- Bericht
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- Hendrik Bensch
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- 09.11.2015
Hilfe für Flüchtlinge – Medizinstudierende im Einsatz
In Anlaufstellen, direkt am Ankunftsort in Deutschland oder im Ausland – auf unterschiedliche Weise helfen Medizinstudierende Menschen, die nach Europa geflüchtet sind. Medizinstudent Martin Kuhlmann erzählt, wie das Berliner Medibüro Flüchtlinge unterstützt.
Martin Kuhlmann (24) studiert Medizin im 8. Semester in Berlin.
Foto: Hendrik Bensch
Seit anderthalb Jahren engagiere ich mich in Berlin beim Medibüro. Wir sind ein Netzwerk für das Recht auf Gesundheitsversorgung aller Migrantinnen und Migranten. Menschen ohne gültige Aufenthaltserlaubnis und Krankenversicherung vermitteln wir eine anonyme und kostenlose Behandlung. Zweimal die Woche können die Leute in unser Büro in Berlin-Kreuzberg kommen. Pro Woche sind etwa 40 Patienten bei uns.
Beim Medibüro arbeiten alle ehrenamtlich, vor allem Ärzte und Medizinstudierende machen mit. Im Gespräch mit den Patienten klären wir erst einmal, was die Patienten haben. Je nachdem, an was die Menschen leiden, vermitteln wir sie dann an Ärzte, Physiotherapeuten oder Hebammen, mit denen wir zusammenarbeiten und die umsonst behandeln. Wenn Kosten für Medikamente oder Laboruntersuchungen anfallen, übernimmt sie das Medibüro. Auch kleinere Operationen werden bezahlt, sofern genügend Spendengelder vorhanden sind.
Ich bin alle zwei Woche bei der Sprechstunde im Büro. Die Arbeit geht aber auch danach weiter, denn es gibt immer Fälle, bei denen ich im Nachhinein klären muss, wie es weitergeht. Zum Beispiel dann, wenn wir keinen Arzt finden können, der Zeit für den Patienten hat. Das passiert häufig, wenn es um neurologische, psychiatrische oder chirurgische Probleme geht. Längere Zeit hatten wir auch nicht so viele Zahnärzte, die mitgemacht haben – jetzt haben wir zum Glück wieder zwei neue gewinnen können.
In unsere Sprechstunde kommen Leute aus allen möglichen Ländern: zum Beispiel aus Syrien, dem Irak oder Afghanistan. Aber auch viele aus dem ehemaligen Jugoslawien, bei denen klar ist: Sie haben nur geringe Chancen, ein Anrecht auf Asyl zu bekommen. Trotzdem brauchen sie natürlich eine vernünftige Gesundheitsversorgung.
Das Leben der Patienten kann sich schnell drastisch verändern
Die Probleme, mit denen die Flüchtlinge zu uns kommen, sind häufig ganz klassisch: Sie können nicht mehr so gut sehen, haben seit längerer Zeit Bauch- oder Kopfschmerzen oder psychische Probleme. Ein Fall ist mir dabei ganz besonders in Erinnerung geblieben. Es war eine ältere Frau, die starke Rückenschmerzen hatte. Wir haben sie an einen Allgemeinarzt und Neurologen vermittelt. Aber das ganze zog sich leider über Wochen hin, weil wir jemanden finden mussten, der sich intensiver mit der Behandlung der Schmerzsymptome beschäftigen konnte. Später wurde sie operiert und brauchte noch längere Zeit Physiotherapie. Auch das hat länger gedauert, weil viele Physiotherapeuten viel zu tun hatten und die Behandlung zeitaufwendig ist. In dieser ganzen Zeit hatte die Frau sehr starke Schmerzen. Da habe ich mich ganz schön hilflos gefühlt.
Als besonders hart empfinde ich es auch immer, wenn Leute akut von einer Abschiebung bedroht sind. Sie wollen dann von uns eine Stellungnahme eines Gutachters, zum Beispiel wegen psychischer Probleme, um nicht abgeschoben werden zu können. Dann wird mir immer wieder bewusst, wie prekär die Situation für viele ist und wie sich ihr Leben von heute auf morgen drastisch verändern kann.
Lange in Erinnerung bleibt mir auch immer, wenn eine hochschwangere Frauen in unserer Sprechstunde ist und dringend einen Ort und Termin für die Entbindung braucht. Dann denke ich mir immer: Die Geburt ist ein einmaliger und schöner Augenblick. Wieso muss dieser Moment von Hektik, Angst und Ungewissheit überschattet werden, weil die Frau als illegalisierte Person ins Krankenhaus muss und sich dabei unsicher fühlt?
„Jeder Mensch hat das Recht auf eine Gesundheitsversorgung“
Diesen Menschen möchte ich helfen. Denn im Gegensatz zu ihnen habe ich das Privileg, die Gesundheitsleistungen zu bekommen, die ich brauche – ohne dass ich dafür jemals etwas tun musste. Einfach deshalb, weil ich in diesem Land geboren wurde. Dabei sollte jeder Mensch das Recht und den Anspruch auf eine Gesundheitsversorgung haben. Für dieses Grundrecht setze ich mich gerne in meiner Freizeit ein – und lerne dabei auch noch einiges, was über das Medizinstudium hinausgeht. Denn bei der Arbeit muss ich bei ganz unterschiedlichen Krankheitsbildern die Patienten weitervermitteln, häufiger nachhaken und bin dabei im ständigen Kontakt mit unterschiedlichen Ärzten. Das bringt viel Praxiserfahrung.
Das große Ziel unserer Arbeit ist, uns „abzuschaffen“, denn eigentlich ist das, was wir machen, Aufgabe des Staates. Wir machen deshalb auch Lobbyarbeit. Ich hoffe, dass sich dadurch die politische Situation irgendwann verändert, damit alle eine Gesundheitsversorgung erhalten. In anderen europäischen Ländern gibt es bereits einen anonymen Krankenschein, damit Menschen ohne legalen Status einen Arzt besuchen können. Den bräuchten wir auch in Deutschland.
Mehr Infos
Hier findest du eine Deutschlandkarte mit Organisationen, in denen sich Medizinerinnen und Mediziner für Flüchtlinge engagieren.