- Interview
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- Die Fragen stellte Julia Hecht
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- 26.10.2015
Rehabilitation heißt aktiv sein! - Prof. Schlitt setzt auf Bewegung
Axel Schlitt wusste zu Beginn seiner Karriere als Mediziner natürlich nicht, dass er einmal Chefarzt werden würde. Auf dem Weg dorthin gab er ab und an dem Zufall eine Chance – und kann trotzdem sagen: „Der nächste Schritt war für mich immer der richtige.“ Heute leitet der Internist die Abteilung für Kardiologie, Pneumologie und Diabetes der Paracelsus-Harz-Klinik Bad Suderode. Im Interview erzählt er, wie er in die Rehamedizin eingestiegen ist und wie diese seine Sichtweise auf die Patienten geändert hat.
Prof. Axel Schlitt - Foto: Wilfried Gerharz
Prof. Dr. med. Axel Schlitt
ist Facharzt für Innere Medizin, Kardiologie, Sportmedizin, Sozialmedizin und Master of Health Administration. Nach einer Ausbildung zum Krankenpfleger studierte er von 1991–1997 Medizin an der Universität des Saarlandes und der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. 1998 begann er als Arzt im Praktikum in Homburg / Saar. Ein Jahr später wechselte er zurück nach Mainz und promovierte dort in der Gastroenterologie. Als Stipendiat der Deutschen Herzstiftung verbrachte er 2002–2003 ein Forschungsjahr an der State University of New York. 2005 schloss er seine Weiterbildung in der Inneren Medizin ab. Zwei Jahre später wurde er Oberarzt an der Klinik und Poliklinik für Innere Medizin III in Halle-Wittenberg. Seit 2012 ist er Chefarzt der Abteilung Kardiologie, Pulmologie und Diabetes der Paracelsus-Harz-Klinik Bad Suderode. Im selben Jahr ernannte ihn die Universität Halle-Wittenberg zum außerplanmäßigen Professor. Seit 2014 ist er Leitender Chefarzt.
> Herr Prof. Schlitt, wie sind Sie zur Medizin gekommen?
Recht zufällig: Ich habe meinen Zivildienst in einem kombinierten Alten- und Pflegeheim abgeleistet. Das hat mein Interesse für den Beruf geweckt. Allerdings habe ich mich zuerst für die Pflege entschieden und nach der Ausbildung noch ein Jahr in der Schweiz als Krankenpfleger gearbeitet. Ziemlich schnell war aber klar, dass ich auch Diagnosen stellen und therapieren wollte. Deshalb habe ich angefangen, in Homburg / Saar Medizin zu studieren.
> Warum haben Sie sich für die Innere Medizin entschieden?
Schon als Krankenpfleger habe ich in der Inneren gearbeitet, und auch parallel zum Studium habe ich mir damit meinen Lebensunterhalt verdient. Die Affinität war also von vornherein da. Ich bin sehr zielstrebig und weniger ein nachdenklicher Typ, deswegen wäre die Chirurgie auch ganz gut gewesen – die war mir aber zu undifferenziert. Letztendlich war die Kardiologie genau das Richtige für mich, und ich war von meiner Zeit als Arzt im Praktikum bis zum Wechsel in die Rehamedizin immer im Katheterlabor tätig.
> Weshalb haben Sie der Akutmedizin den Rücken gekehrt?
Ich habe eine klassische Unikarriere angestrebt und wollte auf jeden Fall Chefarzt werden. Dafür habe ich mich u. a. mit meinem Master of Health Administration breit aufgestellt. Der Arbeitsmarkt in der Kardiologie ist aber schwierig, und es war nie etwas dabei, das mir zugesagt hat. Als Oberarzt in Halle ist mir dann die Position an der Rehaklinik in Bad Suderode angeboten worden. Ich habe mir die Klinik angeschaut und festgestellt, dass sie mir gut gefällt, unter anderem da ich den damaligen Chef der Onkologie noch aus Homburg / Saar kannte. Ich habe mich dann gefragt, ob ich unbedingt interventionell tätig sein muss, um glücklich zu sein. Die Antwort lautete: Nein. Da ich außerdem meine Lehre und Forschung in Halle fortführen konnte, war das Angebot für mich sehr attraktiv, und ich bin hier vollkommen zufrieden.
Was sind Ihre Spezialgebiete?
Schwerpunkt meiner Forschung in der kardiologischen Rehabilitation ist die koronare Herzerkrankung, vor allem unter dem Aspekt des Fettstoffwechsels – das war auch Gegenstand meiner Habilitation. Ein weiteres Steckenpferd ist die Blutgerinnungshemmung durch Medikamente – ein wichtiges Thema, zu dem ich viel publiziert habe.
