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  • Die Fragen stellte Julia Hecht
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  • 02.09.2016

Die konservative Orthopädie übernimmt heute der Rehamediziner - Interview mit Dr. Heiko Quilitzsch

Gleich 3 beeindruckende Kulissen sieht man vom Kurort Bad Münster am Stein aus: die Ebernburg, die Felsspitze des Rheingrafenstein und den Rotenfels. Letzterer ist Namensgeber der örtlichen Paracelsus-Klinik, einer Fachklinik für orthopädische Anschlussrehabilitation und Rehabilitation. Dort arbeitet unser Interviewpartner Oberarzt Dr. Heiko Quilitzsch.



Dr. med. Heiko Quilitzsch - Foto:Julia Hecht


Dr. med. Heiko Quilitzsch 

ist Facharzt für Physikalische und Rehabilitative Medizin. Er studierte von 1978 bis 1984 an der Medizinischen Hochschule Hannover. Seine Facharztausbildung begann er Ende 1984 am Institut für Anästhesie des Kreiskrankenhauses Heide. 3 Jahre später wechselte er an das Orthopädische Rehaklinikum Bad Salzdetfurth. 1991 erwarb er dort die Zusatzbezeichnung Physikalische Therapie, 1996 machte er seinen Facharzt. Anfang 2008 wechselte er an die Paracelsus-Osterberg-Klinik in Bad Gandersheim. Seit 2014 ist er Oberarzt an der Paracelsus-Rotenfelsklinik in Bad Münster am Stein-Ebernburg (Rheinland-Pfalz).

> Herr Dr. Quilitzsch, Sie haben schon als Kind davon geträumt Arzt zu werden. Wann haben Sie sich für die Physikalische und Rehabilitative Medizin entschieden?

Nach ein paar Jahren als Assistenzarzt in der Anästhesie. Zu Beginn meiner Weiterbildung wollte ich in der Notfallmedizin fit werden, bevor ich irgendetwas anderes mache. Der Patientenkontakt kam mir aber auf Dauer zu kurz: Er beschränkte sich auf die Prämedikation, Nachbetreuung gab es höchstens kurzfristig auf der Intensivstation. Wir haben die Patienten auf Station übergeben und sie danach in der Regel nie wieder gesehen. Eine Kommilitonin hat mir dann von ihren Erfahrungen in der Rehaklinik Bad Salzdetfurth (Niedersachsen) erzählt – da habe ich Feuer gefangen!

> Aber im Gegensatz zu heute war es gar nicht so einfach,überhaupt eine Stelle zu bekommen.

Das stimmt! Nach dem Studium habe ich über 70 Bewerbungen geschrieben. Ich bin an der Nordseeküste aufgewachsen und habe mich im gesamten norddeutschen Raum beworben, nicht nur in der Anästhesie. Ich wurde zu 2 Vorstellungsgesprächen eingeladen – bei einem habe ich dann die Zusage bekommen. Und wie hat es in der Rehamedizin geklappt? Ich hatte Glück: In Bad Salzdetfurth wurde 1987 eine zweite Rehaklinik eröffnet und ich konnte als Stationsarzt anfangen. Ich hatte Weiterbildungsmöglichkeiten in der Orthopädie und der Inneren Medizin sowie für die Zusatzbezeichnung Physikalische Therapie, die ich 1991 erhielt. Den Facharzt für Physikalische und Rehabilitative Medizin hatte es schon in der DDR gegeben. Nach der Wiedervereinigung wurde er im gesamten Bundesgebiet eingeführt. Ich erhielt meine Facharztanerkennung 1996.

> Welche Schwerpunkte hatten Sie in Bad Salzdetfurth?

Die Salze Klinik war eine orthopädische Rehaklinik mit 196 Betten mit Belegung durch die Rentenversicherung und die Krankenkassen. Die Patienten kamen damals noch zu (Vorsorge-)Kuren, aber auch zur Reha und zur Anschlussheilbehandlung – den Begriff verwendet der Rentenversicherungsträger, die Kassen sprechen von Anschlussrehabilitation. Zur Anschlussheilbehandlung kamen Patienten nach Hüft- und Knieendoprothesen, Schulter- und Rückenoperationen, Unfällen oder Nachwirkungen davon. Wir hatten auch die BG-Zulassung.

