankenpflegepraktikum in England
Linda war für ein Pflegepraktikum in Conventry. Was sie in der englischen Studentenstadt und während des Praktikums im Krankenhaus erlebt hat, berichtet sie hier.
Flughafen von Birmingham, Foto: Linda Lecker
Während der Abiturvorbereitungen festigte sich mein Wunsch, Medizin zu studieren. Meine einzige reale Hoffnung auf einen Studienplatz im Jahr 2011 bestand jedoch darin, bei der Bewerbung einen Bonus auf das absolvierte Krankenpflegepraktikum an der Universität Frankfurt zu bekommen. Obwohl - oder gerade weil Englisch das schlechteste Fach in meinem Zeugnis war, plante ich nach dem Abitur - in ein englischsprachiges Land zu reisen. Dort wollte ich drei Monate lang in einem Krankenhaus sowohl meine sprachlichen, als auch meine medizinischen Kenntnisse verbessern.
Bewerbung
Im Englischen existiert leider keine konkrete Übersetzung des Terminus „Krankenpflegepraktikum“. Folglich fehlt auch im klinischen Alltag die Vorstellung, in welchem Arbeitsbereich ein Krankenpflegepraktikant einzuordnen ist. Nachdem die Universitätskliniken Oxford, Cambridge und London mit einer Absage auf meine Bewerbung reagiert hatten, erweiterte ich meinen Horizont. Ich bewarb mich an den verschiedensten Orten in England: von Bournemouth nach Newcastle upon Tyne und von Plymouth bis nach Norwich kontaktierte ich ca. 30 Krankenhäuser via E-Mail.
Viele Kliniken konnten mir keinen Praktikumsplatz anbieten, da diese primär den ortsansässigen Schülern und Studenten vorbehalten waren. Die Anfragen versandte ich ca. ein halbes Jahr vor Antritt des Praktikums. Leider sind viele davon bis heute unbeantwortet geblieben. Schließlich fand ich mein Glück in den „West Midlands“, einer Stadt, die weiter als jeder andere britische Ort von der Küste entfernt liegt und 320000 Einwohner zählt. Nach ihr prägte Josef Goebbels 1940 den Begriff „Coventrieren“: Coventry.
Krankenhaus
Wie die meisten britischen Krankenhäuser gehört auch das University Hospital Coventry zum „National Health Service“ (NHS). Das neue Gebäude wurde, im Vergleich zu dem alten Krankenhaus, etwas außerhalb der Innenstadt aufgebaut und im Juli 2006 neu eröffnet. Es umfasst 1250 Betten, gehört zu den University Hospitals Coventry and Warwickshire und betreut die Medizinstudenten der Warwick Medical School
Blick auf den Ostflügel des Universitätskrankenhauses Coventry, Foto: Linda Lecker
Bei der Ankunft wurde ich persönlich begrüßt und anschließend ein individueller Ablaufplan für mich erstellte. Bis zum Antritt des Praktikums verlief alles über E-Mail-Kontakt. Es wurden lediglich die Standard-Formulare (Impfnachweis, Bestätigung der psychischen und physischen Unversehrtheit, Führungszeugnis und Verschwiegenheitspflicht) verlangt. Spezielle Kleidung war nicht erforderlich, sondern wurde für mich immer vor Ort auf den verschiedenen Stationen organisiert.
Während dem Praktikum lernte ich das ganze Krankenhaus kennen und konnte in verschiedene Fachbereiche schnuppern. Die Betreuung war sehr persönlich und die Leitung ging auf individuelle Wünsche ein. Auch auf den Stationen wurde ich sehr herzlich aufgenommen und integriert. Sowohl in der Kommunikation mit dem medizinischen Personal als auch mit den Patienten gab es - trotz nur befriedigendem Schulenglisch - keinerlei Probleme.
Unterkunft
Frau Chadwick war so nett und organisierte mir ein möbliertes Zimmer im Personalwohnheim, das nur ca. 5 Minuten zu Fuß vom Haupteingang des Krankenhauses entfernt lag. Das Praktikum an sich wurde nicht vergütet und alle Reise- und Lebenskosten musste ich selbst tragen. Die Miete von ca. 400€ pro Monat bezahlte ich bar im Büro für Finanzen des Krankenhauses. Einkaufsmöglichkeiten (z.B. Tesco) waren in ca. 10 Minuten zu Fuß zu erreichen. Der Bus in die Innenstadt fuhr direkt vor der Klinik ab und die Fahrtzeit betrug ca. 15 Minuten.
Blick auf das Wohnheim, Foto: Linda Lecker
Coventry:
Coventry ist eine Mischung aus Studenten- und Industriestadt. Touristen bietet der Ort eine sehr interessante Historie und eine große kulturelle Vielfalt. Wer den Alltag dort verbringt findet schnell Anschluss zu den Einheimischen, denn für die ca. 19.000 Studenten wird, vor allem am Wochenende, ein gutes Unterhaltungsprogramm angeboten. Im Krankenhaus habe ich einige Medizinstudenten kennengelernt, die mich auf WG-Partys einluden und sogar zu klinischen Veranstaltungen und Kursen mitnahmen. Ein besonderes Erlebnis war das „Godiva“ Festival, das im Juli jeden Jahres im „War Memorial Park“ in Coventry stattfindet.
Umgebung:
Mit den „National Express“ Bussen kann man in England so gut wie jede Stadt erreichen. Von Coventry aus boten sich Tagesausflüge in das ca. 40km entfernte Birmingham an. Auch Warwick, Leicester, Solihull und besonders Stratford-upon-Avon - die Geburtsstadt William Shakespeares - sind eine Sightseeing-Tour wert.
Ausstellungsstück im Birmingham Museum & Art Gallery, Foto: Linda Lecker
Fazit:
Auslandserfahrungen sind eine prima Sache – vor allem dann, wenn man sie in den Lebenslauf so perfekt integrieren kann wie die Pflichtpraktika im Medizinstudium. Auch wenn ich nach dem Krankenpflegepraktikum zunächst keinen Studienplatz in Deutschland bekommen habe, brachten mich diese zwei Monate privat und sozial weiter. Durch das Arbeiten in einem englischen Krankenhaus habe ich den Mut gefasst, mein Studium im Ausland zu beginnen. Auf das Auslandsjahr in Groningen - das im Rahmen des Medizinstudiums an der Universität Oldenburg, wo ich mittlerweile studiere, absolviert werden muss – freue ich mich schon sehr!