- Interview
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- Patricia Paul
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- 13.02.2014
Studentenecke – Studenten im Interview: Fallschirmspringerin Julia Janßen
Julia Janßen studiert im zweiten Fachsemester an der Semmelweis-Universität in Budapest und hat ein außergewöhnliches Hobby: Fallschirmspringen. Lokalredakteurin Patricia Paul hat sich mit Julia in einer Vorlesungspause über ihr faszinierendes Hobby unterhalten.
> Fallschirmspringen - das klingt nach einem spannenden, aber auch sehr gefährlichen Hobby. Bist du dir der Risiken bei jedem Sprung bewusst oder blendest du sie aus?
Nach meiner Information enden in Deutschland von jährlich 100.000 Absetzvorgängen statistisch gesehen vier tödlich, davon werden allein drei auf suizidale Absichten zurückgeführt. Die Möglichkeit, bei diesem Sport zu sterben, liegt also praktisch bei „Null“. Das mag für Außenstehende ironisch klingen, weil wir ja aus einem Flugzeug springen und sich das naturgemäß gefährlich anhört. Doch wir sichern uns natürlich auch so weit es geht ab. Es gibt für den Ernstfall einen Reservefallschirm, der gezogen werden kann, wenn die Hauptkappe versagen sollte.
> Was passiert, wenn ein Springer beim Sprung bewusstlos wird?
Für den gesundheitlichen Notfall, wenn zum Beispiel der Fallschirmspringer bewusstlos werden sollte oder einen Apoplex erleidet, gibt es das sogenannte Cypres. Das ist ein technisches Gerät, das auch von der NASA benutzt wird. Es hat soweit ich weiß noch nie versagt, wenn es eingeschaltet war. Das Cypres löst automatisch den Reserveschirm aus, wenn der Fallschirmspringer ihn nicht selbst ziehen kann. Das Gerät wird auf der Höhe aktiviert, auf welcher der Fallschirmspringer mit dem Flugzeug startet, dadurch wird es auf 0 begradigt. Die Höhe wird vom Gerät gespeichert, während des Sprunges misst das Cypres die Geschwindigkeit des Fallschirmspringers auf der Höhe von 225 m. Ist der Fallschirmspringer auf dieser Höhe zu schnell unterwegs, löst es automatisch die Reserve aus. So wird garantiert, dass der Fallschirmspringer lebend ankommt, wenn auch mit Frakturen.
> Wie bist du zu diesem Hobby gekommen?
Ich habe schon immer viel Ausdauersport betrieben, war auf internationalen Wettkämpfen im Triathlon-Kader und bin Bergsteigen gewesen, habe Rhönrad-Touren gefahren und bin geklettert. Vor meiner Auslandsreise nach Südamerika habe ich Sport in Kiel studiert. In Südamerika kam dann schließlich noch der Tauchschein hinzu. Nach meiner Rückkehr nach Deutschland habe ich das Unisportprogramm durchgesehen und dort bei der Suche nach einem Kletterkurs zufällig das Angebot „Fallschirmspringen“ entdeckt. So wurde mein Interesse für diese Sportart geweckt und ich meldete mich zum Minikurs in Kiel an. Dieser umfasste vier Tage intensives Training mit dem Ziel, am Ende des Kurses allein aus 1500 m Höhe aus einem Flugzeug zu springen.
> Wie hast du dich auf deinen allerersten Sprung vorbereitet?
In dem Minikurs wurde viel Theorie besprochen, zahlreiche „worst case“- Szenarien wurden durchgegangen, das Verhalten im Flugzeug und während des Fallschirmsprungs geprobt. Wichtig ist, dass der Fallschirmspringer nach dem Sprung aus dem Flugzeug wie eine Banane mit dem Bauch nach unten fällt. Bevor es in die Luft ging, wurde mit allen Teilnehmern in einem Übungshänger geübt. Uns wurden zahlreiche Bilder gezeigt, auf denen unter anderem ein sich nicht öffnender Fallschirm zu sehen war, wir mussten dann dementsprechend agieren. Flüge wurden immer und immer wieder simuliert, bis wir die Situationen in –und auswendig kannten. Nach vier Tagen war es dann endlich soweit, der erste Sprung … Beim ersten Mal hatte ich sehr viel Angst. Unter mir sah ich praktisch nichts und stellte fest, dass 1500 m sehr hoch sein können. Mittlerweile ist die Angst verflogen, doch noch immer begegne ich diesem Sport mit viel Respekt, traue mir aber mehr zu. Wir springen nun schon Formation oder machen Saltos.
> Was ist das für ein Gefühl, wenn du aus dem Flugzeug springst und den freien Fall erlebst?
Fallschirmspringen bedeutet für mich ein Gefühl der absoluten Freiheit. Dieses Gefühl ist kaum zu beschreiben, es gibt einfach nichts auf der Welt, das dieses Gefühl toppen könnte. Gerade die Kombination aus dem etwa einminütigen freien Fall und der bis zu achtminütigen Schirmfahrt, macht jeden Sprung für mich zu einem einmaligen Erlebnis. Hinzu kommt, dass einfach jeder Sprung anders ist. Ich muss mich jedes Mal auf andere Windverhältnisse einstellen und dementsprechend reagieren. Fasziniert war ich auch von Anfang an von der Kollegialität in der Springergemeinde. Fallschirmspringen ist ein Teamsport, Zusammenhalt ist wichtig, jeder checkt seinen Teampartner vor dem Sprung. Es gibt kein Konkurrenzdenken wie in anderen Sportarten, weil es bei diesem Sport nicht ums Gewinnen, sondern um das sichere Ankommen und Spaß haben geht.
> Hast du eine Möglichkeit, deinem Hobby auch in Budapest nachzugehen?
Nach längerer Suche habe ich eine passende Dropzone in der Nähe des Balaton in Somohogy gefunden, das liegt 115 km von Budapest entfernt. Die Dropzone heißt Kiliti Skydive Balaton – und wir springen dort aus Hubschraubern, unter anderem auch mit 30 Springern auf einmal. Das war eine ganz neue Erfahrung für mich. Wir kommunizieren auf Englisch miteinander, sodass es keine größeren Sprachprobleme gibt.
> Welche Voraussetzungen sollten Interessierte mitbringen?
Bevor ein Fallschirmsprung-Kurs besucht werden kann, steht ein Tauglichkeitstest beim Arzt an. Hierbei werden das Herz-Kreislauf-System und die allgemeine Fitness gecheckt. Für das Hobby Fallschirmspringen ist keine extra Versicherung notwendig, eine Ausbildung ist ab 14 Jahren mit Einverständnis der Eltern möglich. Nach erfolgreichem Ablegen der Fallschirmsprunglizenz gilt die Auflage, zwölf Sprünge pro Jahr zu absolvieren, damit diese aktiv bleibt. So ist jeder Fallschirmspringer berechtigt, weltweit an eine sogenannte Dropzone zu gehen und zu springen. Interessierte können bei Kiliti Skydive Balaton auch erst einmal einen Tandemsprung mit einem erfahrenen Lehrer wagen, um das Gefühl des freien Falls unter kontrollierten Bedingungen kennenlernen zu können.