> Der Begriff Kur ist heute gar nicht mehr so geläufig …

Im Sozialgesetzbuch kommt er nicht mehr vor, aber manche Kostenträger verwenden ihn noch. Heute spricht man von medizinischen Leistungen zur Vorsorge oder Leistungen zur medizinischen Rehabilitation – wozu die Anschlussheilbehandlung zählt. Es handelt sich also einmal um Vorsorgeleistungen, die eine Krankheit oder Beeinträchtigung verhindern sollen, zum anderen um eine Rehabilitationsmaßnahme, die eine eingetretene Erkrankung oder Beeinträchtigung lindern oder möglichst beseitigen soll. Nach den Reformen in den 90er-Jahren des letzten Jahrhunderts setzen wir praktisch nur noch medizinische Rehabilitationsverfahren ein.

> Haben sich auch die Erkrankungen Ihrer Patienten in der Zwischenzeit geändert?

Ich kann natürlich nur für meinen Bereich in der orthopädischen Rehabilitation sprechen: Das Erkrankungsspektrum hat sich nicht geändert, aber die Behandlung, die Verweildauer in der Klinik und auch die Nachbehandlung. Patienten mit operationsbedürftiger Arthrose erhalten heute eher eine Endoprothese, dürfen früher belasten, sind kürzer in der Klinik und kommen eher in die Reha. Ein Beispiel: Als ich anfi ng waren Patienten mit Hüftendoprothese meist 3 Wochen in der Klinik, hatten 6 Wochen Teilbelastung, wurden zum Belastungsaufbau wieder in die Klinik aufgenommen und kamen dann für 4 – 6 Wochen in die Reha.

> Und heute?

Mit einer Hüft- oder Knie-TEP z.B. kommen Patienten nach 6 – 10 Tagen in der Akutklinik mit Vollbelastung zu uns. Dann liegen die Fäden noch, und teilweise sezernieren die Wunden. Wir machen deutlich mehr Wundversorgung als früher. Daraus ergeben sich ganz andere, spannende Aufgaben. Außerdem erhalten zunehmend auch jüngere Menschen Endoprothesen, sodass im Laufe der Jahre Wechseloperationen mit neuen Herausforderungen sowohl für den Operateur als auch für die Reha notwendig werden. Zum anderen werden immer ältere Menschen mit mehr Begleiterkrankungen und Risiken operiert. Das gilt auch für Patienten mit Operationen an der Wirbelsäule – auch hier hat sich die Verweildauer in der operierenden Klinik deutlich verkürzt. Hinzu kommt, dass heute Operationen besonders an der Wirbelsäule Standard sind, die früher noch nicht möglich waren.

> Führen die kurzen Verweildauern auch zu Problemen?

Häufig sind die Patienten nach ihrer Operation durch Blutverlust, Narkose und Schmerzen noch sehr rasch erschöpfbar – dadurch auch in ihrer Selbstständigkeit bei den Alltagsaktivitäten eingeschränkt – und brauchen noch viel Hilfe durch den Pflegedienst sowie mehr Ruhezeit zwischen den Anwendungen. Aber uns stehen nur 3 Wochen zur Verfügung, in denen die Patienten wieder selbstständig werden müssen. Wie erreichen Sie das? Mit der Frühmobilisation beginnt man heute schon verstärkt in den Akutkliniken. Auch die Physiotherapie kommt dort schon intensiv zum Einsatz und hat heute einen höheren Stellenwert: Bevor Patienten zu uns kommen, sollten sie zumindest Toilettengänge selbstständig erledigen und sich zu 50 %, besser 75 % alleine anziehen können. Die vollständige Selbstständigkeit erfahren die Patienten über die sog. aktivierende Pflege seitens des Pflegedienstes. Zur Mobilisation und muskulären Stabilisierung erhalten die Patienten Physiotherapie, Ergotherapie, medizinische Trainingstherapie an Geräten, Gangschule, Ernährungsberatung usw.

