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- Beyza Saritas
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- 27.03.2023
Reisen im Medizinstudium: Eine Sache der Organisation
Für eine Studentin hast du aber echt viel Freizeit. - Erst kürzlich wurde Beyza mit dieser Aussage konfrontiert. Ob diese aber auch so stimmt?
Mittlerweile studiere ich im zehnten Semester Humanmedizin (Kann mich bitte mal jemand kneifen?) und nähere mich damit dem Ende des theoretischen Teils meines Studiums. Bereits zu Beginn habe ich mehrfach gehört, dass das Studium die beste Zeit im Leben eines jeden Studierenden sein soll. Diese Behauptung kann ich bestätigen – aber nur bedingt. Denn was du aus deiner Studienzeit machst, bleibt letztlich dir selbst überlassen. Dass du bis zur Rente womöglich nie wieder so viel Zeit und Flexibilität haben wirst wie zu Studienzeiten, liegt nahe.
Manch einer mag beim Lesen des Titels geschmunzelt und sich gedacht haben, dass Reisen nicht nur eine Sache der Organisation, sondern auch des Budgets ist. Das mag irgendwo stimmen, wenn man unflexibel ist, auf bestimmten Reisezielen beharrt, aber auch – für Studierende – hohe Ansprüche an den Tag legt. Reisen muss nicht kompliziert sein. Und vor allem nicht teuer.
Aus Erfahrung kann ich sagen, dass ich Mitstudierende habe, die mehrfach Flüge unter 50 Euro ergattert haben. Von ein paar Tagen in Kopenhagen bis zu einem Wochenendtrip nach Zagreb war alles drin. Umweltschützer*innen unter uns stehen – verständlicherweise – vermutlich gerade die Haare zu Berge. Natürlich ist es umweltfreundlicher, mit Bus und Bahn durch die Gegend zu reisen. Dies ist aber in der Regel nicht unbedingt freundlicher für das Budget und weit kommt man damit auch nicht, wenn die Zeit drängt.
Flexibilität an den Tag zu legen, ist im Medizinstudium dein größer Freund. Vorkliniker*innen fragen sich gerade, was ich hier schreibe, ich weiß. Ja, in der Vorklinik hat man wirklich nur bedingt Freizeit. Das Medizinstudium ist bekannt dafür, sehr verschult zu sein; freie Tage hat man selten, und in den Semesterferien darfst du – wenn du Pech hast – neben dem dreimonatigen Pflegepraktikum noch Klausuren schreiben. Wenn du Glück hast, bleiben dir ein paar freie Tage, bevor auch schon das nächste Semester beginnt.
Doch auch hier kannst du dir helfen, wenn du das Pflegepraktikum bereits größtenteils vor dem Studium absolvierst. Da an der HHU die Klausuren alle im Semester geschrieben werden, kannst du auf diese Weise – abgesehen von dem ein oder anderen Praktikum (…Chemiepraktikum, ein Trauma…) – wenigstens die Semesterferien in den ersten beiden Studienjahren zum regenerieren und reisen nutzen. Nach dem vierten Semester und dem Erreichen der Famulaturreife musst du vier Monate Famulatur in der vorlesungsfreien Zeit ableisten, sodass du danach, da du auch noch für das erste Staatsexamen lernen musst, eine Weile ans Krankenhaus und an den Schreibtisch gefesselt bist.
Wer auch immer dies erfunden hat, nach dem Eintritt in die Klinik wird definitiv nicht alles besser. Eines aber stimmt: Du wirst sehr viel flexibler, wenn du dies zulässt. Anwesenheiten werden nicht mehr so streng überprüft, der Lernerfolg ist eher abhängig vom eigenen Ermessen, und selten liegt es Prüfenden daran, einem einen Strich durch die Rechnung zu ziehen. Und wenn du nicht unbedingt verkrampft in jede Vorlesung und in jedes Seminar gehst, nach drei Jahren „Work“ verdienterweise mehr Wert auf „Balance“ legst, kann das Leben als Student*in von nun an eigentlich nur noch besser werden.
In der Klinik ist ein kurzer Abstecher – ja auch während dem Semester – immer einen Gedanken wert: Gerne erinnere ich mich daran, dass ich mit zwei Freundinnen an einem Freitag im Dezember – direkt nach dem Praxisblock Chirurgie im Krankenhaus – zum Flughafen gefahren bin. Am Montag stand ich wieder auf der Matte, bereit für den Klinikalltag. War es anstrengend? Ja. War es das wert? Ja. Habe ich unbezahlbare Erinnerungen und Erfahrungen sammeln können? Ja. Werde ich jemals wieder so verrückt sein und an einem Wochenende mit meinen Freundinnen nach Dublin fliegen? Vermutlich nein (aber man weiß ja nie :)).
Reisen im Medizinstudium muss nicht zwingend mit Urlaub verbunden sein, kann es aber. Programme wie ERASMUS ermöglichen dir, für ein Semester einen Einblick in das Studentenleben an anderen Orten und Unis der Welt zu erhaschen. Doch für Mediziner*innen besteht auch immer die Möglichkeit, eine Auslandsfamulatur oder ein PJ-Tertial im Ausland zu machen. Wenn du Glück hast, musst du dich nicht einmal um eine Unterkunft kümmern, weil diese gestellt wird. Studienpflichten erfüllen und dabei reisen: Quasi zwei Fliegen mit einer Klappe.
Jetzt, wo sich das Ende des Studiums nähert, merke ich immer wieder, wie viele meiner Kommilitoninnen und Kommilitonen noch versuchen, ein ERASMUS-Semester in Istanbul, eine Auslandsfamulatur auf den Seychellen oder aber auch noch ein PJ-Tertial in der Schweiz zu organisieren. Das Ende des Studiums kommt sehr viel schneller als gedacht. Auch, wenn ich mein Studium insbesondere in der Klinik in vollen Zügen genutzt habe, kann ich nur raten, auch in der Vorklinik die ein oder andere Reise zu wagen. Das Arbeitsleben kommt viel zu früh, und dann reduziert sich der Spielraum für Reisen auf 30 freie Tage im Jahr.
Natürlich ist Reisen nicht jedermanns Sache, das muss es auch nicht. Aber wenn du aus seiner Komfortzone heraus möchtest oder musst, dann gibt es vermutlich keinen Lebensabschnitt, der sich so gut dafür eignet wie die Studienzeit. Du wirst niemals wieder so jung, energetisch und flexibel sein.
Also, was hält dich noch auf?