• Interview
  • |
  • Marc Frerix
  • |
  • 19.09.2006

Studieren mit Kind

Es kommt nicht immer alles so, wie man es geplant hat. Die Medizinstudentin Barbara Hohmann wurde während ihres Studiums unerwartet schwanger. Gegenüber Via medici online berichtet Sie von Ihren Erfahrungen und Problemen, Studium und Familie unter einen Hut zu bringen.

 

Barbara und Johanna - Foto:privat 

Barbara Zeitler mit ihrer kleinen Johanna

> Hallo Barbara, du studierst jetzt im 7. Semester Medizin an der Ruhr-Universität Bochum und bist vor kurzem Mutter geworden. Magst du vielleicht zunächst etwas über dich und deine Familie erzählen?

Meine Familie besteht aus meinem Mann Sebastian, Johanna und natürlich mir. Sebastian studiert ebenfalls Medizin und macht zur Zeit sein PJ. Johanna ist im August 2 Jahre alt geworden, sie wurde also geboren, als ich gerade mein Physikum gemacht habe. Im Mai letzten Jahres haben Sebastian und ich geheiratet und fühlen uns spätestens seit dann so richtig als Familie.

 

> Die Rolle der Mutter mit dem Studium zu vereinbaren ist sicher nicht immer leicht. War die Schwangerschaft während des Studiums eigentlich geplant?

Nein, auf keinen Fall. Es war unwahrscheinlicher als ein Sechser im Lotto und trotzdem haben alle Verhütungsmittel versagt. Als wir von der Schwangerschaft wussten, war für uns aber sofort klar, dass wir das Kind bekommen. Da gab es keine Diskussionen.

 

> Eine Schwangerschaft während des Studiums ist für viele Medizinstudentinnen sicher eine Horrorvorstellung. Die Verantwortung für eine Kind neben dem Studium zu sorgen ist sicher sehr groß. Was würdest du anderen Studentinnen mit Kinderwunsch oder die ebenfalls unverhofft in diese Situation kommen, raten?

Im Nachhinein denke ich, dass es fast schon ideal ist, sein Kind (jedenfalls das erste) im Studium zu bekommen. Für Mediziner gibt es eigentlich keinen idealen Zeitpunkt für Kinder und man hat nie wieder soviel Zeit für sein Kind wie im Studium. Klar ist es schwierig, Schwangerschaft, Studium und nachher die Kinderbetreuung zu vereinbaren, aber das ist alles eine Frage der Organisation. Das lernt man mit der Zeit, es hört sich blöd an, aber man wächst mit seinen Aufgaben.

 

> Woran muss man als werdende Mutter schon alles denken? Was hat sich für dich seit der Geburt geändert?

Geändert hat sich viel. Ich musste zum Beispiel umziehen, aus meinem Studentenwohnheimzimmer mit meinem Freund zusammen in eine größere Wohnung. Man muss für das Baby viel vorbereiten, aber das macht einem auch Spaß! Schwierig war, dass ich noch einen Organ-Präpkurs machen musste und wegen des fruchtschädigenden Formalins nicht durfte. Man sollte auf jeden Fall bedenken, dass man in der Schwangerschaft bestimmte Dinge in der Uni nicht machen darf.
Aber es gibt klare Richtlinien und es lässt sich eigentlich immer eine Lösung mit den entsprechenden Fachvertretern finden. Was sich vor allem ändert, ist das tägliche Leben. Man muss auf viel verzichten... aber es lohnt sich!

 

> Gab es Dinge, an die Ihr nie gedacht hättet, woran man denken muss?

Sicher ist auf einmal vieles anders. Wir wohnen jetzt in einer 65m²-Wohnung. Das ist relativ eng für zwei Studenten - die eigentlich ein Arbeitszimmer bräuchten - mit Kind, aber es geht. Jedenfalls jetzt noch. Wenn Johanna demnächst größer ist, werden wir sicherlich umziehen müssen, da sie immer mehr Platz für ihre Spielsachen braucht. Ich hätte nicht daran gedacht, dass wir uns tatsächlich ein größeres Auto kaufen mussten. Mein Lupo war doch zu klein für den Kinderwagen.

 

> Wie waren die Reaktionen deiner Kommilitonen?

Die haben sich total gefreut! Johanna war ab dem Zeitpunkt, als sie es wussten, die Attraktion für alle. Klar, hat ja sonst auch noch keiner ein Kind. Unsere Freunde passen auch gerne mal auf Johanna auf und wir wurden in allem sehr von ihnen unterstützt.

 

> Wer passt sonst regelmäßig auf das Kind auf, während du Vorlesungen und Seminare besuchst?