> Nehmen die Patienten dieses Angebot auch an?

Ja, in der Regel sind sie sehr dankbar und interessiert. Häufig entstehen im Laufe der Behandlung viele weitere Fragen, die wir mit dem gesamten Rehateam klären. Im Mittelpunkt steht meist die Frage: „Wie komme ich wieder alleine zu Hause zurecht?" In unseren regelmäßigen Teambesprechungen greifen wir das auf und erarbeiten ein individuelles Konzept für den Patienten. Durch die Behandlungsfortschritte steigt die Motivation der Patienten und das Verständnis für unser therapeutisches Vorgehen. Sie merken, dass sie der zentrale Teil des Rehateams sind und dass sie ihre Rehaziele erreichen. Das koppeln die Patienten auch zurück – Bestätigung und Motivation für unsere Arbeit!

> Letztes Jahr haben Sie die Zusatzbezeichnung Geriatrie gemacht. Wie kam es dazu?

Schon in Bad Salzdetfurth wurde mein Interesse dafür geweckt: Unsere Schwesterklinik hatte eine entsprechende Abteilung bekommen, die wir z.T. mitbetreuten. Als Oberarzt an der Paracelsus-Osterberg-Klinik in Bad Gandersheim habe ich dann die seniorenorientierte Anschlussrehabilitation mitaufgebaut – eine Brücke zwischen normaler orthopädischer und geriatrischer Reha, um der erhöhten Pflegebedürftigkeit und der zunehmenden Begleiterkrankungen des immer älter werdenden Patientenklientels gerecht zu werden. Auch in Bad Münster behandeln wir überwiegend ältere Patienten – die Weiterbildung in der Geriatrie hat mir ganz wesentliche Impulse für die tägliche Arbeit gegeben!

> Was sind wichtige Ziele der Rehamedizin?

Unsere Aufgabe ist es, durch unsere Behandlung und Schulung den Patienten eine Rückkehr in ihr häusliches Umfeld zu ermöglichen. Ziel dabei ist es, sie in ein möglichst selbstständiges Leben mit guter Lebensqualität zu entlassen.

> Können Sie Ihr Fachgebiet jungen Kollegen empfehlen?

Ja! Die Rehabilitative Medizin erfordert neben Fachwissen in der Orthopädie auch Kenntnisse z. B. in der Unfallchirurgie, Chirurgie, Inneren Medizin, Neurologie, Psychosomatik und in der Sozialmedizin. Wer sich als Allgemeinmediziner später niederlassen möchte, profitiert sehr von den Erfahrungen in unserem Fachgebiet. Dabei deckt aus meiner Sicht der Rehamediziner praktisch die konservative Orthopädie ab. Deshalb werden zunehmend Abteilungen für Rehabilitative Medizin in Akutkliniken angesiedelt.

> Welche Eigenschaften sollte man für die Rehamedizin mitbringen?

Man muss auf Patienten zugehen, auch zwischen den Zeilen lesen, und sich innerhalb kürzester Zeit auf verschiedene Menschen einstellen können. Man sollte ganzheitlich denken und handeln sowie Zusammenhänge vermitteln können. Als Rehamediziner brauchen Sie auch ganz viel Geduld: Patienten können sich die oftmals komplexen Zusammenhänge ihrer Beschwerden häufig nur schwer vorstellen, und entsprechend schwierig ist es, ihnen diese zu vermitteln. Wenn einem das aber gelingt, ist schon ein großer Schritt zur Beschwerdelinderung und Genesung getan. Der Rehamediziner sollte außerdem unbedingt ein „Teamplayer“ sein. Bei uns arbeiten schließlich sehr viele verschiedene Abteilungen Hand in Hand! 

Diese Artikelserie wird präsentiert von den Paracelsus-Kliniken Deutschland GmbH.

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