• Interview
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  • Fanny Berlincourt
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  • 01.03.2007

Basel aus Dozentensicht: Fragen an Frau Prof. Nitsch

Unsere Lokalredaktuerin Fanny im Gespräch mit der Basler Neuroanatomiedozentin Frau Prof. Nitsch.

Frau Professor Nitsch - Foto: F. Berlincourt

Frau Professor Nitsch

> Frau Professor Nitsch, was führte Sie nach Basel?

Ich habe meine Schulzeit in Freiburg im Breisgau verbracht und war sehr froh, nach langen Lehr- und Wanderjahren in Deutschland, Österreich, Japan und den USA, die Möglichkeit zu erhalten, wieder in die Region zurückkehren zu können. Ich erhielt einen Ruf als Prosektor, das ist ein altehrwürdiger Begriff für Anatomie-Professoren, die Leichen vorpräparieren und Extraordinaria an das Anatomische Institut der Universität Basel. In der Folge habe ich dann, neben der Lehre im gesamten Fach der Anatomie, die Abteilung für funktionelle Neuroanatomie aufgebaut.

 

> Was macht Basel als Forschungsstandort interessant?

Die Uni Basel ist die kleinste deutschsprachige Voll-Universität. Also sind auch die einzelnen Einheiten oft viel kleiner als in Zürich oder München, was Raumausstattung, aber vor allen auch was Personal angeht. Andererseits ist die Vernetzung sowohl innerhalb von Basel mit den Forschungsinstituten der Industrie, zum Beispiel dem Friedrich-Miescher Institut und der Industrie selbst, wie auch in der Region mit Uni Strassburg und Uni Freiburg sehr gut. Die kurzen Wege zwischen den Instituten, Spitälern und Seminaren in der Stadt erleichtern fächerübergreifende Gespräche auf allen Ebenen. Das ist eine Voraussetzung, um transdisziplinäre Forschungsprojekte zu initiieren.

 

> Sie sind am anatomischen Institut tätig, worin besteht Ihr Forschungsschwerpunkt?

Das Anatomische Institut in Basel besteht nur noch als Gebäude mit den Einrichtungen für die Lehre in Anatomie, Präpariersaal und Mikroskopiersaal. Mit der Bildung des Departments für klinisch-biologische Wissenschaften (DKBW) sind die Fächergrenzen aufgehoben worden mit dem Ziel, die Arbeitsgruppen nach Forschungsschwerpunkten zusammen zu fassen. So sind manche Abteilungen in das neue Forschungsinstitut in der Mattenstrasse gezogen. Dafür sind jetzt in die Gebäude der Anatomie Gruppen aus der ehemaligen Physiologie eingezogen. Vier Abteilungen gehören zurzeit zum Schwerpunkt Neurowissenschaften. Meine Arbeitsgruppe beschäftigt sich mit Phänomenen der neuronalen Plastizität, also der Adaptationsfähigkeit des Gehirns bei Gesunden und Kranken. Im Rahmen der klinischen Grundlagenforschung beschäftigen wir uns mit der Fragestellung, wie nach einer Hirnverletzung neue Verbindungen entstehen, die den Ausfall eines Hirnareals kompensieren. Bei gesunden Jugendlichen und Erwachsenen untersuchen wir gemeinsam mit Sprachwissenschaftlern und Neuroradiologen, wie das Gehirn mehrere Sprachen verarbeiten kann.

 

> Was gefällt Ihnen an Basel, was weniger?

Basel ist eine mittelgroße Stadt mit kurzen Wegen und einem gut ausgebauten ÖV mit dem kulturellen Angebot einer Weltstadt! Ich lebe sehr gerne hier und wenn es doch mal zu eng wird - Stichwort "Kantönligeist" - so ist der Weg ins Französische oder ins Deutsche ganz kurz. Und wenn es im Sommer zu heiß und zu schwül wird, sind die Berge auch nicht weit.

 

> Sie haben uns Schweizer Studenten schon etwas kennengelernt - sind wir anders als andere Studenten?

Die Schweizer Studenten sind pflichtbewusst und fleißig, sie besuchen alle Vorlesungen und Kurse, sodass sich Anwesenheitskontrollen erübrigen. Allerdings ist das Medizinstudium auch viel verschulter und die MC-Fragen werden nicht von einer anonymen Institution wie in Deutschland oder den USA entwickelt. Das heißt, wer in der Schweiz die Pflicht-Lehrveranstaltungen besucht, kann ziemlich sicher sein, alles gehört zu haben, was für die Examina relevant ist.

 

> Was fasziniert Sie an der Neuroanatomie?

Wir versuchen zu verstehen, wie das Organ arbeitet, das alle unsere Lebensäußerungen steuert - von der Verdauung über die Bewegung, das Wahrnehmen der Welt um uns herum, bis zum Denken und Planen - darüber zu reflektieren und vielleicht einen kleinen Puzzlestein beizutragen, das ist faszinierend.

 

> Was ist Ihrer Meinung nach das spannendste Gebiet der heutigen Forschung im Bereich der Medizin?

Neben der Hirnforschung die Immunologie. Beide Gebiete beschäftigen sich damit, wie der Organismus sich an ständig wechselnde Bedingungen anpasst, z.B. neue pathogene Keime erkennt oder neue Gerüche wahrnimmt, die von neu synthetisierten Substanzen stammen, die so noch nicht in der Umwelt vorhanden sind. Und beide Systeme, das Immunsystem und das Nervensystem, sind zum Lernen, zur Aneignung von Wissen fähig und generieren daraus etwas Neues.

 

> Was macht ihrer Meinung nach einen guten Medizinstudenten aus?

Neugierde! Der Wunsch zu verstehen. Durchhaltevermögen und die Bereitschaft gelegentlich trockenes Basiswissen zu erarbeiten, erleichtern das Studium.

 

> Haben Sie einen Tipp für das Medizinstudium?

Viel Schlafen, beim Schlafen konsolidiert sich das Gelernte!

 

Vielen Dank für das Gespräch

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