Das erste Jahr bin ich zuhause geblieben. Am Anfang ist meiner Meinung nach eben doch die Mutter die beste Betreuungsperson. Geht aber vielleicht auch anders. Jetzt ist Sebastian, wie gesagt, im PJ und damit vollzeitbeschäftigt.
Mittlerweile geht Johanna regelmäßig zu einer Tagesmutter. Wir haben damit angefangen, als sie 18 Monate alt war und es klappt super. Johanna freut sich jeden Tag auf die anderen Kinder und lernt von ihnen eine Menge. Sobald wir frei haben, holen wir sie ab, sodass wir auch noch genug Zeit mit ihr verbringen können. Die Tagesmutter wird uns sogar vom Jugendamt bezahlt.
Unsere Eltern wohnen leider nicht gleich um die Ecke, aber dennoch unterstützen sie uns, so gut sie können. Johanna ist öfter mal für ein Wochenende da, wenn wir für Klausuren lernen müssen oder so. Und sie ist glücklich.

 

> Welche Erfahrungen hast du mit Angeboten der Uni zur Kinderbetreuung gemacht?

Angebote der Uni sind in Bochum leider sehr dürftig. Wir haben alles versucht, aber keinen Erfolg gehabt. In anderen Uni-Städten scheint die Betreuung durchaus sehr viel besser zu sein, wie ich von Freunden erfahren habe.

 

> Eine Familie kostet neben dem Studium ja nicht nur viel Zeit, sondern sicherlich auch etwas Geld. Wie kommt Ihr finanziell über die Runden?

Ich habe im letzten Jahr im häuslichen Pflegedienst am Wochenende gearbeitet, allerdings geht man nach ein paar Wochen schon auf dem Zahnfleisch. Uni, Arbeiten, Kind, Haushalt und dann noch Doktorarbeit ist doch etwas viel! Wir bekommen weiterhin Geld von unseren Eltern, bis Sebastian fertig studiert hat. Zusätzlich gabs die ersten zwei Jahre Erziehungsgeld, wobei sich das ab Januar 2007 ändert. Daneben gibt es Kindergeld und etwas Bafög. Wäre ich exmatrikuliert, hätten wir Arbeitslosengeld II bekommen. Ist alles nicht so üppig, geht aber. Auch in dieser Hinsicht muss man etwas zurückstecken, kann sich nicht mehr ganz so viel leisten. Aber wir leben eigentlich ganz gut. Und Babysachen gibt es ja zum Glück auch gebraucht.

 

> Du hast zunächst den Regelstudiengang kennengelernt und studierst seit dem 5. Semester im Modellstudiengang Medizin. Welche Vor- und Nachteile siehst du zwischen den beiden Studiengängen was die Vereinbahrkeit mit der Mutterrolle angeht?

Ich habe bis zum Physikum im Regelstudiengang studiert, zwei Tage nach dem schriftlichen Physikum entbunden und anschließend das mündliches Physikum gemacht. Danach habe ich überlegt: wenn ich jetzt wegen des Kindes ein Jahr aussetze, könnte ich auch in den Modellstudiengang gehen. So gesehen hat eher die Schwangerschaft meinen Wechsel bedingt. Mit dem Modellstudiengang ist eine Schwangerschaft sicher leichter zu vereinbahren als im Regelstudiengang. Da ist alles etwas flexibler und man kann durch individuellere Betreuung sicher besser Lösungen für problematische Situationen finden. Der Regelstudiengang ist sehr groß. Man ist anonym und ein Einzelschicksal interessiert die Professoren leider nicht wirklich, wie ich feststellen musste. Da hilft nur auf seine Rechte pochen und durchhalten!!

 

> Denkst du, dass sich die Mehrbelastung deiner Familie auch auf deine Studiumsleistungen auswirken wird?

Nein, ich denke nicht. Liegt aber vielleicht auch daran, dass ich nicht schnell aufgebe und relativ ehrgeizig bin. Meine Schwangerschaft hat sich meiner Meinung nach lediglich positiv auf mein Studium ausgewirkt. Jetzt weiß ich das Privileg, studieren zu dürfen, wirklich zu schätzen und nutze mein Studium. Ich freue mich jeden Tag, meinen Traumberuf lernen zu dürfen. Was die Zeit angeht, wie gesagt, alles eine Frage der Organisation. Man wird ökonomischer, verplempert nicht mehr soviel Zeit.

 

> Würdest du dich rückblickend wieder während des Studiums für ein Kind entscheiden oder sind noch weitere Kinder in Planung?

Ich würde alles, auch wenn es wirklich stressig war, sofort wieder so machen. Ja, und wir denken durchaus darüber nach, noch ein Kind während des Studiums zu bekommen. Wir möchten, dass Johanna in akzeptablem Altersabstand ein Geschwisterchen bekommt. Nach dem Studium möchte ich schließlich noch meinen Facharzt machen.

 

Vielen Dank für das Gespräch und weiterhin alles Gute für Familie und Studium!

Bei Fragen dürft ihr Barbara gerne eine mail schicken:

barbara.zeitler@rub.de
Mein Studienort

Medizinstudenten berichten aus ihren Unistädten

Werde Lokalredakteur Die Unistädte auf Google Maps
Medizin im Ausland

Erfahrungsberichte und Tipps aus über 100 Ländern

Erfahrungsbericht schreiben Auslands-Infopakete
Cookie-Einstellungen