- Bericht
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- Jana Pekrul
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- 23.01.2013
Qualitätsjournalismus vs. Bullshit
Am 14. Januar 2013 hält Dr. Eckart von Hirschhausen einen Vortrag an der Ruhr-Universität Bochum im Rahmen der Vorlesungsreihe „Die Wissensmacher“. Diese wird in Kooperation mit der TU Dortmund organisiert und richtet sich an die Studierenden des Wissenschaftsjournalismus sowie an alle anderen interessierten Studenten und Mitarbeiter der beiden Universitäten. In diesem Semester ist der Arzt, Kabarettist, Autor und Fernsehmoderator, der prominenteste aller Redner, da und verleiht unserem ungemütlichen Hörsaal eine ganz besondere Atmosphäre.
Medizinische Statistik und magisches Denken
Bei der Frage, wer sich für dieses Fach interessiere, hoben tatsächlich drei Zuhörer schüchtern die Hand. Als Kind war Dr. Eckart von Hirschhausen die Statistik ein großes Rätsel: Er las, jeder vierte Mensch sei ein Chinese – er kannte keinen. Heute veranschaulicht er das unbeliebte Fach mit der Tendenz der Leute, Schlüsse zu ziehen, welche keine sind. Jeder Mensch hat seine eigene Technik, mit der er Münzen beschwört. Wirft ein Parkautomat das Geldstück immer wieder aus, so wird es an der dafür bereits frei gerubbelten Stelle neben dem Schlitz kräftig gerieben. Und tatsächlich bleibt es beim nächsten Versuch drin – oder es kommt wieder raus. Würde man eine Statistik darüber erstellen, ob die gerubbelte oder die ungerubbelte Münze eher im Automat steckenbleibt, wäre das Ergebnis enttäuschend. Deshalb bleibt man lieber beim Rubbeln und erfreut sich an seinen paranormalen Fähigkeiten.
Dschungelcamp vs. Das fantastische Quiz des Menschen
Kommerziell betriebenes Fernsehen will den Zuschauer dazu bringen, die Werbung anzusehen. Und das Fernsehprogramm ist Mittel zum Zweck. Ein erfolgreiches Mittel. Einerseits schaffen es Mario Barth und das Dschungelcamp die Einschaltquoten in die Höhe zu treiben, andererseits will Dr. Eckart von Hirschhausen mit seinen Sendungen den Menschen medizinisches Wissen näher bringen. Das funktioniert auch ganz gut, zumindest bei den Zuschauern, die sich für diese Themen interessieren. Um auch die „Dschungelcamp-Zuschauer“ zu erreichen, die normalerweise einen großen Bogen um die ARD machen, präsentiert er seine Shows auch auf privaten Sendern.
Wir alle bezahlen die Gebühren des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und viele beschweren sich. Warum eigentlich? In der Vorlesung wird erklärt, dass hochwertige, teuer recherchierte Sendungen angeboten werden. Wer nicht zur Sendezeit bereit ist, kann sich später in der Mediathek die verpasste Sendung beliebig oft anschauen. Gleichzeitig besteht so die Möglichkeit, sich seriöse Informationen zu verschiedenen Themen zu beschaffen. Dr. Eckart von Hirschhausen bedauert allerdings, dass die meisten Menschen „keinen Unterschied zwischen Qualitätsjournalismus und Bullshit“ machen.
„Junge idealistische schöne Menschen,...
...die antreten mit den Idealen von Woodstock und Birkenstock. Und nach sechs Semestern sind sie bei Hodenstock und Boss.“ Er kritisiert das Gesundheitssystem, dass den Patienten oft im Regen stehen lässt. Die Medizin verkauft ihre Seele. Es werden Kliniken privatisiert und Krankenschwestern eingespart, während niemand über die Auswirkungen dieser Entwicklung nachdenkt. Er sieht keinen Ausweg, die Situation über die festgefahren Ärzteschaft zu bessern. Und er fragt sich, ob es sich verhindern lässt, „dass uns unsere Jobs professionell deformieren“, wenn man nur früh genug anfängt, sich Gedanken zu machen. Gerade deshalb hält er gerne Vorlesungen für Studenten. Und vielleicht hat er ja tatsächlich den ein oder anderen von uns, dem Woodstock und Birkenstock schon sehr fern waren, in letzter Sekunde wachgerüttelt. Sein persönlicher Tipp ist es, Freundschaften aus der Zeit vor dem Studium zu bewahren. Denn „ein Freund ist einer, der die Melodie in Deinem Herzen kennt und Dich an sie erinnert, wenn Du sie selber vergessen hast.“ Danke!
Ein weiterer Schritt ist die Aufklärung der Menschen zu selbstverantwortlichen Patienten. Mit kleinen Videoclips zu relativ komplizierten Themen will er die Zuschauer neugierig machen, damit sie selbst weiter recherchieren und sich mit dem Thema auseinandersetzen. Einen dieser Clips zeigte er uns und der Begeisterung des Publikums nach lohnt es sich, weitere solcher Clips auf seiner Internetseite oder seinem YouTube-Channel zu verfolgen.
Warum kommt er so gut an? - Tipps für Journalisten
Er tanzt eurythmisch mit Gymnastikbändern den Unterschied zwischen Mann und Frau.
Er beachtet das Kill-Your-Darling-Prinzip: Wenn man einen Satz in einem Artikel oder Bühnenprogramm besonders toll findet, soll man ihn streichen.
Er wechselt zwischen Spaß und Ernst: Die Notwendigkeit der Bereitschaft zur Organspende erklärt er den Zuschauern am Beispiel eines kleinen Jungen, der durch eine neue Herzklappe ein neues Leben gewonnen hat.
Er behauptet, gute Fragen seien spannender als gute Antworten. Bewiesen wird diese Behauptung mit der Frage einer Zuhörerin: „Wenn eine Fliege im Auto herumfliegt und das Auto macht eine Vollbremsung – was passiert dann mit der Fliege?“ (Die Relativitätstheorie möchtet an dieser Stelle doch wirklich niemand erklärt bekommen.)
Er entwickelt sein Programm im Dialog mit dem Publikum. Und schreibt Bücher erst, nachdem seine Ideen beim Publikum gut angekommen sind.