> Hat sich Ihre Perspektive auf die Patienten verändert, seit Sie in Bad Suderode arbeiten?
Als Akutmediziner habe ich – offen gestanden – den Begriff der ganzheitlichen Medizin etwas belächelt. Diese Herangehensweise musste ich hier erst lernen. In der Rehabilitationsmedizin unterstützen wir unsere Patienten in allen Lebensbereichen. Psychologen, Sozialarbeiter, Diabetesberater, Ernährungsberater, Sportwissenschaftler, Physiotherapeuten und das Pflegeteam spielen dabei eine ganz große Rolle. Das habe ich inzwischen wirklich zu schätzen gelernt.
> Was sind die Ziele der Rehamedizin?
Das Wichtigste ist, dass die Patienten verstehen, was sie haben, was los ist in ihrem Körper. Das lernen sie hier in Vorträgen und Seminaren. Gerade ältere Patienten denken, sie kommen zur Kur, aber Reha heißt, sich aktiv mit der Erkrankung auseinanderzusetzen. Neben dem eigentlichen Sport ist ein ganz wichtiger Aspekt, zu überlegen, wie sich die Bewegung sinnvoll in den Alltag integrieren lässt. Außerdem nehmen unsere Patienten häufig ganz viele Medikamente – die versuchen wir konsequent zu streichen, bis sie nur noch das haben, was sie wirklich benötigen. Unser Auftrag ist dann, die medikamentöse Therapie zu erklären, sonst setzen die Patienten ihre Tabletten wieder ab.
> Wie effektiv ist die Rehabilitation?
Wir wissen, dass von Patienten mit der gleichen Krankheit diejenigen länger leben, die in der Reha waren. Aber es ist nur menschlich, Zuhause in den alten Trott zu verfallen, und deshalb sind die richtigen Nachsorgeprogramme so wichtig. Wir bieten z. B. sechs ambulante Herzsportgruppen an. Patienten nehmen einmal in der Woche in der Regel für ca. zwei Jahre teil und werden von einem Arzt sowie einem Herzgruppenleiter betreut. Es ist nicht nur ein Bewegungsangebot, auch die Schulungen aus der Reha werden wiederholt. Allerdings landen nur 16 % der Patienten, die ein gesetzliches Anrecht darauf haben, im ersten Jahr nach einem akut kardiologischen Aufenthalt in einem solchen Kurs. Nachsorge könnte in Deutschland also eindeutig besser laufen. Die Frage ist natürlich immer: „Wer zahlt?“ Aber im Moment tut sich viel, und die Disease-Management-Programme der Krankenkassen sind schon ein Schritt in die richtige Richtung.
> Kommen Patienten immer „blutiger“ zu Ihnen in die Klinik?
Ich kenne es nicht anders: Patienten werden in die Reha verlegt, sobald sie wieder halbwegs stehen können. Das ist normal, seitdem es das DRG-System gibt. Früher waren offene Wunden tatsächlich eine Kontraindikation für Reha.
> Seit 2014 gibt es eine neue Führungsspitze an der Paracelsus-Harz-Klinik. Hat das bereits Auswirkungen gezeigt?
Wir überlegen, wie wir unsere Klinik weiterentwickeln können. Beispiele, die wir bereits umgesetzt haben, sind WLAN für die Patienten und eine Neuausrichtung der Sporttherapie. Unsere größte Halle ist jetzt wie ein Sportstudio eingerichtet. Das mag banal klingen, ist aber etwas, das die Patienten heutzutage erwarten.
> Können Sie die Rehamedizin Ärzten in Weiterbildung empfehlen?
Rehakliniken wissen schon lange, was Akutkliniken gerade erst lernen: Jungen Ärzten ist die Work-Life-Balance sehr wichtig. Regelmäßige Arbeitszeiten, entspanntere Dienste, ein Umfeld, in dem man einem Patienten auch mal etwas erklären kann – das macht die Rehamedizin sehr attraktiv.
> Worauf achten Sie als Chefarzt in einem Vorstellungsgespräch?
Für mich ist Plausibilität sehr wichtig, ich muss den Eindruck haben, dass jemand „echt“ ist. Ich achte auch auf das Äußere eines Bewerbers: Durch meine Kleidung drücke ich schließlich aus, dass ich den anderen wertschätze und dass es eine besondere Situation ist – ähnlich wie im Staatsexamen. Auch Sprache, Wortwahl und Auftreten spielen eine große Rolle. In einem Bewerbungsgespräch muss man verdeutlichen, dass man freundlich und direkt auf einen Patienten zugehen kann.
Diese Artikelserie wird präsentiert von den Paracelsus-Kliniken Deutschland GmbH.