• Artikel
  • |
  • Patricia Paul
  • |
  • 20.09.2016

Physikum in Ungarn – und danach?

Wer das Physikum in Ungarn erfolgreich hinter sich gebracht hat, möchte wohl dasselbe wie jeder Medizinstudent nach dem Physikum: feiern, Urlaub machen, Freunde treffen und unbeschwert das Leben genießen. Kurz gesagt all das, wofür während der Prüfungszeit keine Zeit war. Ganz so leicht haben es die Ungarer Physikumsabsolventen leider nicht, stellt sich doch früher oder später die Frage: Wie geht es jetzt weiter?

Eingangshalle der Universität Semmelweis - Foto:Patricia Paul


Die meisten Studenten, die in Ungarn mit dem Humanmedizin-Studium beginnen, haben sehr genaue (Wunsch-)Vorstellungen für die Klinik. Viele möchten zurück nach Deutschland, einige gerne an die Partner-Fakultät Asklepios Campus Hamburg und andere haben sich im Laufe der Zeit so sehr in Budapest verliebt, dass sie für das restliche Studium dort bleiben möchten.

Da bekanntlich viele Wege nach Rom - in diesem Fall zum Traumberuf Arzt/Ärztin – führen, möchte ich euch in dieser Artikelserie die verschiedenen Möglichkeiten für die Zeit nach dem Physikum in Ungarn vorstellen.

Cäcilia Ahrens * hat vier Semester an der Semmelweis-Universität Budapest studiert. Sie hat Budapest erst mit der Zeit lieben gelernt.

> Wie kamst du darauf, den vorklinischen Studienabschnitt in Budapest zu absolvieren?

Ein Bekannter hatte dort sein Physikum gemacht und mir die Semmelweis-Universität empfohlen. Er war dort sehr zufrieden, der Wechsel nach Deutschland war unproblematisch und eine Bewerbung könne ich ja einfach mal hinschicken. Gesagt, getan - die Zusage kam prompt. Also machte ich mich mit meinem Hab und Gut auf nach Budapest, in eine fremde Stadt, die ich zuvor nur von Bildern aus dem Internet kannte. Ich wusste nicht, worauf ich mich dort einlassen würde.

> Wie sind deine Erfahrungen rückblickend? Würdest du es wieder tun?

Der Anfang war sehr schwer für mich, ich konnte kein Wort Ungarisch, einkaufen war "Kaufen nach Bildern". Meine Kommilitonen lernte ich bei einer Schnitzeljagd kennen, es war gleich eine Gemeinschaft - das habe ich sonst bisher nirgendwo so intensiv erlebt. Es gab Zeiten, in denen ich mich in Budapest sehr einsam gefühlt habe. Im Winter verliert die Stadt ihren Glanz, den sie im Sommer ausstrahlt, und wirkt zuweilen sehr trist und dunkel. Morgens geht man im Dunkeln zur Uni, abends im Dunkeln nach Hause. Im Laufe der Zeit hat mich die Stadt jedoch gepackt, obwohl ich mittlerweile nicht mehr dort wohne, ist Budapest mein zweites Zuhause geworden.

Rückblickend bin ich sehr dankbar, dass ich dort einen Studienplatz erhielt und mein Physikum erfolgreich ablegen konnte. Ja, ich würde es wieder tun, jede Stunde des Lernens war es wert. Ich habe in einer der für mich schönsten Städte der Welt gelebt und viel Lebenserfahrung sammeln können. Seit Budapest sehe ich vieles gelassener.

> Wolltest du immer zurück nach Deutschland?

Deutschland war für mich während meiner Zeit in Ungarn irgendwie zum "gelobten Land“ geworden. Seit dem ersten Tag in Budapest wollte ich wieder zurück. Hätte sich die Chance geboten, wäre ich wohl sofort zurückgegangen. Das hatte zwei Gründe: Das Medizinstudium in Ungarn ist kostenintensiv - die Studiengebühren sind im Vergleich zu den deutschen Semestergebühren sehr hoch. Und für mich stand schon vor Beginn meines Studiums fest, dass ich eine Doktorarbeit in Deutschland schreiben möchte, um den "normalen" deutschen Dr. med. mit Abschluss des Studiums tragen zu können. Mit Patienten in der Klinik auf Ungarisch sprechen stelle ich mir doch sehr schwierig vor – die Semmelweis Studenten, die für die Klinik hier bleiben, müssen die Sprache erlernen.

> Du studierst nun seit über zwei Jahren wieder in Deutschland, wie gefällt dir das deutsche Studiensystem?

Das deutsche Studiensystem unterscheidet sich schon sehr vom ungarischen, es gibt viel weniger mündliche Prüfungen und die Prüfungswochen liegen zeitlich viel komprimierter. In meiner Anfangszeit in der Klinik in Deutschland bin ich regelmäßig durch die Klausuren gefallen - und das, obwohl ich mich darauf wie in Ungarn intensiv vorbereitet hatte. Woran lag es? In deutschen Klausuren werden die Schwerpunkte anders gelegt, Verständnis ist zwar auch hier sehr wichtig, aber in einer mündlichen Prüfung kann der Prüfer einem auf die Sprünge helfen und wenn man eine Frage nicht versteht, kann dies direkt geklärt werden.

Daran musste ich mich in Deutschland erst gewöhnen, seitdem läuft es aber zum Glück gut.
Die Prüfer in Deutschland empfinde ich als den Studenten gegenüber wohlwollender eingestellt, sie versuchen in mündlichen Prüfungen noch das letzte Wissen aus dem Studenten herauszuholen, um ihn nicht durchfallen lassen zu müssen. In Ungarn gab es Prüfungen, in denen der erste Prüfling nach 5 min wieder draußen und durchgefallen war.

> Haben viele deiner ehemaligen Semmelweis-Kommilitonen einen Studienplatz in Deutschland für die Klinik erhalten?

Viele, mit denen ich bis heute in Kontakt stehe, haben einen deutschen Studienplatz erhalten. Einige mussten ein Semester warten und konnten so erst zum Sommersemester starten, sie nutzten die Zeit dazwischen für Famulaturen und Urlaub. Einige hatten sich ihren Studienplatz eingeklagt, andere hatten sich parallel noch am Asklepios-Campus Hamburg beworben.

* Name von der Redaktion geändert

 

Schlagworte
Mein Studienort

Medizinstudenten berichten aus ihren Unistädten

Werde Lokalredakteur Die Unistädte auf Google Maps
Medizin im Ausland

Erfahrungsberichte und Tipps aus über 100 Ländern

Erfahrungsbericht schreiben Auslands-Infopakete
Cookie-Einstellungen