• Bericht
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  • Lukas Nussbaum
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  • 24.02.2017

Notfallpraktikum

Lukas hat drei Schichten auf der Notfallstation am Kantonsspital Aarau mitgearbeitet. Hier berichtet er über seine Erlebnisse und warum er in Biochemie-Vorlesungen ab jetzt besser aufpassen wird.

Notfallstation Kantonsspital Aarau © Lukas Nussbaum


Es ist kalt und von der Sonne ist nicht mehr viel zu sehen. Eigentlich sollte ich zu Hause sein und mich auf den Präpkurs vorbereiten. Weihnachtsgeschenke müsste ich auch noch besorgen. Stattdessen bin ich mit dem Fahrrad auf dem Weg ins Kantonsspital Aarau. Die nächsten drei Tage werde ich hier in der Spätschicht auf der Notfallstation mitarbeiten.

Das Notfallpraktikum gehört zum Curriculum des 2. Bachelor-Studienjahres an der Universität Basel. Ziel ist es, im sonst eher theorielastigen Studium einen konkreten Praxisbezug zu schaffen. Daneben soll es auch für die Zusammenarbeit von Ärzten und Pflegepersonal sensibilisieren.
Dass die Spätschichten von Freitag bis Sonntag zu den anstrengendsten gehören, dürfte für niemanden auf der Notfallstation ein Geheimnis sein. Auch während meinen Schichten wird es eher wenige Pausen geben. Keine Viertelstunde bin ich auf der Station, als die Ambulanz vorfährt. Von den Rettungssanitätern erfahren wir, dass der Patient mit einer Alkoholvergiftung im Eingangsbereich eines Cafés aufgefunden wurde.

Ich soll den GCS (Glasgow Coma Scale) bestimmen. Eine einfache Aufgabe, denke ich, da ich während meiner Ausbildung in der Schweizer Armee einige Dutzend Male diesen Wert erhoben hatte. Doch bei einem Mann mit 4 Promille Alkohol im Blut ist das schwieriger als gedacht. Der Patient reagiert stark verlangsamt auf Schmerz; dass er meine Aufforderungen nicht befolgt, versteht sich von selbst. Doch einen GCS von 11 kann ich ihm dann auch nicht geben, denn es geht ihm den Umständen entsprechend gut. Nach einigen Ringer-Lösungen ist er auf jeden Fall in der Lage, sich die Infusion herauszureißen, das Zimmer zu verlassen und lautstark zu verlangen, dass man ihn nach Hause gehen lässt.

Wie der GCS gehört auch das EKG zu den Standardabklärungen auf der Notfallstation. Bei einem älteren Herrn, der mit dem Fahrrad gestürzt ist und lange Zeit in der Kälte auf Hilfe warten musste, darf ich das EKG schreiben. V1 bis V6 sind einfach zu positionieren, einfach den Zahlen nach am Brustkorb befestigen. Dann bleiben noch grün, gelb, rot und schwarz übrig. Wie war das jetzt gleich schon wieder? Mit dem Ampelschema kann man sich die Farben merken: oben rechts beginnend ist die Reihenfolge dem Uhrzeigersinn nach grün, gelb, rot und zuletzt noch schwarz.

Eine weitere Hilfe ist die BGA (Blutgasanalyse). Es ist Samstagabend, als eine hyperventilierende ältere Frau eingeliefert wird. Sie hatte vor einigen Tagen eine Bauchoperation. Die Pflegefachfrau bringt mir den Zettel mit den Ergebnissen der BGA und fragt mich nach meiner Diagnose. Und ich dachte, Biochemie könne ich definitiv vergessen! Das sei doch etwas für die Theoretiker in den Labors, aber nicht für die Notfallstation. Gemeinsam gehen wir die Analyse durch: ein pH von weniger als 7.35 deutet auf eine Azidose hin, also eine Übersäuerung. Doch woher kommt das? Liegt ein respiratorisches Problem vor, bei dem zu viel saures CO2 im Blut ist, oder ein metabolisches, bei dem zu wenig basisches HCO3- vorhanden ist? Ein CT liefert dann die Diagnose: Volvolus, eine Drehung eines Darmabschnittes.

Mit der Zeit frage ich mich, wo eigentlich alle unsere Patienten herkommen. Wer weist sie in die Zimmer ein? Wo kommen die weniger dramatischen Fälle hin? So kann ich am Eingang im Triagebereich vorbeischauen. Zwei Pflegefachfrauen kümmern sich um die Patienten, die selbstständig kommen, also ohne Ambulanz. Sie fragen nach der Stärke der Schmerzen, messen Fieber und entscheiden dann, wo, wie und wie schnell ein Patient behandelt wird.

Diese Sortierung nennt man Triage. In Aarau gibt es vier Möglichkeiten: Augenprobleme, urologische und gynäkologische Probleme werden direkt an die jeweiligen Kliniken auf dem Gelände des Spitals weiterverwiesen. Hausärztliche Probleme werden in der Hausarztpraxis der Notfallstation behandelt. Patienten mit grösseren Verletzungen oder Schmerzen werden auf die Notfallstation verlegt, wo sie liegen können.

Ganz neu gibt es die sitzende Behandlungszone, in der zwei Untersuchungszimmer zur Verfügung stehen. Die Patienten warten sitzend, bis sie vom Arzt untersucht werden. Triage ist eine Kunst! Falsche Einteilungen können schwerwiegende Folgen haben. Gewisse Fälle müssen sofort behandelt werden. Und gleichzeitig will jemand mit einem gebrochenen Finger nicht drei Stunden in einem Bett liegen und auf die Behandlung warten.

Mein Fazit aus dem Notfallpraktikum: Biochemie ist wichtig, und die Zusammenarbeit zwischen Ärzten und Pflegepersonal ist entscheidend für eine gute Behandlung der Patienten. 

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