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  • Sarah Sprinz
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  • 29.01.2020

Das Pflichtfreisemester in Aachen

Die Vorteile eines Freisemesters genießen und das Medizinstudium trotzdem in Regelstudienzeit abschließen? Im Aachener Modellstudiengang Medizin ist das nicht nur möglich, sondern fest vorgesehen.

In Ruhe für die Doktorarbeit forschen, Famulaturen im Ausland ableisten, Zeit mit der Familie verbringen oder einfach mal nichts tun? Die Gründe, ein Freisemester zu nehmen sind vielfältig. Während des sechsjährigen Medizinstudiums ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass auch du dich einmal in einer Lebenssituation befindest, in der ein Freisemester sinnvoll wäre. Doch dafür das Ende des sowieso endlosen Studiums noch weiter hinauszögern? Lohnt sich das? Und wie finde ich danach den Anschluss wieder? Fragen, die sich Studierende im Aachener Modellstudiengang Medizin nicht stellen müssen.

 

 

Als eine der wenigen medizinischen Fakultäten in Deutschland hat Aachen ein reguläres Freisemester fest im Curriculum integriert. Bis zum siebten Semester studieren Aachener Medizinstudierende wie auch an anderen Universitäten, bis auf die Semesterferien, ohne Pause. Ein Freisemester kann auch währenddessen bereits genommen werden, geht dann aber mit einer Verzögerung des weiteren Studiums einher. Nicht so nach dem siebten Semester. Der Grund dafür: Für das Blockpraktikum, das Aachen Medizinstudierende entweder im achten oder neunten Fachsemester absolvieren, muss das Jahrgang geteilt werden. Während eine Hälfte deiner Kommilitonen mit Blockunterricht an der Uniklinik beschäftigt ist, verabschiedet sich die andere Hälfte ins Frei. Und das wortwörtlich, denn während des Freisemesters steht keine einzige Veranstaltung auf dem Stundenplan.

 

 

Wie ist das möglich? Während an anderen Fakultäten klassisch aufgeteilt in Vorklinik und Klinik gelernt wird, richtet sich das Aachener Curriculum nach der praxisorientierten Lehre des Modellstudiengangs. Die ersten drei Studienjahre zeichnen sich gleichermaßen durch vorklinische Inhalte wie Anatomie, Physiologie und Pathologie, sowie Klinikwissen (Innere Medizin, Chirurgie, Dermatologie etc.) aus. Nach Vorbild des organbezogenen Lernens werden in Aachen bis zum sechsten Semester alle Organsysteme des Körpers in ihrer Physiologie und Pathologie erlernt – und mit dem Bestehen der Ärztlichen Basisprüfung kontrolliert. Im siebten Semester folgen speziellere Fächer wie die Arbeits-, Umwelt- und Sozialmedizin, Schmerz- und Palliativmedizin, Pädiatrie und Rechts- und Altersmedizin. Anschließend geht es bereits ins Blockpraktikum, auf das nur noch das zehnte Semester mit regulären Vorlesungen folgt.

Bleibt da denn nichts auf der Strecke? Im Gegenteil – Aachener Medizinstudierende belegen seit Jahren die vorderen Plätze im Vergleich der deutschlandweiten Ergebnisse im zweiten Staatsexamen, das wie an allen anderen Fakultäten nach dem zehnten Semester abgelegt wird. Trotz regulärer Pause ist die Lernkurve also steil.

 

 

Was also fangen die Aachener mit ihrem Freisemester an?

In den meistens Fällen werden die freien neun Monate für erste Arbeiten an der medizinischen Doktorarbeit genutzt. Bis zur ärztlichen Basisprüfung bleibt hierfür kaum Zeit. Auch Pflichtfamulaturen, die noch ausstehen, können im Freisemester in Ruhe absolviert werden. Wer noch unsicher ist, in welche Richtung es nach dem Studium gehen soll, hat im Freisemester die Möglichkeit, ganz in Ruhe freiwillig in verschiedene Fachrichtungen zu schnuppern. Viele nutzen das Freisemester für einen Auslandsaufenthalt, der am einfachsten mit einer Famulatur verbunden werden kann. Auch für ein Auslandssemester ist hier ein guter Zeitpunkt. Doch gezwungen wird dazu niemand. Selbst das bloße Nichtstun ist im Freisemester ebenso problemlos möglich wie sich anderen Lebensbereichen zu widmen oder gar in ein anderes Studium zu schnuppern.

 

 

Der große Vorteil?

Für das Pflichtfreisemester muss kein Antrag auf Beurlaubung eingereicht werden. Eine besondere Begründung wie Krankheit oder die Pflege von Angehörigen ist dafür nicht nötig. Dank der normalen Einschreibung zum Semester entstehen keine Probleme beim Bafög-Amt oder der Krankenkasse. Du bleibt ganz normal immatrikuliert und auch in der Studienverlaufsbescheinigung wird nirgendwo vermerkt, dass ein Freisemester genommen wurde.

 

 

Verliere ich nicht den Anschluss?

Im Gegenteil, denn alle Kommilitonen befinden sich im Freisemester. Dadurch wird kein Wechsel in einen anderen Jahrgang nötig. Lerngruppen können weiterhin bestehen und nach einem Semester triffst du wieder regulär auf deine Freunde.

 

 

In manchen Fällen genügt ein einzelnes Freisemester nicht aus, insbesondere wenn währenddessen eine aufwändige Doktorarbeit begonnen wurde. Das Freisemester in Aachen kann glücklicherweise problemlos ausgeweitet werden. Einige DoktorandInnen, die bereits ahnen, dass sie mehr Zeit für die Dissertation benötigen, nehmen sich dafür direkt mindestens ein Jahr am Stück. Dann aber verzögert sich der weitere Studienverlauf wie an anderen Fakultäten auch. Oft nutzen Aachener Medizinstudierende die Zeit vor oder nach dem zweiten Staatsexamen zwischen zehntem Semester und praktischem Jahr, um eine erneute Pause einzulegen und die Doktorarbeit zu beenden.

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